Wie einen Messias wird der ägyptische Armeechef Sisi verehrt. Im Nilland gibt es derzeit kein anderes Thema als seine Präsidentschaftskandidatur. Seine Anhänger erwarten von ihm nichts weniger als Wunder. Er soll dem krisengeschüttelten Land Ruhe, Ordnung und Wohlstand bringen.
Auch «Samir», das bekannte Kindermagazin, steht den Erwachsenen nicht nach und widmet seine neuste Nummer Armeechef General Abdelfattah al-Sisi. Das Porträt des «authentischen Sohnes Ägyptens» ziert das Titelbild. Beschrieben wird er als «asil», ein vielsagendes Adjektiv für den Sohn Ägyptens. Das Wörterbuch bietet nicht weniger als 20 Bedeutungen. Von rein, nobel über stark, vernünftig , sensibel bis zu charakterfest, entschlossen oder bodenständig. Die Ägypter könnten noch mehr aufzählen, denn es gibt keine positive Eigenschaft, die sie dem 59-Jährigen – vor wenigen Tagen zum Feldmarschall beförderten – nicht nachsagen würden.
Aufstieg nach der Revolution 2011
Der steile Aufstieg des Generals mit der sanften Stimme begann erst nach der Revolution von 2011. «Vorher war er nur ein kleiner Offizier, den niemand gekannt hat», sagt ein ehemaliger Berufssoldat, der jetzt die Werbetrommel für ihn rührt. Zum Armeechef befördert hatte ihn Präsident Mohammed Morsi, als er im August 2012 die alte Garde der Generäle in Pension schickte. Den Ruf eines Machers, der hält, was er verspricht, erwarb er sich im letzten Sommer, als er Morsi ein 48-Stunden-Ultimatum stellte, um auf die Massenproteste gegen ihn zu reagieren. Als dieser nichts unternahm, setzte Sisi den demokratisch gewählten Präsidenten ab, installierte eine neue Führung und liess sich ein Mandat geben, den «Terror zu bekämpfen». Nach sechs Wochen räumten die Sicherheitskräfte die Protestcamps der Muslimbrüder in einer blutigen Aktion mit über 1000 Toten, Tausende wurden verhaftet, ihre Organisation wurde verboten und inzwischen zur Terrororganisation erklärt.
Mit seinem entschlossenen Handeln hat sich Sisi als «Retter vor den Muslimbrüdern» profiliert und die grosse Mehrheit der Ägypter findet jetzt, er sei zu Höherem berufen. In dieser aussergewöhnlichen Zeit brauche es eine starke Hand. Seit Jahrzehnten haben am Nil ehemalige Generäle regiert; Morsis kurzes Intermezzo war die einzige Ausnahme. Nun soll Sisi diese Tradition fortsetzen und als Präsident für Ruhe, Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwung sorgen – oder besser noch: mit einem magischen Stab hinzaubern. Es gibt mehr als ein Dutzend Initiativen, die Unterschriften für seine Kandidatur sammeln. Sie werden von einfachen Bürgern, Vertretern von Parteien aller Schattierungen, Intellektuellen und Künstlern und praktisch allen Medien unterstützt.
Nicht Anhänger sondern Fanatiker
Viele seiner Anhänger sind eigentliche Fanatiker, andere Meinungen lassen sie nicht gelten. Und so überollt eine Welle von Sisimanie das Land, die mit einer normalen Wahlkampange nichts mehr zu tun hat. Das Konterfei von Sisi, meist mit Sonnenbrille, ist überall. Riesige Poster auf Plakatwänden, finanziert von Geschäftsleuten, hängen auf Durchfahrtsstrassen. Ladenbesitzer schmücken ihre Auslagen mit seinem Porträt. Neugeborene erhalten seinen Namen. Kleine Kinder werden in dieselbe Uniform gesteckt. Schüler tragen T-Shirts oder Rucksäcke mit seinem Bild. Und Bäcker haben Sisi-Pralinen, Köche Sisi- Menus kreiert.
Auch im Fernsehen gibt es keine Sendung, in der sein nicht Name fällt; egal ob debattiert, gekocht, geschneidert oder Fussball gespielt wird. Der bekannte Satiriker Basem Youssef hat sich in seiner letzten Show über diese Sisimanie in den Medien lustig gemacht. Verzweifelt suchte er vergeblich ein Sisi-freies Programm. Es hagelte Beschwerden von Zuschauern. Der Staatsanwalt überlegt jetzt, ob er eine Untersuchung gegen Youssef einleiten soll. Bei der Aufzeichnung der nächsten Sendung gab es dann Proteste von aufgebrachten Sisi-Anhängern vor dem Theater, wo die Show über die Bühne geht. Sie versuchten, der Crew den Zutritt zu verwehren.
Der General schweigt zum Personenkult
Mit der offiziellen Ankündigung seiner Kandidatur zögert der Feldmarschall noch. Dafür zeigt er sich immer öfter staatsmännisch in ziviler Kleidung. Gegen den ganzen Hype um seine Person tut er nichts und riskiert damit, dass die Erwartungen der Bevölkerung immer überzogener und unrealistischer werden. Und nach diesem hysterischen Auftakt mag man sich gar nicht vorstellen, wie aufgeheizt die Stimmung sein wird, wenn die Wahlkampagne erst richtig beginnt.