Eingeholt vom eigenen Erfolg

Maya Graf ist seit 14 Jahren in Bern und hat so viel erreicht wie kaum eine andere Politikerin. Genau das ist ihr Problem – und das ihrer Partei.

Die 53-jährige Bio-Bäuerin ist eine der erfahrendsten Politikerinnen in Bern. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Maya Graf ist seit 14 Jahren in Bern und hat so viel erreicht wie kaum eine andere Politikerin. Genau das ist ihr Problem – und das ihrer Partei.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Maya Graf im Bistro Cheesmeyer mit einem Journalisten verabredet. Die 53-Jährige ist den Medienrummel gewohnt, sie weiss, wie sie ihre Haare richtet, wann sie in die Kamera schauen muss, wie sie ihre Leitsätze platziert. Bei einem Milchkaffee und Vollkorn-Gipfeli lässt sie ihre Polit-Karriere nochmals Revue passieren.

2001 sei sie «in das Abenteuer eingestiegen», sagt Graf. Damals rückte sie für die abtretende Ruth Gonseth in den Nationalrat. Von ihr übernahm sie das Dossier Gentechnik. Der Film «Mais im Bundeshuus» machte sie in dieser Zeit national bekannt. Im Film trägt sie eine kecke Rothaarfrisur, redet munter drauflos. Fortan haftete das Adjektiv «naiv» an ihr. «Bei einem Mann hätte man das nie gesagt», sagt Graf rückblickend.

Als einzige Grüne sass Graf in der Wissenschaftskommission, die sich mit der damals aufkommenden Gentechnik beschäftigte. Ihr Engagement gegen die Gentechnik war eine einzige grosse Erfolgsstory: Für das neue Gesetz war sie massgeblich verantwortlich, 2005 gewannen die Grünen unter ihrer Ägide die Abstimmung zum Gentech-Moratorium – womit damals niemand gerechnet hätte.

 

Das Moratorium wird laufend verlängert, das Gentech-Gesetz ist bis heute niet- und nagelfest; für Graf ein «nachhaltiger Erfolg». Das Thema galt als erledigt, Graf widmete sich neuen Bereichen: dem Bienenschutz und der Saatgutzüchtung.

Auch diese Anliegen trugen in kürzester Zeit Früchte. Der Bund arbeitet derzeit an einer Pflanzenzüchtungsstrategie, der Bienenschutz ist medial weit verbreitet. Es scheint, als ginge jede Saat auf, die Graf pflanzt. Sie löst die Probleme, anstatt sie zu bewirtschaften. Und genau das könnte der Vorzeige-Politikerin zum Verhängnis werden.

Maya Graf und den Grünen gehen die Themen aus. Eine CVP-Bundesrätin (Doris Leuthard) weibelt für den Atomausstieg, gegen Gentechnik gibt es heute von SP bis SVP Mehrheiten. Vor 15 Jahren war Maya Graf als Bio-Bäuerin eine Exotin, Bio-Essen ist heute Mainstream. Kurz: Die Themen, wofür die Öko-Rebellen einst standen, sind heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Maya Graf: «Unsere Politik ist kein Selbstzweck.»

Braucht es die Partei überhaupt noch, wenn ihre Anliegen umgesetzt sind? «Eigentlich wäre es doch das Ziel jeder Partei, dass es sie irgendwann nicht mehr gibt. Wir sind ja alle da, um Probleme zu lösen», erklärt Graf. Dann schiebt sie nach: «Klimawandel, Zersiedelung, Pestizide – es gibt noch so viel zu tun. Wenn die Grünen nicht dranbleiben, dann schmieren Projekte wie die Energiewende sang- und klanglos ab.»

Scheue Versuche macht die Partei auch mit nicht-ökologischen Themen. Bei der Überwachung und Asylpolitik versuchen die Grünen seit Jahren Alternativen anzubieten. Das Ganze wirkt jedoch schwerfällig, es fehlt die letzte Überzeugung.

Wie erfolgreich Themen bewirtschaften geht, machen andere Parteien vor: Die SVP kämpft gegen «Ausländerkriminalität», stemmt sich jedoch gegen Massnahmen, die Menschen mit Migrationshintergrund sozial integrieren würden. Graf will das nicht. «Unsere Politik ist kein Selbstzweck, das unterscheidet uns böse gesagt von der SVP.»

Werden die Grünen am Ende dafür bestraft, dass sie Themen zielorientiert angehen und nicht bewirtschaften? Die letzten kantonalen Wahlen deuten zumindest an, dass am 18. Oktober ein Desaster droht.

Maya Graf: «Ich habe Respekt vor den politischen Herausforderern, aber ich bange nicht um meinen Sitz im Nationalrat.»

In Baselland wird die Situation durch parteiinterne Machtkämpfe noch verschärft. Der Querulant Jürg Wiedemann will den Grünen mit einer «unabhängigen» Nationalratsliste Stimmen abgreifen. Für Maya Graf ist das kein Grund für schlaflose Nächte: «Natürlich habe ich Respekt vor den politischen Herausforderern, aber ich bange nicht um meinen Sitz im Nationalrat.»

Die bisher glanzvollen Resultate der Sissacherin sprechen klar für eine Wiederwahl im Herbst; dennoch ist die Causa Wiedemann für Graf ärgerlich. «Wenn sich bestimmte Personen selbst profilieren wollen und nicht für die Sache politisieren, finde ich das sehr bitter. Und es schadet der grünen Sache.»

Die Zukunft bleibt grün

Ein Grund zur Panik sei das jedoch nicht. «Das habe ich alles in den Neunzigerjahren schon erlebt», sagt Graf. In der Parteigeschichte der Grünen gab es bereits einige Auf und Ab. Angefangen bei den Atomprotesten, die die Partei in den 1980er-Jahren stark machte, landete die Grüne Partei Schweiz 1991 bei einem Wählerstimmenanteil von 6,1 Prozent. Die Bedeutung der Partei versandete in der Diskussion um den EWR, erst danach ging es wieder aufwärts. Den Höhepunkt erreichten die Grünen 2007 mit einem Anteil von 9,6 Prozent. Es ist ein ewiges Auf und Ab, das die noch relativ junge Partei auszeichnet.

Wenn die Grünen wie in Zürich bei zirka sieben Prozent landen, sei das eine Schlappe, sicher, aber nicht das Ende der Partei. «Totgesagt ist die Partei längst nicht, die Grünen braucht es mehr denn je», sagt Graf kämpferisch.

«Zukunft wählen» – das war der Slogan, mit dem Maya Graf 2011 in den Wahlkampf ging. Angesichts der schlechten Prognosen klingt diese Parole heute beinahe zynisch. Graf bleibt dabei: Die Grünen seien die Zukunftspartei, es gehe darum, den kommenden Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Es klingt pathetisch, gewürzt mit einer Spur Zweckoptimismus. Bei Maya Graf hört es sich trotzdem überzeugend an.

Wenn Maya Graf am 18. Oktober wiedergewählt würde, zählt sie bald zu den Urgesteinen im Bundeshaus. Sie wäre dann voraussichtlich 18 Jahre ununterbrochen im Nationalrat.

Wenn Maya Graf am 18. Oktober wiedergewählt würde, zählt sie bald zu den Urgesteinen im Bundeshaus. Sie wäre dann voraussichtlich 18 Jahre ununterbrochen im Nationalrat. (Bild: Alexander Preobrajenski)

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