Unternehmen in der Region denken darüber nach, Grenzgängern die Löhne in Euro auszuzahlen. Doch dieses Vorhaben kann Tücken haben.
Seit die Euro-Untergrenze am 15. Januar gefallen ist, freuen sich Grenzgänger über 15 bis 20 Prozent mehr Kaufkraft. Arbeitgeber überlegen sich derweil, ihren Arbeitnehmern mit Wohnsitz in der Eurozone die Gehälter in Euro auszuzahlen.
Unternehmerisch mag das Sinn machen, kann so doch ein Teil des Währungsrisikos abgewälzt werden, ohne dass sich die Kaufkraft der Grenzgänger real verschlechtert.
Arbeitsrechtler und Gewerkschaften wehren sich jedoch vehement gegen die Ungleichbehandlung. Ausserdem hat das Kantonsgericht Baselland im Dezember 2012 in einem solchen Fall gegen die Aescher Firma Stöcklin Logistik entschieden.
Das Urteil ist schweizweit das bisher einzige zu dieser Frage und gilt unter Juristen deshalb als Massstab. Weshalb wird also weiterhin über das Thema diskutiert?
«Saubere Lösungen» für Grenzgänger
Beim Arbeitgeberverband Basel-Stadt hat man auf die Aufwertung des Schweizer Frankens rasch reagiert. Nur wenige Tage nach dem Entscheid der Nationalbank wurde dort eine Mitteilung an die Mitglieder publiziert.
Unter dem Titel «Aufhebung des Mindestkurses – Arbeitsrechtliche Fragen» schreibt der Verband, es sei davon auszugehen, dass die «Währungskrise» die Unternehmen in der nächsten Zeit beschäftigen werde und diese deshalb nach Möglichkeiten suchen, die Auswirkungen abzudämpfen. Etwa durch Eurolöhne für Grenzgänger – eine Massnahme, die «grundsätzlich möglich, jedoch mit einigem administrativem Aufwand» verbunden sei.
Die Mitteilung endet mit dem Aufruf: «Kontaktieren Sie uns, damit Sie nicht nur eine unternehmerische, sondern auch arbeitsrechtlich saubere Lösung finden.»
Wie eine solche Lösung aussieht, erklärt Barbara Gutzwiller, Direktorin des Basler Arbeitgeberverbands. Es habe seit dem 15. Januar zwar mehrere Anfragen von Unternehmen aus der Region gegeben, von einer «Anfragewelle» mag Gutzwiller jedoch nicht sprechen. Prinzipiell müsse jeder Fall individuell angeschaut werden, es gebe aber allgemein, folgende Punkte zu beachten:
- Ist die Firma einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt? Falls ja, sei eine Auszahlung der Löhne für Grenzgänger in Euro nicht möglich. Ein GAV erlaube keine individuelle Anpassung der Arbeitsverträge, sagt Gutzwiller. Gilt in einem Unternehmen kein GAV, sind zwei Szenarien denkbar:
- Szenario 1: Die Arbeitnehmer sind einverstanden. «Ist dies der Fall, steht der Massnahme nichts im Weg», sagt Gutzwiller, «solange zwei Bedingungen eingehalten werden.» So müssen die Sozialversicherungsabgaben weiterhin in Schweizer Franken bezahlt werden. Ausserdem dürfen die Verträge zumindest mittelfristig nicht wieder geändert werden, etwa wenn der Eurokurs wieder steigen sollte.
- Szenario 2: Die Arbeitnehmer sind nicht einverstanden. Will der Unternehmer die Massnahme trotzdem durchsetzen, muss er eine sogenannte «Änderungskündigung» aussprechen. Das bedeutet, dass der alte Vertrag aufgelöst und durch einen neuen (mit Gehalt in Euro) ersetzt wird. Gutzwiller weist die Unternehmen seit dem Gerichtsurteil gegen Stöcklin Logistik darauf hin, dass solche Änderungskündigungen problematisch sein können.
Ein Gesetz, zwei Aussagen
Aus der Sicht der Arbeitgeber scheint die Rechtslage also einigermassen klar. Ebenso eindeutig fällt die Antwort von Thomas Geiser aus, er ist Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule St. Gallen. Allerdings sagt er genau das Gegenteil: «Es ist völlig klar, dass das im Arbeitsvertrag definierte Gehalt gilt.» Eine unterschiedliche Behandlung von Grenzgängern verstosse ausserdem gegen das Diskriminierungsverbot der Personenfreizügigkeit. «EU-Bürger dürfen nicht anders behandelt werden als Schweizer», sagt Geiser.
Die Argumentation der Unternehmer, dass sich dadurch die Kaufkraft der Grenzgänger nicht vermindere, lässt der Arbeitsrechtler nicht gelten. «In einer liberalen Wirtschaft misst sich der Lohn an Leistung und nicht am Bedürfnis des Arbeitnehmers.»
Selbst wenn ein Arbeitnehmer mit der Vertragsänderung einverstanden sei, rät Geiser den Unternehmern davon ab. «Ein Arbeitnehmer kann sich noch fünf Jahre lang umentscheiden und vor Gericht Nachforderungen geltend machen.»
Sei ein Unternehmen vom starken Franken tatsächlich in seiner Existenz bedroht, dann seien Lohnsenkungen durchaus denkbar, sagt Geiser. «Allerdings für alle.»
Eine andere Möglichkeit, wie Unternehmen die wirtschaftlichen Folgen des neu erstarkten Frankens dämpfen können, hat der Bundesrat präsentiert: Kurzarbeit. Wie das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung am Dienstag mitteilte, seien die Vollzugsstellen der Arbeitslosenversicherung angewiesen, ab sofort Arbeitsausfälle aufgrund von Devisenschwankungen bei Gesuchen um Kurzarbeit anzurechnen.
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Marc Jacquet, Unternehmer und Arbeitgeber-Präsident, zahlt seinen Grenzgängern die Löhne in Euro. (SRF-Interview vom 23.01.2015)