Mit dem Partnerschaftsdeal mit Baselland konnte Basel-Stadt den Universitätsvertrag vorerst retten und damit «das Schlimmste verhindern», wie der Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann im Interview sagt. Nun geht es darum, das Parlament und möglicherweise auch das Stimmvolk von der umstrittenen Vereinbarung zu überzeugen.
Aus der Basler Schlacht um den Universitätsvertrag geht Christoph Eymann als Sieger hervor. Doch er weiss: Damit ist die Zukunft der Universität längerfristig noch nicht gesichert. Der Partnerschaftsdeal mit Baselland rettet den bestehenden Vertrag nur für vier Jahre. Er wird sich also weiterhin mit Nachdruck für eine breitgefächerte Universität einsetzen, deren Leistungen sich nicht nur am unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen messen lässt. Viel Zeit bleibt ihm aber nicht. In 14 Monaten wird der frisch gewählte LDP-Nationalrat aus der Regierung zurücktreten und das Dossier über die Verhandlungen mit Baselland seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin übergeben.
Herr Eymann, wie soll ich Sie nun ansprechen? Mit Herr Regierungsrat oder Herr Nationalrat?
(Lacht.) Herr Eymann reicht oder Christoph für die, mit denen ich per Du bin.
Ich frage deshalb, weil Sie sich während Ihres Wahlkampfs als Nationalratskandidat sehr stark als Regierungsrat und als Kämpfer für den Uni-Vertrag hervorgetan haben. Da haben sich die beiden Rollen vermischt.
Die Phasen haben sich zufällig zeitlich überschnitten. Ich hätte mich unter allen Umständen stark für die Universität engagiert, weil ich davon überzeugt bin, dass das Wohlergehen der Universität für das der gesamten Region enorm wichtig ist. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass mir mein Engagement für die Uni im Nationalratswahlkampf geholfen hat.
Nachdem Sie sich im Wahlkampf als auffälligster Kritiker der Baselbieter Sparpläne hervortaten, demonstrierten Sie kurz nach den Wahlen mit der Partnerschaftsvereinbarung grosses Entgegenkommen. Ist dieses Hin und Her normaler Politalltag?
Ich verstehe, dass man sich diese Frage stellt. Wir haben nach einer mündlichen Vorinformation von der Absicht der Baselbieter Regierung erfahren, dass sie die Beiträge an die Uni um 25 Millionen Franken pro Jahr kürzen möchte – eine Stunde, bevor die Regierung Anfang Juli die Presse informierte. Anfang September erhielten wir auf unsere Anfrage hin einen Brief mit Details, worauf sehr intensive Gespräche in Gang kamen. Es fand in Liestal ein Treffen der Verhandlungsdelegation statt, es wurde viel telefoniert, es fanden bilaterale Gespräche statt. Und wir kamen schliesslich während der Herbstferien, also noch vor den Wahlen, zum Schluss, dass wir einen starken gemeinsamen Auftritt hinlegen möchten. Wir wollten stets auf eine Lösung hinarbeiten – nicht nur ich, sondern der gesamte Regierungsrat. Das, was daraus resultierte, möchte ich als Musterbeispiel hervorheben, wie man über alle Parteigrenzen hinweg einen Lösungsvorschlag entwickeln kann, der sehr ungewöhnlich ist, aber erfolgreich.
«Eine Studienrichtung danach zu bemessen, was sich damit unmittelbar in den Wirtschaftskreislauf einbringen lässt – das ist eine verkehre Betrachtungsweise.»
Ihr Departement ist mit dem vorerst geretteten Uni-Vertrag Hauptnutzniesser der Vereinbarung. Waren Sie der Motor dieser Übereinkunft?
Das kann man so nicht sagen, es war ein Teamwork der gesamten Regierung, wie es besser nicht sein kann. Alle sieben Mitglieder waren absolut der Meinung, dass der Schaden für die Universität enorm wäre, und alle suchten vehement nach der Lösung, die wir nun präsentieren konnten. Wir waren uns auch einig, dass sich die offiziellen Uni-Organe nur mit grosser Zurückhaltung zur Sache äussern sollten. Wir sind froh, dass die Professorinnen und Professoren sowie der Universitätsrat die Angelegenheit vorerst der Politik überliessen und nicht selber begannen, gegen das Baselbiet zu schiessen. Das hätte möglicherweise Schäden zur Folge gehabt, die sich kaum mehr hätten reparieren lassen. Das galt natürlich nicht für die Studierenden, die hatten die Freiheit, zu protestieren und Unterschriften zu sammeln.
Im Baselbiet begann man bereits früh, auch inhaltlich über die Universität zu diskutieren. In einer Zeitung war der Vorschlag zu lesen, die Uni kantonal zu splitten, die SVP Baselland stellte die Geisteswissenschaften zur Diskussion.
Das wäre für uns niemals infrage gekommen. Ich habe in jedem meiner Statements betont, dass wir eine Universität mit allen Fakultäten brauchen. Ich wehrte und wehre mich dagegen, dass man eine Studienrichtung nur danach bemisst, was sich damit unmittelbar nach entsprechendem Studienabschluss in den Wirtschaftskreislauf einbringen lässt. Das ist eine verkehrte Betrachtungsweise. Leute, die behaupten, dass viele arbeitslose Psychologinnen und Psychologen ausgebildet werden, haben nicht recht. Es ist darüber hinaus ein Wert unserer Gesellschaft, dass die jungen Menschen in über 500 Jahren Universitätsgeschichte stets frei waren in der Wahl ihres Studiums – ausgenommen natürlich von den Fächern, wo wir die Zulassung über den Numerus clausus regulieren müssen. Diese Freiheit müssen wir bewahren.
Die partnerschaftliche Vereinbarung ist wahrlich aussergewöhnlich. Da verlangt der Stadtkanton vom Land über Jahre hinweg mehr Geld und nun fliesst es plötzlich in die umgekehrte Richtung. Wie ging es Ihnen dabei? Mussten Sie über einen grossen Schatten springen?
In den sehr konstruktiven Diskussionen innerhalb der Basler Regierung war bald klar, dass es darum gehen muss, das Schlimmste zu verhindern. Das Schlimmste wäre die Kündigung des Uni-Vertrags gewesen. Auch die Kündigung des Kulturvertrags hätte schwerwiegende Folgen gehabt. Wir suchten also nach einer pragmatischen Lösung, um Schlimmeres verhindern zu können. Dabei müssen wir in Kauf nehmen, dass viele diese Vereinbarung nicht so einfach nachvollziehen können. Aber es konnte mir noch niemand eine bessere Lösung aufzeigen.
«Ich erwarte keinen Applaus, aber die Einsicht, dass unser Vorschlag so schlecht nicht ist.»
Argumente wie «Das Schlimmste verhindern» oder niemand kenne eine bessere Lösung, wirken nicht sonderlich spritzig. Es ist möglich, dass in Basel das Referendum gegen die Vereinbarung ergriffen und es zur Volksabstimmung kommen wird. Wie wollen Sie eine Abstimmung mit solchen Argumenten gewinnen?
Es ist eine schwierige Aufgabe, diese Beiträge zu vertreten – erst recht vor dem Hintergrund, dass Basel-Stadt ja selber bereits ein Entlastungspaket mit unpopulären Budgetkürzungen und der Streichung von Stellen beschlossen hat. Wir müssen in der Verwaltung aber vorausdenkend planen. Die Unternehmenssteuerreform könnte uns viel Geld kosten. Darum war es richtig, rechtzeitig und vorausschauend zu handeln. Jetzt wurden wir mit diesen unerwarteten zusätzlichen Ausgaben konfrontiert. Aber sie sind kurzfristig leistbar, weil wir erfreulicherweise über hohe Steuereinnahmen verfügen und weil wir nicht zuletzt auch sorgfältig mit unseren Budgets umgegangen sind. Es ist aber bestimmt nicht einfach, dies zu kommunizieren. Wir müssen den Menschen, die ein Referendum ergreifen möchten, klarmachen, welche Verantwortung sie auf sich nehmen. Ich glaube nicht, dass Neuverhandlungen über den Universitätsvertrag zum jetzigen Zeitpunkt zu einer konstruktiven und zeitgerechten Lösung führen würden.
Viel Zeit haben Sie nicht. Eigentlich liegt eine Abstimmung zeitlich gar nicht drin – Baselland müsste die Verträge bis Ende Jahr kündigen, um das ursprüngliche Sparprogramm durchziehen zu können. Macht Sie das nervös?
Nervös nicht, ich bin zuversichtlich, dass unser Konstrukt hilfreich sein kann und dass wir es verwirklichen können. Wir brauchen Zeit, um die schiefe Sicht zu korrigieren, dass Basel-Stadt von den Verträgen stärker profitiert als Baselland. Ich erwarte keinen Applaus, aber die Einsicht, dass unser Vorschlag so schlecht nicht ist. Die Arbeit hört ja dann nicht auf. Es ist Bestandteil der Vereinbarung, dass wir zusammen mit der Uni untersuchen wollen, wie sich die Trägerbeiträge für die nächste Leistungsauftragsperiode allenfalls senken oder zumindest stabilisieren lassen könnten.
Es war auch die Rede davon, dass die Uni das Baselbiet auch territorial stärker berücksichtigen werde, also auch auf Baselbieter Boden mit Instituten präsent werden sollte. Gibt es da bereits konkrete Überlegungen?
Es gab sie. 2007 untersuchte eine Arbeitsgruppe unter der Federführung des Baselbiets fünf Standorte im Landkanton. Es war die Rede von Muttenz, andere Varianten wurden zuvor verworfen, und auch aus Muttenz wurde letztlich nichts. Dann gab es die Idee, das Institut für Sport und Sportwissenschaften auf dem Schänzliareal zu installieren, was von der Gemeinde Muttenz abgelehnt wurde. Wir in Basel und die Uni waren immer offen für Standorte im Baselbiet. Das sind Details, die in der aktuellen Baselbieter Regierung niemand mehr kannte. Wir wollten die Gebäude beim Bahnhof als Entlastung des Petersplatzes kaufen. Dies wurde von Baselland abgelehnt aus der Befürchtung heraus, dass dadurch definitive Standorte in der Stadt geschaffen würden, während in Muttenz neue Orte hergerichtet werden. Also mieteten wir die Räumlichkeiten und mussten dadurch auf Bundessubventionen verzichten, die es für Mietkosten nicht gab. Und zum Schluss passierte in Muttenz nichts. Die Uni verlor Geld, auch die beiden Kantone. Darüber ärgerte ich mich damals ziemlich.
Jetzt versucht man es also erneut miteinander. Ist die Vereinbarung auch ein Zeichen für eine Entspannung im Partnerschaftszwist?
Wir hatten nicht nur Streit, wir gingen alle professionell und lösungsorientiert vor. Das Klima war nicht wirklich schlecht, aber die Vereinbarung hat sicher eine Entspannung gebracht. Die beiden Regierungen haben erstmals seit der 500-Jahr-Feier des Eintritts von Basel in die Eidgenossenschaft im Jahr 2001 wieder zu einem Gruppenfoto zusammengefunden.
«Es ist mir ein Anliegen, Monica Gschwind zu informieren, wie es zu den partnerschaftlichen Konstrukten gekommen ist. Das kann helfen, gewisse Entscheide zu verstehen.»
Basel-Stadt hat sich in erster Linie Zeit gekauft. In vier Jahren wird man wieder vor derselben Situation stehen, wenn das Baselbiet dann finanziell nicht wesentlich besser dastehen sollte. Eröffnet jetzt die Basler Regierung jede Sitzung mit einem Gebet für einen Baselbieter Geldsegen?
Wir hätten tatsächlich eine wunderschöne Kapelle im Regierungszimmer (lacht), aber beten werden wir nicht. Wir haben die Zusicherung, dass das Baselbiet in vier Jahren finanziell wieder so solide dastehen wird, dass man sich auch das eine oder andere wird leisten können. Jetzt wollen wir dem Baselbiet helfen, die schwierige Zeit zu überbrücken. Wir müssen keine höheren Mächte anrufen, sondern glauben daran, dass das Baselbiet die Situation mit den anvisierten Massnahmen in den Griff bekommen wird. Wir kennen das ja auch aus unserem Kanton. Ich habe bereits zwei solche Budgetreduktionsrunden mitgetragen.
Sie können jetzt aufatmen, Sie treten in 14 Monaten als Regierungsrat zurück und können dann von Bern aus beobachten, wie sich Ihr Nachfolger in vier Jahren mit dem Baselbiet beziehungsweise dem Uni-Vertrag wird herumschlagen müssen.
Ich hoffe nicht, dass er oder sie Schwierigkeiten haben wird. Das meine ich nicht wegen mir, sondern wegen der Institution Universität, vor der ich eine hohe Achtung habe. Die Uni hat Kriege und viel schlimmere Krisen erleben müssen, die unsere Vorfahren gemeistert haben. Mir ist es keineswegs egal, was nach meiner Zeit als Erziehungsdirektor passieren wird. Wenn ich jetzt sehe, wie diese Vereinbarung im Grossen Rat trotz kritischen Bemerkungen von einer grossen Mehrheit mitgetragen wird, dann darf ich feststellen, dass die Uni nicht nur von mir als ein wichtiges Gut eingeschätzt wird. Gegenteiliges zu denken, wäre ja auch arrogant.
Was aber werden Sie in den 14 Monaten noch konkret für die Überwindung der Krise tun können?
Als Erstes werden wir mit der Uni in Kontakt treten, unter anderem die Raumplanung vorantreiben. Ganz frei werden wir nicht sein. Es gibt gemeinsame Regierungsratsbeschlüsse, dass der Bereich Life Sciences auf dem Campus Schällemätteli konzentriert werden soll. Wir können darüber nachdenken, die Juristen oder Ökonomen anderswo unterzubringen. Nicht zu vergessen ist der Investitionspark in Allschwil oder das Schweizerische Tropen- und Public-Health-Institut, das dort hinziehen wird. Die Einleitung dieser Raumplanungsprozesse wird noch in meine Amtszeit fallen, ebenso die Lancierung einer neuen Strategie im Universitätsrat.
Und als Nationalrat werden Sie sich für die Anerkennung des Baselbiets als Universitätskanton einsetzen?
Wir sind jetzt schon daran. Wir warten aktuell auf eine Antwort des Bundesrats auf unsere Anfrage, dem Kanton Baselland einen Gaststatus in der Schweizerischen Hochschulkonferenz zu gewähren. Ich gehe von einer positiven Antwort aus. Als Nationalrat werde ich mich sicher für eine weitergehende Anerkennung des Baselbiets einsetzen, aber auch für eine bessere Finanzierung der Hochschulen mit Bundesgeldern – zum Beispiel mit einer Übernahme der Studiengebühren für ausländische Studentinnen und Studenten.
Ihre Regierungskollegin im Baselbiet, Monica Gschwind, hatte aus Ihrer Sicht wohl nicht den besten Einstand. Wie verstehen Sie sich heute mit ihr? Es gibt doch auch im Schulharmonisierungsbereich Unstimmigkeiten?
Ich kannte sie vorher nicht, wir haben aber ein entspanntes Verhältnis zueinander. Es ist mir ein Anliegen, sie über die Umstände zu informieren, wie es zu den heutigen partnerschaftlichen Konstrukten gekommen ist. Das kann helfen, gewisse Entscheide zu verstehen oder zu überdenken.