«Es ist kompliziert»: Prominente Stimmen zur Partnerschaft der beiden Basel

Die angekündigten Sparpläne der Baselbieter Regierung sorgen für Unruhe in beiden Kantonen. Wir haben interessante Statements aus Sport, Kultur und Politik zusammengetragen.

Die angekündigten Sparpläne der Baselbieter Regierung sorgen für Unruhe in beiden Kantonen. Wir haben interessante Statements aus Sport, Kultur und Politik zusammengetragen.

Was Politiker von den jüngsten Sparmassnahmen aus dem Baselbiet halten, konnte nachgelesen werden. Wir haben bei verschiedenen Prominenten und anderen interessanten Stimmen nachgefragt. Zusammenfassend könnte man sagen, «es ist kompliziert».

Hier gehts direkt zu den einzelnen Statements:

Minu

(Bild: zVg)

Die Partnerschaft zwischen den beiden Basel ist schon immer auf sehr wackligen Beinen gestanden. Und ziemlich einseitig gelaufen. Nur die Politiker wollten das nie wahrhaben. Und haben darum herumlaviert – aber jetzt, wo’s ums Geld geht, zeigt man das wahre Gesicht. Und die Ernüchterung auf der Basler Seite ist gross.

Chienbääse, Chirsibräägelfescht, Bannumgang-Suffete – Kultursuchende, die sich von Aesch aus im Tram ins Basler Theater aufmachen, werden dann wohl ihre Tickets mit dem Pass kaufen und eine kleine städtische Kultursteuer berappen müssen.

ABER HIMMEL NOCHMAL: HAT DIESE WELT EIGENTLICH KEINE ANDERN PROBLEME?

Alain Claude Sulzer

(Bild: Nils Fisch)

Die angekündigte Halbierung der Kultursubvention kommt mir vor, als ob ein geschiedener Ehemann, der sich verschuldet hat, seiner geschiedenen Ehefrau mitteilt, er werde ihr in Zukunft nur noch die Hälfte des vereinbarten Unterhalts überweisen. Die Kinder könnten sich ja in Zukunft mit weniger zufriedengeben oder notfalls betteln gehen.

Ich nehme allerdings an, dass er vor Gericht damit nicht durchkäme und ihm die Missbilligung seiner Freunde sicher wäre. Man würde ihm vorschlagen, seine Probleme nicht damit zu lösen, indem er neue schafft.

Beni Huggel

Die Partnerschaft zwischen den beiden Basel erachte ich als sehr wichtig. Ich denke, alles, was die beiden Halbkantone trennt, schwächt das Ansehen und den Einfluss der Region auf nationaler Ebene.

Sparen bei der Bildung finde ich keine gute Idee. Denn da müssen wir im internationalen Vergleich top sein. Wo der Sparhebel angesetzt werden soll, kann ich aber nicht abschliessend beurteilen. Bei der Bildung sicherlich nicht, finde ich.

Fabian Chiquet

(Bild: Screenshot YouTube)

Ich gebe mir Mühe, optimistisch zu bleiben: Längerfristig wird auch das Baselland zur Einsicht gelangen, dass es enorm vom Angebot der Stadt profitiert und dass diese Egotour eine Sackgasse ist. Momentan sind dort die falschen Leute am Hebel, aber sind die erst einmal abgewählt, wird man auch wieder normal miteinander arbeiten können.

Die Baselbieter Regierung ist mit ihren Sparmassnahmen auf dem Holzweg. Halbwegs diplomatisch ausgedrückt: Sie verspielen ihre Sympathien vollends und steuern auf eine ungesunde, asoziale und obendrein ziemlich gefährliche Gesellschaft zu.

Andreas Beck

(Bild: Alexi Pelekanos)

Ich denke, dass hier ein politisches Problem auftaucht. Es geht nicht bloss um einen Kostenausgleich, sondern um den Leistungsausgleich zwischen zwei Kantonen. Meine Mutter, die eine praktische Frau ist, würde sagen: «Wer mit isst, muss auch mit zahlen.» Mich als «Neu-Schweizer» wundert noch anderes:

Als man mir ein Angebot machte, in der Schweiz zu arbeiten, habe ich mich unter anderem dafür entschlossen in die Schweiz zu ziehen, weil mich diese demokratische Idee – die ja auch eine Verantwortung über die eigene Person oder Generation hinaus beinhaltet – stets beeindruckt hat. Und ich darf hier als Theaterleiter durchaus anmerken, dass demokratische Abstimmungen nicht immer positiv (lies: im eigenen Interesse) verlaufen.

Nun aber höre ich, dass der Kanton Baselland etwas aufkündigen möchte, das doch nicht nur die Tagespolitik, sondern die Zukunft betrifft, genau genommen sogar die Zukunft der Region.

Und hier staune ich. Haben zwei Nachbarkantone nicht so etwas wie einen solidarischen Pakt, sind sie nicht nur dem Eigeninteresse, sondern auch dem Interesse des Miteinanders verpflichtet? Ist eine der Tugenden der Eidgenossenschaft nicht, das gegenseitige für einander Einstehen? Ich zumindest, man mag mich naiv nennen, hatte und habe die Schweiz stets als eine demokratische wie eine solidarische Gemeinschaft betrachtet.

Heute nun erleben wir aber einen merkwürdigen Fall: Man möchte an etwas partizipieren, was Wirtschaft, Standort oder auch logistische Vorteile betrifft, ohne jedoch dafür zu zahlen. Oder anders gesagt: Weil die Kassen klamm sind, denkt man, man schmeisst Sand über Bord, ohne zu bedenken, dass dies genau der Sand ist, der das Luftschiff auf Kurs, wenn nicht sogar in der Waagrechten hält.

Ein demokratisches Bewusstsein hat nicht nur auf den nächsten Tag zu schauen. Die jüngste Entwicklung der politischen Führung von Baselland lässt aber nun genau diese Weitsicht vermissen: eine Vision, eine Idee für die Zukunft. Sparen allein ist noch nie eine Idee gewesen, das ist schlicht Reaktion. Zweifelsfrei: Man kann einfach wild streichen, Abzüge machen und so vermeintlich schnell einen Haushalt konsolidieren.

Aber ich als Bürger, als Steuerbürger, möchte doch mehr von der Politik als Hauruck-Aktionen. Ich wünschte mir einen Horizont, der über das Jetzt hinausreicht. So könnte man einfach sagen, wie meine Mutter: «Wer mit isst, muss auch mit bezahlen.» Aber man kann auch, und das würde ich sehr gerne tun, deutlich anmerken, dass eine demokratische Politik über das Heute ins Morgen hinaus reichen soll. Und eine Solidarität innerhalb einer Eidgenossenschaft darf und kann doch keine andere als eine gelebte sein, also in guten wie in schlechten Tagen.

Ich wünsche mir also weniger mittelalterliche Abgrenzung, weniger aktionistische Spontanhandlung, sondern gemeinsames verantwortliches Denken. Nicht nur sparen, sondern eine Vision für die Zukunft ist gefragt.

Peter Schmid

Eine Partnerschaft ist eine herausragende, enge Beziehung. Sie lebt von den Inhalten, der Zuverlässigkeit beider Partner und dem Vertrauen. Wenn einer der Vertragspartner in finanziellen Schwierigkeiten steckt, dann gilt es im direkten, zunächst vertraulichen Gespräch unter den Vertragspartnern nach Lösungen zu suchen und dabei zu beachten, dass das gegenseitige Vertrauen keinen Schaden nimmt. Der Kanton Basel-Landschaft missachtet gegenwärtig so ziemlich alle Grundsätze einer wirklichen Partnerschaft. Das Ganze erinnert mich an eine Trotzhaltung: Wenn wir es schon nicht schaffen, dann scheitern wir wenigstens alleine und unabhängig.

Die Mehrheit des Landrates und die Baselbieter Regierung erwecken gegenwärtig den Eindruck, als ob bei der Partnerschaft zwischen den beiden Basel eine inhaltliche Fehlentwicklung vorliegen würde. Aus Baselland wird zum Beispiel eine Attacke gegen die Geisteswissenschaften an der Uni beider Basel geritten und die absurde Idee einer Kleinstuniversität auf Baselbieter Boden lanciert. Das erklärende Wort seitens der BL-Regierung wird schmerzlich vermisst.

Es besteht der Eindruck, dass zu viele Leute im Baselbiet die schwierige finanzielle Lage dazu missbrauchen, um gegen ungeliebte Inhalte anzukämpfen. Das Gefühl, dass die Partnerschaft an und für sich zu den ungeliebten politischen Inhalten gehört, ist noch nicht ausgeräumt.

Gegenwärtig nennt Baselland derart viele unterschiedliche Einsparungsziele, dass paradoxerweise immer unklarer wird, was das wirkliche Ziel sein könnte. Es wird sich nicht alles umsetzen lassen. Zurzeit könnte man meinen, dass Baselland dabei ist, sich selber abzuschaffen oder zumindest darauf hinarbeitet, bedeutungslos zu werden. So weit wird es nicht kommen. Es werden sich einfache Grundsätze der Unternehmensführung durchsetzen. «Vision» und «Mission» sind auch für ein Staatswesen unverzichtbar. In den kommenden Jahren wird sich die Politik darauf besinnen, dass eine Vorstellung darüber, wofür Baselland steht und wohin es sich entwickeln will, notwendig ist; nicht zuletzt, um den Mitarbeitenden des Kantons wirksame Orientierung zu geben.

Urs Blindenbacher

(Bild: zVg)

Seit Juni 2015 wundert Mann und Frau sich ob der Bildungs- und Kulturpolitik des Kantons Basel Landschaft, man reibt sich die Augen und vergisst dabei, dass ja irgendjemand diese Regierung gewählt und diese Landratsmehrheiten gewollt hat. Ich wundere mich vor allem darüber, dass das untere Baselbiet, der «Speckgürtel», derart blauäugig gewählt hat und sich somit in die Hände des oberen Baselbiets «gelegt» hat.

Seit einigen Jahren ist es Tradition im Kanton BL, dass die Unfähigkeiten im Finanzdepartement, eine positive Bilanz zu erlangen oder ein realistisches Budget aufzustellen, kaschiert werden, indem Sparpakete geschnürt werden, indem man andere «gesundschrumpft», indem andere Departemente zur «Reformarbeit» gezwungen werden, indem man stolz (bis zum Untergang) auf Steuererhöhungen verzichtet. Mehreinnahmen in einem bürgerlichen Kanton scheinen «tabu» zu sein, genauso wie radikale Sparbemühungen im Baudepartment, im Spitalwesen, in den Bereichen, wo am meisten Geld «verschleudert» wurde und wird.

Zur Personal- und Lohnpolitik: Seit über 15 Jahren wurde im Kanton BL kein Teuerungsausgleich mehr gewährt;  auch die erneute Lohneinsparung führt dazu, dass der Kanton Basel-Landschaft als Arbeitgeber irgendwann nicht mehr attraktiv ist. Es ist schlicht eine Schande, wie im Baselbiet Arbeitnehmer wertgeschätzt werden.

Man greift als Ultima Ratio wieder auf das probate Mittel der Kulturkürzungen und Bildungseinsparungen, da man mit populistischen Argumenten bei diesen Sparmassnahmen am meisten Goodwill und Akzeptanz zu erreichen meint.

Ich meine: Wer Bildung derart nicht ernst nimmt wie die derzeitige Bildungsministerin, nimmt die Zukunft der Region nicht ernst. Sparen kann (auch in diesen Bereichen) teuer werden.

Ich wünsche der Bildungsdirektorin etwas weniger Intellektuellenfeindlichkeit, weniger Populismus – damit hat noch nie eine Exekutive langfristig konstruktiv und erfolgreich arbeiten können –, der gesamten BL-Regierung Visionen und Konzepte, die nachhaltig Zukunft haben. Bis jetzt fehlen mir Inhalte, ernstzunehmende Analysen und Visionen.

Wer die eigenen (Struktur-)Probleme und Defizite «löst», indem er sie exportiert (nach Basel), indem er Kosten auf die Bevölkerung der Region abwälzt (Musikunterricht, U-Abo etc.), der handelt unehrlich und wendet auf recht plumpe Art und Weise Neoliberalismus in Bildungsfragen und der (Kultur-)Politik an.

Ohne Bildung keine Kultur, ohne Kultur keine Bildung. Wer in Schulen bei Freifächern (20 Prozent) wie Theater, Musik, Zeichnen etc. spart, gefährdet Kultur in der Schule. Als Gymnasiallehrer unterrichte ich mit beachtlichem Erfolg seit 30 Jahren Theaterpädagogik (das Gymnasium Liestal hat über 45 Theaterinszenierungen und fünf Schultheaterfestivals mit Unterstützung des Kantons BL durchgeführt), vermittle Theater- und Filmästhetik in Schulen.

Im Fach Deutsch bin ich unter anderm angewiesen auf eine lebendige und spannende Theaterlandschaft, denn ich möchte mit meinen Klassen gute Inszenierungen besuchen. Dasselbe gilt für den Musikunterricht. Ohne Live-Musik aus Jazz, Klassik und Rock gibt es keine Weiterbildung. Wer im Handstreich die Hälfte aller Kultursubventionen im Kanton Basel-Laandschaft streichen will, der «killt» eben nicht nur 50 Prozent des Kulturangebots, er gefährdet damit vielmehr ganze Institutionen wie den Gare du Nord, die Basel Sinfonietta, das Theaterhaus Roxy, das Landkino und andere namhafte Institutionen.

Wer meint, diese 50 Prozent könne man heute durch privates Sponsoring ersetzen, lebt nicht in dieser Welt. Ich kenne ziemlich genau die Grundsituation des Kultursponsorings, weiss, wie schwierig es ist, zu namhaften Beiträgen zu kommen. Geschweige denn langfristige Zahlungszusicherungen. Man kann nicht ernstzunehmende Kultur mit Musicalproduktionen vergleichen und diese Musicalerfolge als Argument für private Finanzierungen von Kultur verwenden. Auch das ist unredlich, schlicht ein Stammtischargument.

Das Offbeat Jazzfestival Basel ist nie subventioniert gewesen, wurde seit Jahren durch Swisslos-Gelder der beiden Kantone mitfinanziert. Das Offbeat Jazzfestival Basel kann aber nur dann weiter existieren, wenn es Institutionen und Säle im Gare du Nord, in der Kaserne Basel, im Theater Basel gibt. Wir brauchen diese Infrastruktur dringend für die erfolgreiche Durchführung des internationalen Jazzfestivals.

Es scheint mir, dass die Baselbieter Regierung entweder in diesen Bereichen keine Ahnung hat oder bewusst das Sterben und Scheitern dieser wichtigen Institutionen in Kauf nimmt. Und: Auch ein Finanzminister kann so anscheinend indirekt Kulturpolitik betreiben, das ist ja das Schauerliche. Dass man im Departement Gschwind auf Leute verzichten will (Stellen werden nicht neu besetzt), die als Experten kantonale Kulturpolitik betreiben können, ist wohl die Konsequenz dieses undifferenzierten Streichkonzerts.

Man braucht scheinbar all das gar nicht mehr, was im Kanton Basel-Landschaft in den letzten 20 Jahren aufgebaut worden ist und man riskiert oben drauf noch eine Schwächung des Standorts Basel. Wer in der regionalen Kulturlandschaft derart Tabula rasa macht, schwächt letztlich langfristig die Kulturstadt Basel, aber auch die Region Nordwestschweiz.

Es bleibt zu hoffen, dass die vielen kulturell interessierten Bewohner des Kantons Basel-Landschaft, die sicher auch Interesse an einer starken und blühenden Uni Basel haben, die wohl vor Jahren mal wegen eines guten Schulsystems in den Kanton Basel-Landschaft gezogen sind, sich dieser unausgegorenen Sparpolitik widersetzen. Es ist dringend erforderlich, dass sich die Regierungsvertreter des Kantons Basel-Landschaft zu interkantonaler Kooperation, zum Regiogedanken bekennen und Planungsgespräche führen, Konzepte erarbeiten, wie in Zukunft eine gemeinsame Kultur- und Bildungspolitik der Nordwestschweiz aussehen kann, die nicht bloss zerstört und gefährdet, sondern aufbaut und fördert.

Es ist in Windeseile, eben «zu gschwind», viel Porzellan zerschlagen worden, zu viel. Jetzt ist eine andere politische Kultur dringend erforderlich, bevor es zu spät ist.

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