Wer soll regieren? Und wie kürt man einen Machthaber? Schon in der Antike gab es verschiedene Methoden. Und auch faule Tricks.
Pferde sind in der Regel harmlose Tiere. Gefährlich wirds allerdings, wenn Rosstäuscher am Werk sind. Dessen sollten sich auch Republikaner bewusst sein.
Könige und ihre Pferde – das ist ein spezielles Kapitel der Weltgeschichte. Richard III., der letzte König von England aus dem Haus Plantagenet, hätte 1485 in der Schlacht von Bosworth gar sein Königreich für ein Pferd gegeben. Doch niemand bot ihm eines an.
Doch beginnen wir in der Antike: Dareios I., von 522 bis 486 v. Chr. König des Perserreichs, gelangte auf den Thron, weil er das richtige Pferd zur Hand hatte. Wie sich die Sache zugetragen hat, erzählt uns der griechische Historiker Herodot im dritten Buch seines um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. verfassten Geschichtswerks.
Sturz eines Usurpators
Damit Dareios überhaupt den Thron besteigen konnte, brauchte es drei Voraussetzungen. Erstens musste Kambyses II., der vormalige König, von der politischen Bühne abtreten. Zweitens musste ein Usurpator, der sich als Bruder von Kambyses ausgab, abgemurkst werden. Und schliesslich musste Dareios sicherstellen, dass schliesslich er es war, der König wurde.
Kambyses war kein Problem. Der besorgte seinen Abgang gleich selbst. Als er eines Tages während eines Feldzugs in Ägypten auf sein Pferd stieg, löste sich nämlich der Knauf an der Scheide seines Schwertes und die Klinge drang in seinen Schenkel. Die Wunde entzündete sich und Kambyses starb am Wundbrand.
Dies hiess noch nicht, dass sich Dareios nun auf den Königsthron setzen konnte. Denn dort hatte es sich bereits der angebliche Bruder von Kambyses bequem gemacht, der in Wahrheit ein Meder aus dem Stamme der Mager war. Als Otanes, ein vornehmer Perser, den Schwindel durchschaute, zettelte er mit fünf weiteren Persern eine Verschwörung an. Ihnen schloss sich Dareios an, und gemeinsam machten sie dem Usurpator im Palast den Garaus.
Vorzüge der Demokratie
Danach nutzten die sieben Verschwörer die Gelegenheit für einen Gedankenaustausch über die Frage, welche Staatsverfassung – Monarchie, Aristokratie oder Demokratie – die beste sei.
Als Erster ergriff Otanes das Wort und pries die Vorzüge der Demokratie: «Die Herrschaft des Volkes hat vor allem schon durch ihren Namen – Gleichberechtigung aller – den Vorzug; zweitens aber tut sie nichts von all dem, was ein Alleinherrscher tut. Sie bestimmt die Regierung durch Los, und diese Regierung ist verantwortlich; alle Beschlüsse werden vor die Volksversammlung gebracht. So meine ich denn, dass wir die Alleinherrschaft abschaffen und das Volk zum Herrscher machen, denn auf der Masse beruht der ganze Staat.»
Seine Mitverschworenen – allen voran Dareios («Es gibt nichts Besseres, als wenn der Beste regiert!») – wollten davon nichts hören, sondern sprachen sich für die Beibehaltung der Monarchie aus.
Ein problematisches Verfahren
Blieb noch zu klären, nach welchem Verfahren der König gewählt werden sollte. Otanes stellte verschiedene Möglichkeiten zur Diskussion: Denkbar sei, den König durch Los zu wählen, dem persischen Volk die Entscheidung zu überlassen oder ihn auf andere Weise zu küren. Schliesslich kamen die sieben Verschwörer überein, am nächsten Morgen vor das Stadttor zu reiten und wessen Pferd nach Aufgang der Sonne zuerst wieherte, der sollte König werden.
Damit – möchte man meinen – hatten sie ein Wahlverfahren gefunden, das den speziellen Erfordernissen angepasst war und bei dem sich keiner der Thronanwärter benachteiligt fühlen musste. Dass es sich in Wahrheit um ein hochproblematisches Verfahren handelte, das Rosstäuschern Tür und Tor öffnete, schien damals niemand zu bemerken. Niemand ausser Dareios.
Eine manipulierte Wahl
Dareios beriet sich mit seinem Stallmeister, und dieser führte in der Nacht den Hengst des Dareios vors Stadttor. Dort wartete bereits dessen Lieblingsstute. Nachdem der Hengst mehrmals nur an seiner Favoritin schnuppern durfte, liess ihn der Stallmeister endlich die Stute besteigen.
Als am nächsten Morgen die Thronanwärter auf ihren Pferden vor die Stadt ritten und an die Stelle kamen, wo in der Nacht die Stute angebunden war, wieherte der Hengst erfreut und Dareios war König.
Heute spielen Pferde in der Politik praktisch keine Rolle mehr. Von den Rosstäuschern lässt sich das leider nicht sagen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihre Zahl in letzter Zeit gar grösser wird. Umso entscheidender ist es, dass wir uns klarmachen, welche Mittel einer Demokratie zur Verfügung stehen, um den Rosstäuschern das Handwerk zu legen oder wenigstens den Schaden, den sie anrichten können, möglichst gering zu halten.