Es glänzt nicht alles, was Gold ist

Die Schweiz ist weltweit eine der grössten Drehscheiben des Goldhandels. Vier Goldraffinerien in der Alpenrepublik verarbeiten pro Jahr fast die Hälfte des weltweit gehandelten Goldes. Doch das Geschäft hat einen blutigen Beigeschmack.

Das Kreuz mit dem Gold: Gegen Argor-Heraeus SA wurde dieser Tage eine Strafanzeige wegen «Goldwäscherei» eingereicht. (Bild: Nils Fisch)

Die Schweiz ist weltweit eine der grössten Drehscheiben des Goldhandels. Vier Goldraffinerien in der Alpenrepublik verarbeiten pro Jahr fast die Hälfte des weltweit gehandelten Goldes. Doch das Geschäft hat einen blutigen Beigeschmack.

 Auf dem Land war Minenarbeit immer ein Handwerk …» Melancholisch singt eine alte Goldschürferin ihr Lied von Minenarbeitern, Schürfpfannen, Schaufelbaggern, Quecksilber, vergifteten Fischen, zerstörtem Regenwald, missgebildeten Kindern, Prostitution, zerrütteten Familien und Paramilitärs.

Die Klagesängerin watet mit gesenktem Kopf durch den Uferschlamm. Der Fluss schleppt seine braune Brühe durch ein grosses Loch, das Goldgräber und Bagger in den Regenwald des kolumbianischen Chocó gerissen haben. Eine Tonne Erde muss abgetragen werden, um ein einziges Gramm Gold zu gewinnen. Den Rest der Regenwaldzerstörung besorgt das giftige Quecksilber, von dem drei bis fünf Gramm nötig sind, um ein Gramm des wertvollen Rohstoffs aus den Erd­mas­sen herauszulösen.

Illegaler Bergbau

«Das Quecksilber», erklärt Entwicklungsexpertin Eva Schmassmann wenig später, «gelangt beim Schürfvorgang infolge mangelhafter Sicherheitsvorkehrungen meist ungehindert in die Umwelt und verseucht Boden und Wasser.» «Im Schatten des Goldfiebers» – besser hätte die Einstimmung auf die Geschichte des Goldes im Kleinhüninger Quartierzentrum kaum sein können. Mit düsteren Bildern schildert der Dokumentarfilm der Arbeitsgruppe Schweiz–Kolumbien (ASK) die Lage der Menschen in dieser Regenwaldregion.

Die gros­se Mehrheit der Menschen lebt von solchen kleinen Goldminen, in denen sie in der Regel ohne Abbaukonzessionen illegal nach dem wertvollen Edelmetall graben. 62 000 Hektar Regenwald fielen seither dem Goldfieber allein in der Region Chocó zum Opfer. «Die Menschen hier», sagt ein ­kolumbianischer Menschenrechtsanwalt, «denken nur an Ausbeutung und Vertreibung durch Paramilitärs. Wozu dann», fragt er lakonisch, «Schulen, Spitäler oder Kindergärten bauen, wenn die Menschenrechte ständig mit Füssen getreten werden?»

Bislang wurden insgesamt 174 000 Tonnen Gold abgebaut – das entspricht einem Würfel mit 21 Metern Kantenlänge.

2012 holten Kleinschürfer, Minenarbeiter, kleine und grosse Schaufelbagger sowie industriell arbeitende Bergbaukonzerne im Chocó 26 Tonnen Gold aus der Erde. Das entspricht gut 40 Prozent der gesamten Goldproduktion Kolumbiens, die sich 2012 nach Angaben der ASK auf 66 Tonnen belief.

Davon wurden 80 Prozent illegal ohne Bergbautitel und ohne Umweltlizenz abgebaut. «Dieser illegale Goldbergbau, der zu einem grossen Teil unter der Kontrolle bewaffneter Akteure steht, ist jener Teil, der den kolumbianischen Bürgerkrieg finanziert», referiert ASK-Geschäftsleiter Stephan Suhner. Ein Drittel dieses Goldes wird in der Schweiz verarbeitet, genauer in den Goldraffinerien Argor-Heraeus SA (9 Tonnen) in Mendrisio, in der Goldschmelze Valcambi SA (3 Tonnen) in Balerna und in der Raffinerie Metalor Suisse SA (3 Tonnen) in Neuenburg.

Schon allein angesichts dieser Zahlen drängt sich die Frage auf, welche Rolle die Schweiz spielt bei der Verarbeitung von Gold sowie im Handel mit dem glänzenden Edelmetall. Eva Schmassmann, Autorin des Goldreports der Gesellschaft für bedrohte Völker, wartet mit ebenso verblüffenden wie genauen Zahlen auf. «Die Menschheit baute bis heute insgesamt 174 100 Tonnen Gold ab», sagt die Entwicklungsexpertin und veranschaulicht diese verglichen mit anderen Bodenschätzen geringe Abbaumenge mit einem eindrücklichen Bild. «Das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von 21 Metern oder acht Einfamilienhäusern mit 100 Quadratmetern Grundfläche und drei Stockwerken.»

Flucht ins Gold

Davon wurden im letzten Jahr 4454 Tonnen Gold – sowohl frisch geschürftes als auch rezykliertes, also eingeschmolzenes Altgold – weltweit gehandelt. Davon wiederum, und das ist für die Schweiz bedeutsam, landete mit 2265 Tonnen mehr als die Hälfte des kostbaren Rohstoffs in der Alpenrepublik. Die vier Schweizer Goldraffinerien – zu den drei genannten gesellt sich als vierte die Pamp SA im idyllischen Tessiner Castel San Pietro – haben zusammengerechnet eine Kapazität zur Verarbeitung von 2100 Tonnen Gold, «fast 50 Prozent des weltweit gehandelten Goldes», unterstreicht Eva Schmassmann. Das kostbare Gut wird zu Goldbarren verarbeitet und für die Herstellung elektronischer Geräte wie Computer, Laptops, Handys und schmucke Luxusgüter wie Uhren, Ketten und Colliers benötigt.

Ein Blick auf die ökonomische Seite untermauert das Gewicht des Goldgeschäfts für die Schweiz zusätzlich. Im Zuge der Schulden- und Finanzkrise ist die Nachfrage der Investoren nach Gold als sichere Anlage stark angestiegen. Carlo Knöpfel, Ökonom und Moderator des Filmabends, spricht von einer regelrechten «Flucht ins Gold». Als Folge davon sei der Goldpreis seit 2008 von rund 800 auf 1600 Franken pro Unze um das Doppelte in die Höhe ­geschnellt.

Die Goldimporte in die Schweiz haben sich verdreifacht.

Die Menge der Goldimporte in die Schweiz hat sich seit 2003 denn auch verdreifacht. Für 2013 rechnet Eva Schmassmann mit einem neuen Importrekord von rund 3000 Tonnen Rohgold. «Der Wert dieses Goldes hat sich seit 2003 versechsfacht auf 100 Milliarden Franken.» Dieser Wert entspreche drei Vierteln der Ausgaben, ergänzt Moderator Knöpfel, die die Schweiz pro Jahr für soziale Aufgaben aufwendet.

Unser Land spiele nicht nur «eine zentrale Rolle im weltweiten Goldgeschäft», sagt Schmassmann, die vier grossen Schweizer Raffinerien seien auch immer wieder in Skandale verwickelt. So habe etwa die Erklärung von Bern (EvB) vor einigen Tagen gemeldet, dass gegen die Edelmetall-Raffinerie Argor-Heraeus SA «wegen Wäscherei von geplündertem Gold aus einem bewaffneten Konflikt» Strafanzeige eingereicht worden sei. Die EvB-Partnerorganisation Trial verdächtigt die Goldschmelze, 2004/2005 «wissentlich fast drei Tonnen Raubgold verarbeitet zu haben, mit deren Erlös eine paramilitärische Gruppe im Kongo ­ihren Krieg finanzierte».

Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker habe auch Metalor «Konfliktgold» aus dem Kongo importiert. Und die Valcambi SA, berichtet der Goldreport der Gesellschaft für bedrohte Völker weiter, «kaufte bis 2008 Gold aus Kinderarbeit aus Mali und importierte beträchtliche Mengen Gold aus der peruanischen Mine Yanacocha, wo Unruhen 2012 fünf Todesopfer» gefordert hatten.

Die Schweizer Schmelze Argor-Heraeus SA wird verdächtigt, 3 Tonnen Raubgold verarbeitet zu haben.

Pikant dabei ist: Sowohl das Minenunternehmen Minera Yanacocha, Peru, als auch die Valcambi SA im Tessin gehören mehrheitlich dem amerikanischen Goldkonzern Newmont ­Mining Corporation. «Aus öffentlich zugänglichen Informationen von Newmont und Valcambi wissen wir», so Schmassmanns Goldreport, «dass New­mont 2011 161 Tonnen Gold produzierte, und Valcambi hat im gleichen Jahr 146 Tonnen Minengold aus Newmont-Minen raffiniert».

Angesichts der grossen wirtschaftlichen Bedeutung des Goldbergbaus für Peru – das Andenland ist nach China, Australien, den USA, Russland und Südafrika der sechstgrösste Goldproduzent der Welt –, überrascht es nicht, dass das Gold auch grossen Einfluss hat auf politische Entscheide. «In der Regel hat die Regierung in Lima die Wünsche der Bergbaukonzerne über die Rechte der lokalen Bevölkerung g­estellt», sagt die Goldreport-Autorin. Obwohl völkerrechtliche Abkommen wie die Indigenenkonvention der Internationalen Arbeitsorganisation ILO der betroffenen Bevölkerung Mitspracherechte bei Bergbauprojekten garantieren, verwehrt dies die peruanische Regierung beispielsweise den Menschen in der Yanacocha-Region.

Import-Verbot gefordert

Wer will da noch dem Minenbetreiber widersprechen, der am Schluss des Films «Im Schatten des Goldfiebers» erklärt: «Es scheint uns fast unmöglich, dass kein Blutgold in die Schweiz gelangt.» Nach diesen und anderen Unsäglichkeiten rund um Konfliktgold poliert die Goldbranche neuerdings an ihrem Image. «Zertifikate sollen nun sauberes Gold von schmutzigem unterscheidbar machen», berichtet Eva Schmassmann. Die wichtigsten internationalen Initiativen seien die «Responsible Gold Guidance» der London Bullion Market Association und der «Chain-of-Custody Standard» des Responsible Jewellery Council. Doch Schmassmann bleibt skeptisch ob solcher gut gemeinter Selbstverpflichtungen. «Eine erste Analyse zeigt, dass noch kein Zertifikat im Goldbereich existiert, das verlässlich nachhaltige und menschenrechtskonforme Produktionsbedingungen garantiert.»

Mehr verspricht sich die Berner Entwicklungsexpertin hingegen von der Politik. «Da die Schweiz im Goldgeschäft eine so grosse Rolle spielt, sind die politischen Verantwortungsträger verpflichtet, genau hinzuschauen, unter welchen Bedingungen Gold abgebaut und importiert wird. Als einer der grössten Player im Goldhandel hat die Schweiz Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen mitzugestalten», ist Eva Schmassmann überzeugt.

Mit der Unterzeichnung der Quecksilberkonvention letzten Oktober ist es allerdings noch nicht getan. Die Gesellschaft für bedrohte Völker geht ­einen Schritt weiter und forderte den Bundesrat auf, «als konkrete Massnahme zur Verringerung der Quecksilber-Emissionen den Import von schmutzigem Gold zu verbieten».

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 20.12.13

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