«Es gibt noch Gerechtigkeit»

Die Uefa hat Fenerbahce und Besiktas Istanbul gesperrt. Ibrahim Ertürk freut es; der Fussballfan wollte bis zum äussersten gehen – und hungern. Nun specken erstmals die beiden Grossvereine ab und der Druck auf den türkischen Verband wächst.

(Bild: zVg)

Die Uefa hat Fenerbahce und Besiktas Istanbul gesperrt. Ibrahim Ertürk freut es; der Fussballfan wollte bis zum äussersten gehen – und hungern. Nun specken erstmals die beiden Grossvereine ab und der Druck auf den türkischen Verband wächst.

Ibrahim Ertürk ist ein Hungerstreik erspart geblieben. Der Aktivist für mehr Gerechtigkeit im türkischen Fussball aus dem nordbadischen Sinsheim war zum Äussersten entschlossen, aber seit Dienstagabend ist er erleichtert. Zumindest auf europäischer Ebene gebe es noch Gerechtigkeit, sagt Ertürk nach einem weitreichenden Urteil der Kontroll- und Disziplinarkammer des Europäischen Fussballverbandes (Uefa).

Die Uefa sanktionierte aufgrund des Manipulationsskandals in der Süperlig aus der Saison 2010/11 die beiden türkischen Spitzenklubs Fenerbahce und Besiktas aus Istanbul hart: Der letztjährige Vizemeister Fenerbahce wird für die kommenden zwei Jahre von allen europäischen Wettbewerben ausgeschlossen (ein drittes Jahr ist auf Bewährung ausgesetzt), den Champions-League-Platz in der kommenden Runde nimmt Bursaspor ein, für das Kasimpasa in der Europa-League starten soll. Besiktas bekam das Startrecht für die kommende Europa-League-Saison entzogen, Kayserispor rückt nach. Die Klubs kündigten am Dienstag Einspruch gegen die Entscheidung an. Schon am Mittwochmorgen fiel der Börsenkurs von Fenerbahce um 9,21 Prozent, der von Besiktas um 7,59 Prozent.

Fenerbahce-Präsident zu sechs Jahren Haft verurteilt

Die Uefa bestätigte nun indirekt das Urteil eines türkischen Strafgerichts, das es 2012 als erwiesen ansah, dass Fenerbahce den Meistertitel in der Saison 2010/11 gekauft hat. In derselben Saison haben laut Gerichtsurteil der Manager und der Trainer von Besiktas gegnerische Spieler vor dem Pokalfinale bestochen. Das Strafgericht verurteilte damals unter anderem den Fenerbahce-Präsident Aziz Yildirim zu sechs Jahren und drei Monaten Haft wegen der «Bildung und Leitung einer organisierten Bande».

Yildirim, der in der Untersuchungshaft als Präsident wiedergewählt wurde, hat Berufung eingelegt. Noch am Wochenende war der reiche Baumagnat zur Verteidigung ins Uefa-Hauptquartier im schweizerischen Nyon gereist. Am Dienstag aber wurde zudem bekannt, dass Yildirim und zwei weitere hochrangige Mitangeklagte von Fenerbahce ausgeschlossen werden. Ein Zivilgericht in Istanbul gab einer entsprechenden Klage Recht. Auch durch die Uefa drohen den angeklagten Personen möglicherweise noch weitere Konsequenzen.

Der Zwangsabstieg von Fenerbahce wurde durch handstreichartige Änderung des entsprechenden Paragraphen im Verbandsregelwerk verhindert.

Die neuerliche Entwicklung erhöht nun nicht nur das Chaos bei Fenerbahce, sondern auch den Druck auf den türkischen Fussballverband (TFF). Dieser hatte mit bizarren juristischen und personellen Winkelzügen sowie Regeländerungen eine Bestrafung der für die Finanzwirtschaft des türkischen Fussballs wichtigen Grossklubs verhindert. Aus Sicht des TFF habe es keine erfolgreichen Manipulationen gegeben, liess der Verband verlauten. Der Zwangsabstieg von Fenerbahce beispielsweise wurde damals durch die handstreichartige Änderung des entsprechenden Paragraphen im Verbandsregelwerk verhindert.

Der türkische Fussball als Farce

Verantwortlich dafür zeichnet sich vor allem TFF-Präsident Yildirim Demirören, der seit Februar 2012 im Amt ist. Der Öl-und Gasunternehmer stand zuvor Besiktas vor und hinterliess dem Verein Schulden in dreistelliger Millionenhöhe. Euro wohlgemerkt. Aber nicht nur das: Unter Demirören wurden bei Besiktas 20 Prozent Provision bei Transfers an Spielerberater bezahlt – international üblich sind höchstens rund zehn Prozent, erzählte der neue Besiktas-Präsident unlängst.

Die Gier der Mächtige haben den Fussball in der Türkei zu einer Farce werden lassen.

Viele Kommentatoren fordern nach dem Uefa-Entscheid nun Neuwahlen im türkischen Fussballverband und eine vollkommene Neustrukturierung des Lieblingssports der Türken. Die Gier der Mächtigen und die weitverbreitete Mentalität, dass nur Sieger, nicht aber Verlierer etwas wert seien, haben den Fussball in der Türkei zu einer Farce werden lassen. Die Bestrafung der Uefa fällt jetzt in eine Zeit, in der sich das Land für zwei grosse Sportereignisse bewirbt: für die Olympischen Spiele 2020 und als Spielort der Fussball-EM im gleichen Jahr. Eigentlich sollten die derzeit in der Türkei stattfindende U-20-Fussball-WM und die «Mediterranean Games» für die Grossereignisse 2020 werben. Doch seit dem Uefa-Urteil vom Dienstag beherrschen der Manipulationsskandal und das Uefa-Urteil die Medien.

Ibrahim Ertürk, der mit anderen Aktivisten in der letzten Monaten zu Demonstrationen in halb Europa geflogen war, will nun auch dafür kämpfen, dass in der Türkei Gerechtigkeit einzieht und seinem Heimatverein Trabzonspor von der TFF der Titel 2011 zuerkannt wird. Auch das ist bisher nicht geschehen.

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