Morgarten, Marignano, Rütlischwur: Was ist Fakt und was von Politikern umgedeuteter Mumpitz? An einem Podium der Uni Basel hat am Donnerstagabend eine Expertenrunde über die Zukunft des Geschichtsunterrichts an der Schule debattiert. Das Fach soll in solchen Fragen Orientierung stiften.
Wurde 1291 auf der Rütliwiese der Bund der Eidgenossenschaft beschworen? Ist des Schweizers neutrale Haltung auf die Schlacht von Marignano zurückzuführen? Und liegen die Wurzeln der vielgepriesenen direkten Demokratie tatsächlich in der Schweiz – oder nicht doch im revolutionären Frankreich des 18. Jahrhunderts?
Die Schlachten von Morgarten und Marignano sowie der Wiener Kongress jähren sich im Wahljahr 2015. Parteien, Politiker und Historiker streiten dementsprechend um die Deutung vergangener und vermeintlicher Schweizer Heldengeschichten. Was ist bloss Mythos? Und was mit Quellen belegbar?
«Geschichte ist kein Fantasy-Game»
In solchen Fragen liegt es mitunter am Geschichtsunterricht an der Schule, Wissen zur Orientierung bereitzustellen. Das sagt Susanna Burghartz, Professorin am Departement für Geschichte an der Uni Basel: «Guter Geschichtsunterricht soll helfen, Informationen besser einzuschätzen und kritisch zu hinterfragen.»
Offenbar ein hohes Ziel. Burghartz glaubt, es sei schon viel erreicht, wenn Jugendliche nach der Schulzeit eine Vorstellung von historischen Dimensionen hätten. «Geschichte ist kein Fantasy-Game, wo Inhalte beliebig miteinander kombiniert werden können», sagt sie. Dass man die Instrumentalisierung von Geschichte, etwa durch politische Parteien, gänzlich verhindern könne, glaubt sie allerdings nicht.
Umso wichtiger sei es, in der Schule Geschichte zu lehren. An einer Podiumsdiskussion der Alumni-Fachgruppe Geschichte der Uni Basel debattierte eine Expertenrunde deshalb darüber, welche Rolle der Geschichte in der Schulausbildung in Zukunft zukommen soll.
Unnützes Fach?
Im Lehrplan 21 findet historisches Lernen auf Sek 1 nicht im Schulfach Geschichte, sondern im Fachbereich Räume, Zeiten, Gesellschaften (gemeinsam mit Geographie) statt. Peter Gautschi, Leiter vom Zentrum Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen an der PH Luzern, rechnete vor, dass für Geschichte gemäss Planungsvorgaben bloss noch 1,3 Lektionen pro Woche übrig bleiben.
Gleichzeitig wird der Ruf nach nützlichen, wirtschaftsnahen, vornehmlich naturwissenschaftlich-technischen Ausbildungen laut. Mehr Bauingenieure, weniger Historiker, lautet der Tenor. Bleibt da das Unterrichtsfach Geschichte auf der Strecke?
«Die grossen Probleme unserer Gegenwart lösen wir nicht mit mehr Ingenieuren und mehr Mathematik.»
Für Erziehungsdirektor Christoph Eymann sind nicht Fachtitel oder Lektionenanzahl, sondern Art und Weise der Wissensvermittlung entscheidend. Gleichzeitig warnt er davor, zu stark auf die Verwendbarkeit von Schulwissen zu pochen: «Es darf nicht nur darum gehen, Brauchbares fürs Berufsleben zu vermitteln. Wichtig ist, die Schüler für etwas zu begeistern.»
Und Peter Gautschi ergänzt: «Geschichte ist sogar sehr nützlich! Die grossen Probleme unserer Gegenwart lösen wir nicht mit mehr Ingenieuren und mehr Mathematik. Die lösen wir, indem wir erkennen, wie unsere heutigen Situation entstanden ist, und was unsere Gestaltungsmöglichkeiten sind.»
Die Geschichte müsse sich in Sachen Nützlichkeit also überhaupt nicht verstecken. Im Gegenteil: Sie müsse sich dieser Diskussion stellen und sich gegenüber der Konkurrenz behaupten. «Geschichte hat nach wie vor gute Karten», ist Gautschi überzeugt.