«Es gab keinen Grund, M13 zu töten»

Kaum aus dem Winterschlaf erwacht, wurde der Braunbär M13 abgeschossen. Sara Wehrli, Wildtierexpertin beim Schweizer Tierschutz, sagt, weshalb das die falsche Lösung war.

Der Braunbär M13 im April 2012 in der Nähe von Scuol. (Bild: Mario Riatsch)

Kaum aus dem Winterschlaf erwacht, wurde der Bär M13 abgeschossen. Sara Wehrli, Wildtierexpertin beim Schweizer Tierschutz, sagt, weshalb das die falsche Lösung war.

(Bild: zVg)

Frau Wehrli*, der Bär M13 hat im Puschlav durch seinen Anblick ein Mädchen erschreckt. Von einem Angriff oder agressivem Verhalten ist nichts bekannt. Genügt das, um ihn als Risikobären zu klassifizieren und zu töten?
Eigentlich nicht. Wenn man die Definition Risikobär, wie es das «Konzept Bär» (siehe Hintergund zum Artikel) festhält, konsequent anwenden würde, dann hätte man den Bären nicht zum Abschuss freigeben dürfen. Es gab keinen Grund, M13 zu töten. Aber die Behörden waren offensichtlich im Dilemma: Der Druck seitens der Bevölkerung ist in den letzten Tagen immer grösser geworden – und wenn irgendwann tatsächlich etwas passiert wäre, hätte man den Behörden natürlich Nichtstun vorgeworfen.

Nun hat man M13 also als Risikobären eingestuft. Was wäre denn das Risiko gewesen?
Die Gefahr bei einem Bären, der den Menschen nahe kommt, löst eigentlich wiederum der Mensch aus. Wenn dieser sich falsch verhält, den Bären zum Beispiel erschreckt, kann das beim Tier Kampf- oder Jagdverhalten auslösen. Wenn man ruhig bleibt und sich langsam entfernt, ist das Risiko eines Angriffs eher gering.

Das Risiko eines Angriffs
ist eher gering.

Aus den USA oder aus Kanada weiss man, dass dort Bären den Menschen sehr nahe kommen, etwa auf Campingplätzen. Von Attacken ist jedoch selten die Rede.
Das hat verschiedene Gründe: Zum einen ist dort das Bewusstsein und die Akzeptanz, dass Bären da sind, viel stärker als bei uns. Dementsprechend wissen die Menschen auch, wie sie sich einem Bären gegenüber zu verhalten haben. Zum anderen sind auch viele Massnahmen getroffen worden, die den Bären die Nahrungssuche nahe bei den Menschen erschweren. So sind etwa die Abfalleimer extrem gut gesichert, und überall gibt es Hinweise, wie Lebensmittel entsorgt werden sollen, damit Bären nicht angelockt werden.

Im Konzept Bär heisst es, das Einfangen und Umsiedeln eines Problem- oder Risikobären sei nicht vorgesehen. Weshalb nicht?
In Amerika wird das tatsächlich gemacht, wenn ein Bär problematisch wird. Dann wird er narkotisiert und in einem menschenleeren Gebiet wieder ausgesetzt. Aber die Schweiz ist ein sehr kleines und dicht besiedeltes Land. Zudem kann ein Bär an einem Tag locker 50 Kilometer zurücklegen, wäre also je nachdem schnell wieder in der Nähe von Menschen.

Dann hat also der Bär in der Schweiz keine Chance. Früher oder später wird jeder abgeschossen, weil er zu wenig menschenscheu ist. M13 ist ja nicht der erste…
Momentan scheint das leider so. Wir sind aber klar der Meinung, mit geeigneten Massnahmen und Bewusstseinsschulung der Bevölkerung sollte es möglich sein, dass auch in der Schweiz Bären einen Platz haben. Andere Länder machen es vor. Und nicht nur grosse wie Kanada oder Russland. Wir könnten beispielsweise schauen, wie es das etwa gleich grosse Slowenien macht. Dort leben viele Bären – und Probleme gibt es kaum.

*Sara Wehrli ist Wildtierexpertin beim Schweizer Tierschutz STS.

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