Das bürgerliche Viererticket verliert an Boden. Bei der ersten Wahlumfrage von TagesWoche und «bz Basel» hatten die Bürgerlichen die Nase vorn. Bei der zweiten Welle gewinnt Rot-Grün dazu. Für SP-Baudirektor Hans-Peter Wessels zeichnet sich aber weiterhin ein zweiter Wahlgang ab.
Die zweite Welle der Wahlumfrage von TagesWoche und «bz Basel» zeigt: Die Regierungsmehrheit bleibt voraussichtlich doch in linker Hand. Während in der ersten Umfrage das bürgerliche Viererticket noch die Nase vorn hatte, gewinnt Rot-Grün bei der zweiten durch das Forschungsinstitut Sotomo geleiteten repräsentativen Umfrage dazu.
Zwar dürften im ersten Wahlgang weiterhin nur fünf der sieben Regierungssitze besetzt werden, Elisabeth Ackermann (Grüne) konnte gegenüber der ersten Umfrage aber 5 Prozentpunkte zulegen und kommt neu auf einen Wähleranteil von 45 Prozent. Somit lässt sie Lorenz Nägelin von der SVP knapp hinter sich, der zwar ebenfalls 2 Prozentpunkte dazugewinnen konnte und neu 42 Prozent Stimmenanteil macht, bei der ersten Umfrage aber noch knapp vor Ackermann lag. Das absolute Mehr von 50 Prozent verpasst die Grüne aber weiterhin. Bei Ackermann und Nägelin läuft es weiter auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen im zweiten Wahlgang am 27. November hinaus.
Ackermann konnte gegenüber der ersten Welle der Umfrage im eigenen Lager – allen voran bei der SP-Wählerschaft – zulegen. Wurde sie Ende September noch von 78 Prozent der SP-Anhänger unterstützt, sind es neu 86 Prozent. Der Grünen-Grossrätin dürfte zugute kommen, dass viele SP-Wähler mit allen Mitteln die SVP in der Regierung verhindern wollen und deshalb nun weitgehend geschlossen für Ackermann stimmen, obwohl sie nicht zu 100 Prozent überzeugt sind von ihrer Kandidatur.
Elisabeth Ackermann ihrerseits führt ihr besseres Abschneiden bei der SP darauf zurück, dass sie bei Standaktionen der Partei oft dabei gewesen und auch bekannter geworden sei. «Ich habe mein Profil geschärft», sagt sie. Auch wenn sich Ackermann über ihr besseres Abschneiden freut, aufatmen kann sie noch nicht: «Es ist immer noch sehr knapp – wir müssen bis am Schluss stark mobilisieren.»
Nägelin beliebter bei CVP
Lorenz Nägelin konnte in den letzten Wochen bei den CVP-Anhängern zulegen. Kam der SVPler bei den CVP-Wählern in der ersten Umfrage nur auf 54 Prozent Stimmenanteil, sind es neu 72 Prozent. Minim verloren hat Nägelin bei der FDP und LDP (1 bis 2 Prozent). «Es ist positiv zu werten, dass ich bei der Mitte zulegen konnte», sagt Nägelin. Dass er neu 3 Prozentpunkte hinter Ackermann liegt, scheint ihn nicht zu stören. «Dieser Wert kann auch auf die statistische Ungenauigkeit von Umfragen zurückzuführen sein.» Nägelin bleibt zuversichtlich: «Ich betreibe Sachpolitik und kann auch mehr Führungserfahrung als Ackermann einbringen.»
Düster sieht es immer noch für SP-Baudirektor Hans-Peter Wessels aus: Er muss voraussichtlich in den zweiten Wahlgang, gegenüber der ersten Umfrage verliert er 1 Prozentpunkt und macht nur noch 47 Prozent der Stimmen. Das schlechte Abschneiden von Wessels ist gemäss Sotomo darauf zurückzuführen, dass er – im Gegensatz zu den anderen Bisherigen der SP wie Eva Herzog und Christoph Brutschin – bei den bürgerlichen Wählern kaum Sympathien geniesst. So wird er nur von 6 Prozent der FDP-Wähler unterstützt (Herzog kommt bei der FDP auf 33 Prozent).
«Ich hoffe trotzdem immer noch, dass es mir im ersten Wahlgang reicht – aber noch wichtiger ist, dass wir im zweiten Wahlgang die rot-grüne Mehrheit sichern», sagt Wessels. Sein Departement stehe halt im Fokus der Öffentlichkeit. Allen voran die Verkehrspolitik polarisiere. «Mit dem muss ich leben. Immerhin ist es bei mir so, dass man seit acht Jahren genau weiss, wofür ich einstehe.»
Wackelkandidat Dürr
Unverändert bleiben die Resultate bei Eva Herzog (SP, 63 Prozent), Lukas Engelberger (CVP, 56 Prozent) und Conradin Cramer (LDP, 59 Prozent). Neuling Cramer scheint am 23. Oktober ein grosser Wahlerfolg bevorzustehen. Auf Anhieb erreicht er nach Eva Herzog den zweiten Platz – dicht auf den Fersen ist ihm aber der bisherige SP-Regierungsrat Christoph Brutschin mit 58 Prozent. Brutschin konnte gegenüber der ersten Umfrage 2 Prozentpunkte zulegen.
Haarscharf über dem absoluten Mehr liegt weiterhin Baschi Dürr von der FDP mit 51 Prozent. Die Umfrage von TagesWoche und «bz Basel» wurde allerdings vom 5. bis 7. Oktober durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt stand der Justiz- und Sicherheitsdirektor noch nicht wegen der Dienstwagen-Affäre unter Beschuss. Auch war die schwere Gewalttat in seinem Polizeikorps noch nicht bekannt. Es ist nicht auszuschliessen, dass die beiden Affären Dürr zusätzliche Wählerstimmen kosten werden und er doch noch eine Extrarunde für die Wahl in den Regierungsrat drehen muss. Wenig erfreulich sieht es für Dürr auch bei der Wahl ins Regierungspräsidium aus – seine Konkurrentin Elisabeth Ackermann konnte kräftig aufholen.
Bernasconi denkt ans Aufhören
Weit abgeschlagen bleiben Heidi Mück (BastA!) mit 35 Prozent und Martina Bernasconi (GLP) mit 21 Prozent. Mück konnte gegenüber der ersten Umfrage zwar 3 Prozentpunkte zulegen und kann auf die Unterstützung von rund zwei Dritteln aller SP-Wähler zählen. Dies reicht jedoch nicht aus, um in die Nähe des absoluten Mehrs zu gelangen.
Martina Bernasconi kündigt schon leise ihren Rückzug für den zweiten Wahlgang an: «Bleibt das Ergebnis so, dann macht es keinen Sinn, nochmals anzutreten. Eine Hintertüre will sie sich aber offen lassen: Sollte sie im zweiten Wahlgang Unterstützung von den Bürgerlichen erhalten, würde sie es noch einmal versuchen.
Allgemein stellt das Institut Sotomo in seinem Bericht zur Umfrage fest, dass eine Polarisierung zu erkennen ist. 20 Prozent der Teilnehmenden stimmten unverändert für die bürgerliche Liste. Das rot-grüne Ticket wurde mit 15 Prozent weniger häufig unverändert eingelegt. «Gesamthaft betrachtet hält sich offenbar rund ein Drittel der Teilnehmenden diszipliniert an die Parteilinie, was bei Personenwahlen unüblich und im Prinzip auch nicht bezweckt ist», schreibt das Forschungsinstitut.
Die zweite Umfrage von TagesWoche und «bz Basel» zu den Regierungs- und Grossratswahlen lief zwischen dem 5. und 7. Oktober 2016 auf den Websites beider Zeitungen – durchgeführt wurde sie vom Schweizer Institut Sotomo. Teilgenommen haben 1670 Personen – rund 1500 Resultate waren auswertbar. Da es sich um eine freiwillige Befragung («opt-in-survey») handelt, wäre die Stichprobe per se nicht repräsentativ. Deshalb wurde sie von Sotomo gewichtet, was eine hohe soziodemografische und politische Repräsentativität gewährleistet. Sotomo erreicht mit seinen Online-Umfragen in anderen Kantonen jeweils eine hohe Genauigkeit, somit lassen sich im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen präzise Momentaufnahmen erstellen. Das Institut verwendet laut eigenen Angaben «statistische Verfahren gemäss dem neuesten Stand der Wissenschaft».