Emir Spahic und die Trennlinie zwischen echtem und falschem Drecksack

Erst wurde Emir Spahic in Leverkusen gefeiert als kompromissloser Verteidiger, als «echter Drecksack», der der Mannschaft gefehlt habe. Jetzt trennt sich der Bundesligist von dem 34-jährigen Bosnier als Konsequenz eines groben Aussetzers ausserhalb des Spiels.

FC Schalke 04's Kevin-Prince Boateng challenges Bayer Leverkusen's Emir Spahic (L) during their Bundesliga first division soccer match in Gelsenkirchen March 21, 2015. REUTERS/Ina Fassbender DFL RULES TO LIMIT THE ONLINE USAGE DURING MATCH TIME TO 15 PICTURES PER GAME. IMAGE SEQUENCES TO SIMULATE VIDEO IS NOT ALLOWED AT ANY TIME. FOR FURTHER QUERIES PLEASE CONTACT DFL DIRECTLY AT + 49 69 650050 (Bild: INA FASSBENDER)

Erst wurde Emir Spahic in Leverkusen gefeiert als kompromissloser Verteidiger, als «echter Drecksack», der der Mannschaft gefehlt habe. Jetzt trennt sich der Bundesligist von dem 34-jährigen Bosnier als Konsequenz eines groben Aussetzers ausserhalb des Spiels.

Einige Leverkusener Fans haben sich zum Spiel ihrer Mannschaft bei Mainz 05 eine reichlich bizarre Aktion der Solidarität ausgedacht. «Emir, einer von uns» haben sie auf ein grosses Transparent gepinselt – eine Botschaft, die bei den meisten Beobachtern für Verständnislosigkeit sorgte. Denn Emir Spahic hat mit einem tätlichen Angriff auf einen Ordner, der Freunde des Profis nach dem Pokalspiel gegen den FC Bayern München nicht ohne die erforderliche Zulassung durch den Innenraum der Arena laufen lassen wollte, eine Grenze überschritten.

Die Videos, die die Schläge und den Kopfstoss des Bosniers zeigen, fand nicht nur Trainer Roger Schmidt «erschütternd»:

Aus einem anderen Blickwinkel:

 

Am Sonntagnachmittag hat sich der Club offiziell von dem Bosnier getrennt. «Emir Spahic ist ein herausragender Fussballspieler, der sich mit seinen Leistungen um Bayer 04 verdient gemacht hat. Die jüngsten Erkenntnisse nach dem Vorfall am vergangenen Mittwoch liessen uns jedoch keine andere Wahl», teilte Bayer 04-Geschäftsführer Michael Schade mit.

Das war keine Überraschung mehr, denn natürlich ist es schwer vorstellbar, einen Fussballprofi nach einer Tat weiter zu beschäftigen, für die jeder Fan ein bundesweites Stadionverbot erhalten würde. Der Werksklub hätte seine Glaubwürdigkeit im ohnehin schon schwierigen Dialog mit den eigenen Anhängern verloren. Und die Spieler gingen am Samstag ebenfalls auf Distanz. «Wir haben heute auch für den Ordner gesiegt. Wir als Mannschaft wünschen ihm alles Gute. Er ist ein Mitglied der Bayer-Familie», sagte Kapitän Simon Rolfes in Mainz. Den unausgesprochenen Zusatz «Spahic nicht mehr», konnte sich jeder dazu denken.

Der Vorfall zeigt, wie schwer es manchen Leuten im Fussball fällt, die Trennlinie zwischen erwünschter Aggressivität und verbotener Gewalt zu erkennen.

Die Solidarität einiger Anhänger mit Spahic teilt das Team also nicht, das Plakat in der Kurve ist allerdings nicht nur Zeichen einer moralischen Verirrung, es zeigt mal wieder, wie schwer es manchen Leuten im Fussball fällt, die Trennlinie zwischen erwünschter Aggressivität und verbotener Gewalt zu erkennen. Fussball ist kein friedlicher Sport, auf den Rängen wird Alkohol getrunken, es wird geschimpft und verschmäht.

Eine gewisse Bereitschaft zur Unzivilisiertheit spielt eine wichtige Rolle, wenn es im Stadion intensiv und aufregend wird. Und von den Spielern wird erwartet, dass sie in «der Schlacht», wie Leverkusens Trainer Roger Schmidt gerne sagt, eine Wildheit und Entschlossenheit entwickeln, die in anderen Lebenssituationen völlig undenkbar wäre.

Leverkusen brauchte einen «Drecksack» und bekam einen 

Gerade der Leverkusener Mannschaft wurde in den vergangenen Jahren immer wieder vorgeworfen, sie sei irgendwie zu brav, zu weich, zu bequem. Rudi Völler, der Sportchef des Klubs, sagte einmal: «Wir brauchen einen Drecksack», und genau diesen Spielertypus hatten sie in Emir Spahic gefunden. Sportlich war der Bosnier gerade wegen seiner kompromisslosen Spielweise sehr wertvoll. Im Internet kursiert ein Video mit vielen spektakulären Zweikämpfen des Bosniers, der nach der WM aus dem Nationalteam zurücktrat, zuletzt aber wieder im Einsatz war. Titel des Filmchens: «Emir Spahic Bosnian Terminator».

 

Seine Aktionen auf dem Rasen sind nicht nur spektakulär für das Publikum, sondern auch furchteinflössend für jeden Gegenspieler. «Ich bin aus Bosnien. Wer hierher kommt, hat eine starke Mentalität, wir sind alle Kämpfer mit einem grossen Herz», hat der 34-Jährige einmal in einem seiner seltenen Interviews gesagt. Nun ist der Versuch mit einem «echten Drecksack» dramatisch gescheitert.

«Ich bedauere mein Verhalten gegenüber den Ordnern, für dieses Verhalten möchte ich mich bei den Betroffenen und deren Familienangehörigen entschuldigen», hat Spahic zum Abschied noch erklärt. Geholfen hat es ihm nicht mehr.

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