Euer Liebden, Daniel Stolz

Die FDP gilt als Partei der Oberschicht. Im Wahlkampf versucht es der FDP-Nationalrat Daniel Stolz auf die volksnahe Tour. Ob das gut geht?

Von oben herab: Das war bisher die Grundtendenz der liberalen Kommunikation. FDP-Nationalrat Daniel Stolz geht nun neue Wege.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Die FDP gilt als Partei der Oberschicht. Im Wahlkampf versucht es der FDP-Nationalrat Daniel Stolz auf die volksnahe Tour. Ob das gut geht?

Es gab Zeiten, da herrschte zwischen Adligen und Fussvolk ein angespanntes Verhältnis . Einen Mittelstand gabs damals noch nicht. Entweder man war jemand von Rang und Namen, oder man war: nichts. Die Formen der Anreden gingen von scharfzüngig («Geh mir aus dem Weg, Bauer!») bis hin zu wohlwollend förmlich («Was meint Ihr dazu, Euer Liebden?»).

Letztere Anrede galt fürstlichen Personen und durfte nur unter ihresgleichen werden. So pflegte der preussische Kurfürst Friedrich Wilhelm I. seine Briefe mit «Euer Liebden» zu zeichnen, jedoch nur, sofern er mit dem Adressaten verwandt oder verschwägert war.

Heute sind die Unterschiede zwischen den Ständen erodiert. Die Machtelite fährt Tram, steht am Postschalter für Briefmarken an und schwimmt Seite an Seite mit der Unterschicht den Rhein hinab. Dort grüsst man sich mit volksnahen Floskeln, eine standeshierarchische Abstufung der Grusswörter ist passé.

Ein flapsiges «Hallo»

Eine politische Klientel blieb dennoch mehrheitlich unter sich: die FDP. Liberale Kreise sprachen sich in der Regel mit längst verstaubtem Standesdünkel an. «Liebe Freisinnige», schrieb der FDP-Nationalrat Daniel Stolz bis vor kurzem in seinen Nachrichten an die Medien. Eine politisch sowie persönlich gewollte Distanz blieb somit gewahrt, die Zahl der angesprochenen Leserschaft war deutlich eingegrenzt.

Und nun das: In einem personalisierten Newsletter, den Stolz an bisher ungekannte Journalisten und Medienschaffende verschickt, begrüsst der Liberale seine Empfänger mit einem flapsigen «Hallo». Dazu nennt er Vor- und Zunamen des Empfängers – ein Verhalten das andere Nationalräte geflissentlich vermissen lassen.

Macht betroffen

Nun ja, es ist Wahlkampf. Da ist jedes Mittel Recht, die Aufmerksamkeit der Medien und schlussendlich der Wählerinnen und Wähler zu erhaschen. Aber so?

Eine persönliche Anrede macht betroffen, als Empfänger fühlt man sich denn auch geneigt, den Inhalt der Nachricht zu Ende zu lesen – ein Reflex, der bei Mails von Nationalräten selten auftritt.

So erfährt man in der Nachricht von Stolz einiges über dessen Wahlkampf, beispielsweise wie volksnahe Politik funktioniert: Steuern senken, Bürokratie abbauen und – Steuern senken. Forderungen, die einem preussischen Monarchen kaum eingefallen wären. Das 18. Jahrhundert gilt geradezu als Geburtsstunde der Bürokratie, die Unterschicht galt es von politischen Prozessen fernzuhalten und bis auf den letzten Zehnt ausbluten zu lassen. 

Das Ende einer glorreichen Epoche?

Der «Soldatenkönig» Friedrich Wilhelm I. war bekanntermassen der erfolgreichste Monarch des preussischen Königreichs. Sein dünkelhaftes Auftreten tat ihm dabei nichts ab. Im Gegenteil: Es verlieh seinem Machtapparat die notwendige Autorität. Das Königreich Preussen überlebte alle demokratisierenden Reformen bis 1918.

Insofern mag es eine gefährliche Tendenz sein, wenn sich die FDP volksnah gibt – das Ende einer glorreichen Epoche?

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