7600 Besucher sind dieses Wochenende in der St. Jakobshalle, um den 14. Dalai Lama zu erleben. Mehr als die Hälfte davon sind Tibeter. «Seine Heiligkeit» bot ein komplexes Programm und einfache Antworten auf schwierige Fragen.
Am Samstag Morgen war der Dalai Lama ausgeruht. Neun Stunden habe er geschlafen, erzählte «Seine Heiligkeit» an der Pressekonferenz im Hotel Les Trois Rois. Der bald 80-Jährige war in sein rot-orangenes Gewand gehüllt, rote Socken steckten in schwarzen Turnschuhen.
Der 14. Dalai Lama besucht dieses Wochenende die Schweiz. 7600 Besucher lauschen in der St. Jakobshalle derzeit seinen Unterweisungen, mehr als die Hälfte davon sind Tibeter, viele erscheinen in traditionellen Gewändern. Laut der Tibeter Gemeinschaft Schweiz und Lichtenstein (TGSL) ist die Exil-Gemeinschaft in der Schweiz mit 6500 Mitgliedern die grösste Europas.
Längst nicht alle Anwesenden sind praktizierende Buddhisten, doch der Dalai Lama ist für viele mehr als ein spiritueller Führer. Er war es, der 1959 mit zehntausenden Landsleuten über den Himalaya geflohen ist, sich für die Demokratisierung der tibetischen Gesellschaft einsetzte und 1989 schliesslich den Friedensnobelpreis erhielt.
Zwar hat er 2011 sein politisches Amt abgegeben, um sich ganz spirituellen und philosophischen Fragen zu widmen. Dennoch bleibt er eine wichtige Figur für den tibetischen Freiheitskampf. Viele würden zudem hoffen, dass mit jedem Besuch etwas mehr «hängen bleibt» von seinen buddhistischen Lehren, sagte ein tibetischer Besucher.
Der Einheits-Gedanke als Lösung
Doch diese Lehren sind keine leichte Kost. Bei dem Vortrag zur «Erklärung des Erleuchtungsgeistes» erklärte der Dalai Lama das Konzept der «Leere». Dabei gehe es in erster Linie darum, zu begreifen, dass es kein «Selbst» gibt. Denn die falsche Vorstellung vom Selbst sei die Wurzel allen Übels. Zudem gebe es nur die eigene Wahrnehmung. Eine äussere Welt existiere nicht, Wahrnehmung und Wahrgenommenes seien untrennbar.
Der Dalai Lama kann auch einfacher. Auf die aus dem Publikum gestellte Frage, wie man im Buddhismus auf die herrschende Gewalt in der Welt reagieren soll, hatte er denn auch eine ganz simple Antwort parat: «Wenn du direkt von physischer Gewalt bedroht bist, dann rennst du am besten weg», sagte der Dalai Lama. Aus buddhistischer Sicht betrachtet, fuhr er schliesslich fort, sei jemand, der uns Gewalt zufügt, ein Lehrer. Denn er gebe uns die Gelegenheit, Gewaltlosigkeit zu üben.
So sieht er auch religiöse Fanatiker als Brüder und Schwestern, wie alle 7 Milliarden Erdenbürger. Der Einheits-Gedanke sei die einzige, nachhaltige Antwort auf die Gewalt.
Kein Verständnis für Kritik
Die Shugden-Buddhisten sehen das offensichtlich anders, sie wollen nichts von einer Einheit mit dem Dalai Lama wissen. So harrte eine Gruppe von Anhängern den halben Samstag vor dem Haupteingang der St. Jakobshalle aus: «Hör auf zu lügen, falscher Dalai Lama», so der Slogan, den sie wie ein Mantra wiederholten. Ihnen gegenüber formierten sich Dalai Lama-Sympathisanten und versuchten, die Gegner mit Trommeln und Glocken zu übertönen.
Der Dalai Lama sagte gegenüber den Medien, die Shugden hätten mit Buddhismus wenig zu tun. Doch er zwinge niemanden, ihm zu folgen, und er verbiete die Shugden nicht. Deswegen zeige er Unverständnis für ihre Kritik.
Wer zwischendurch eine Pause brauchte, konnte sich auf dem tibetischen Marktplatz die Zeit vertreiben, wo von Klangschalen über Gebetsfahnen bis zu tibetischer Medizin allerlei angeboten wurde. Heute Sonntag geht es weiter mit einem buddhistischen Ritual und einem Vortrag zu säkularer Ethik.