Expo.27: Basel braucht keine zusätzliche «Attraktivität» auf Kosten bestehender Qualität

Die Ostschweiz sagt Nein zur Expo, nun regt sich in der Region Basel Interesse. Doch eine Landesausstellung ist nicht dazu da, Stege und Seilbähnli an den Rhein zu bauen – es geht darum, sich mit den Herausforderungen unseres Zusammenlebens zu beschäftigen.

Titlis, Engelberg, Switzerland - July 31, 2015: Revolving rotary cableway transport passengers to the top Titlis in the Swiss Alps. Titlis is a mountain of the Uri Alps, located on the border between the cantons of Obwalden and Berne at 3,238 metres above sea level. The Titlis Cliff Walk is the highest elevation suspension bridge in Europe, opened in December 2012, giving views across the Alps.

(Bild: istockphoto)

Die Ostschweiz sagt Nein zur Expo, nun regt sich in der Region Basel Interesse. Doch eine Landesausstellung ist nicht dazu da, Stege und Seilbähnli an den Rhein zu bauen – es geht darum, sich mit den Herausforderungen unseres Zusammenlebens zu beschäftigen.

Hätten im Thurgau und in St. Gallen am Wochenende des 5. Juni 2016 ein paar Stimmberechtigte anders votiert, wüssten wir, wohin 2027 unser Sommer-Reisli führt: an die siebte schweizerische Landesausstellung nämlich, zusammen mit zehn Millionen anderen Besuchern und Besucherinnen. Das wäre das Gegenteil von Last Minute, doch daraus wird nun nichts. Wird uns deshalb etwas Wichtiges fehlen? Wohl kaum. Einige Pressestimmen haben denn auch ziemlich ungerührt – vielleicht aber vorschnell – vom Ende einer Tradition gesprochen.

Wir können uns durchaus nochmals vergegenwärtigen, was da bachab geschickt wurde, und uns dabei fragen, warum in der Ostschweiz die Zustimmung an der Urne ausblieb. Diese Rekapitulation ist auch darum angezeigt, weil jetzt in der Basler Szene Stimmen laut werden, die den wieder «frei» gewordenen Event übernehmen möchten, um es dann vielleicht besser als die Ostschweizer anzurichten.

Aus 60 Beiträgen war das von einem Team um den Zürcher Architekten Markus Schaefer erarbeitete Projekt «Expedition 27» ausgewählt und im September 2015 der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Das Projekt erfüllte eigentlich alle gewünschten und wünschenswerten Eigenschaften. Es wollte auf existenzielle Grundfragen eingehen: «Woher kommen wir?», «Wer sind wir?» und «Wohin gehen wir?»

«Was hält uns zusammen?» – Es würde der Schweiz guttun, sich periodisch diese Frage zu stellen.

Dieses «Wir» wurde nicht – wie bei der Expo.02 – individualistisch aufgefasst. Beni Würth, bis Juni dieses Jahres St. Galler Regierungspräsident, dachte an ein kollektives: «Was hält uns zusammen?» Es würde der Schweiz guttun, sich periodisch diese Frage zu stellen.

Die Ausstellung wäre, wie schon ihre Vorgängerin, dezentral angelegt gewesen: Sie wollte die ostschweizerischen Kantone Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen und Thurgau mit Stand- und Spielorten am Seeufer, in der Stadtlandschaft und in den Bergen verknüpfen und real mit drei Eisenbahnringen und getakteten Bussen verbinden. Ohne Monumentalbauten, mit wenig Neubauten (also nicht wie bei olympischen Spielen) und primär der Nutzung bestehender Infrastruktur. Typischerweise sollten in Romanshorn als Hauptstandort die seit Jahrzehnten leer- und unter Denkmalschutz stehenden SBB-Lagerhallen genutzt werden.

Bei solchen Absichten kann das Abstimmungs-Nein nicht am Grundkonzept gelegen haben. Und die acht Millionen Franken für das Feinkonzept, über die am 5. Juni abgestimmt worden war, können auch kein ernsthafter Hinderungsgrund gewesen sein, zumal dieser Anteil mit der Aussicht verbunden war, eine schöne Bundesmilliarde für die Konkretisierung in die Region zu bringen.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass nicht zuletzt wegen Übersättigung kein Bedürfnis mehr nach Landesausstellungen besteht.

Das Projekt Expo 2027 war in bemerkenswerter Abgrenzung zur Expo.02 präsentiert worden. Man wollte keine temporären Monolithe und keine sich wieder in Nichts auflösende Wolke. In der Ostschweiz hätten die Themen, Diskussionen und Prozesse über 2027 hinaus nachhallen sollen. Und anders als in der Drei-Seen-Region hätte die Landschaft, wie man sagte, nicht Staffage, sondern erlebter, bereister, erfahrener Raum sein sollen. 

Ein für solche Unternehmen typisches Argument lautet, dass die Ostschweiz für sich und die Schweiz die einmalige Chance packen und dass sie zeigen müsse, was sie zustande bringen könne. Es sei auch eine Ehrenpflicht, für das ganze Land die wichtige Tradition weiterzuführen. Dieses Argument hat nicht verfangen. Es drängt sich dagegen der Eindruck auf, dass nicht zuletzt wegen einer Übersättigung mit Angeboten verschiedenster Art kein Bedürfnis mehr nach Landesausstellungen besteht.

Eine Chance für Basel?

Nach dem 5. Juni haben im Aargau und in der Nordwestschweiz sogleich Menschen ihre Stimmen erhoben, die in die entstandene Lücke springen wollen und da ebenfalls einmalige Chancen wittern. Sollten wir uns also Gedanken machen, wie eine solche Ausstellung daherkommen müsste und ob dafür überhaupt ein Bedarf besteht? Überlegen kann man immer und der Prozess, heisst es, sei meistens wichtiger als das Resultat, worin dieses auch immer besteht.

Befürworter einer solchen Ausstellung versprechen sich und der Allgemeinheit allerhand konkreten Nutzen für die Region und verweisen auf zahlreiche Möglichkeiten: Ausbau unserer Infrastruktur (Herzstücktunnel, Elba, Gundeli-Tunnel, Klybeck-Insel, Revision der ARAs). Und natürlich auch Stärkung der fragiler gewordenen BS/BL-Beziehungen sowie Verdichtung der Beziehungen zur badischen und elsässischen Nachbarschaft und anderes mehr. 

Die Basler «Baustellen» sollten eine Expo nicht nötig haben. Die Expo-Promotoren benötigen die «Baustellen», um eine überflüssige Ausstellung zu begründen.

Man darf sich aber fragen, warum es dazu den Überbau einer nationalen Landesschau brauche. Wäre es nicht sinnvoller, statt über den Umweg einer Ausstellung die weitere Ausgestaltung unserer Region direkt anzugehen – mit der IBA (der auf 2020 begrenzten Internationalen Bauausstellung), mit der Regio, mit der Stadtentwicklung, mit dem Rheinhafen und der Pflege guter Nachbarschaft über die Birs und über die Landesgrenzen hinweg?

Verständlicherweise ist die Aussicht auf eine Bundesmilliarde verlockend. Und wir wollen nicht bestreiten, dass in der Vorbereitung einer solchen Schau die Kooperation innerhalb verschiedener Staatsstellen und zwischen Staat und Privatsektor geübt und verbessert werden könnte. Doch auch da wäre es wünschenswert, dass dies ohne eine Landesschau als Hilfskonstruktion stattfindet.

Die verschiedenen Basler «Baustellen» und Kooperationsprozesse sollten eine Expo nicht nötig haben. Es ist doch vielmehr umgekehrt, dass Expo-Promotoren die «Baustellen» benötigen, um eine überflüssige Ausstellung zu begründen, wie auch die Promotoren die Expo-Idee nutzen, um sich selber zu profilieren. Sehr schnell geht es auch darum, mit dem Argument, bestehenden Bedarf decken zu wollen, fragwürdigen Zusatzbedarf zu erzeugen.

Zusätzliche «Attraktivität» auf Kosten bestehender Qualität

So ist bereits vom weiteren Ausbau des Freizeitbetriebs, vom Chillen am Rhein, einem Seilbähnli über den Rhein und – warum nicht – gelegentlich auch wieder vom Rheinsteg zwischen Wettsteinbrücke und Münster die Rede. Das alles würde zusätzliche «Attraktivität» auf Kosten bestehender Qualität schaffen.


Neben der regionalen Binnenwirkung sollte ein solches Projekt auch eine überregionale Aussenwirkung zum Ziel haben. Soll sich Basel als Musterregion präsentieren und aufzeigen, wie ein urbanes Zentrum vorbildlich seine Probleme angeht – mit seinen Expats und Grenzgängern, seinen Schulen, dem Baumbestand und den Buvetten, den Fussgängerzonen, den Veloabstellplätzen, den Abfallcontainern und der neuesten Rotlicht-Regelung?

Der Weg dahin würde Geld für ein Grobkonzept, dann Geld für ein Feinkonzept, dann Geld für die Verwirklichung erfordern. Das Geld ist aber nicht das Hauptproblem. Wie immer kann man zum Schluss kommen, dass doch auch «für Dümmeres» Geld ausgegeben werde. Aber man muss mit einer Volksabstimmung oder, wenn das Projekt wie in der Ostschweiz kantonsübergreifend ist, mit mehreren Volksabstimmungen rechnen.

Wie würde sich das «Volk» der Region dazu stellen? Neben dem Geld dürfte die Umweltbelastung einer solchen Übung ein wichtiger Aspekt sein. Dem hat man in der Ostschweiz durchaus Rechnung getragen und trotzdem die nötige Zustimmung nicht bekommen.

Auch eine virtuelle Landesausstellung könnte eine Auseinandersetzung darüber ermöglichen, was die Schweiz zusammenhält.

Da könnte eine andere Lösung Abhilfe schaffen: Man begnügt sich mit einer virtuellen Landesausstellung, schreibt schweizweit einen (was die Rahmenbedingungen und die Teilnehmenden betrifft) offenen Wettbewerb aus und stellt nachher über eine Abstimmung eine Rangordnung der am besten beurteilten Projekte auf – aber ohne die erstprämierten Vorschläge dann auch zu verwirklichen.

Der Hauptzweck einer solchen Ausstellung wäre bereits erfüllt: die offene und vorübergehend wieder einmal intensivierte Auseinandersetzung mit den gesamtgesellschaftlichen Problemen und dem, was die Schweiz zusammenhält oder nicht zusammenhält. Und statt dann zur Tagesordnung überzugehen, könnte man – sofern auf diesem Weg etwas Brauchbares oder gar Nötiges auftauchen sollte – dieses auch umsetzen.

Vieles ist derzeit offen, aber eines scheint schon klar zu sein: Aus dem Termin 2027 wird nichts werden. Also kein Landi-Reisli in elf Jahren. Im günstigen Fall könnte so etwas erst im Sommer 2030 stattfinden. Und die Basler hätten, wenn sie das in der eigenen Region anrichten, wenigstens den Vorteil, dass sie gar nicht hinreisen müssten, weil sie schon mitten drin wären.

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