Federer gegen Djokovic in 47 Sekunden zu vier Assen

Roger Federer gewann gegen Dauerrivale Djokovic das Halbfinale der Shanghai Masters. Das spektakuläre Spiel endete mit 6:4 und 6:4.

Roger Federer ging der Sieg gegen Novak Djokovic im Halbfinal der Shanghai Masters locker von der Hand. (Bild: ALY SONG/Reuters)

Roger Federer gewann gegen Dauerrivale Djokovic das Halbfinale der Shanghai Masters. Das spektakuläre Spiel endete mit 6:4 und 6:4.

Seit seinen ersten grossen Siegeszügen Mitte des letzten Jahrzehnts ist er für Chinas Tennisfans so etwas wie eine Kultfigur, ein Mann aus einer anderen Sphäre, einem parallelen Universum. Und auch mit 33 Jahren und als vierfacher Familienvater macht der abgöttisch verehrte Roger Federer seine Anhänger im Reich der Mitte noch immer so glücklich wie in seinen besten Tagen.

In einem der besten Matches der Tennissaison 2014 schlug er am Samstagabend beim Shanghai-Masters seinen Dauerrivalen Novak Djokovic im Halbfinale mit 6:4 und 6:4 und durfte nun auf den wertvollsten Saisonerfolg im Endspielduell mit dem Franzosen Gilles Simon hoffen. «Es passte einfach alles zusammen. Ich bin richtig glücklich über dieses Match», sagte Federer, der im 36. Vergleich mit dem serbischen Weltranglisten-Ersten seinen 19. Sieg verbuchte – einen hochverdienten Sieg in einem extrem verdichteten, rasanten, zuletzt auch hochdramatischen Match.



Novak Djokovic verwirft die Hände. Er gab gegen Roger Federer eine schwache Figur ab.

Novak Djokovic verwirft die Hände. Er gab gegen Roger Federer eine schwache Figur ab. (Bild: ALY SONG/Reuters)

Was Federer den rund 10’000 Zuschauern in diesem Ausscheidungs-Fight bot, war schlichtweg atemraubend – vor allem wegen der Bedingungslosigkeit und Aggressivität, mit der er wie ein Pokerspieler vollstes Risiko nahm und schliesslich für seinen Wagemut belohnt wurde. Es war ein Zweikampf, der weder den Hauptdarstellern noch den Betrachtern irgendwelche Atempausen gönnte, es war grossartiges Tennis ohne lästige Verzögerungen, ohne Lamentieren der Spieler, ohne Handtuch-Abwischorgien.

Und der älteste Top Ten-Spieler, der scheinbar ewige Federer, war der bessere der beiden exzellenten Darsteller: hochgradig fokussiert, ebenso planvoll wie präzise, ebenso elegant wie energisch. Dass er gegen den herausragenden Returnspieler Djokovic nur einen Breakball und kein Break zuliess, erstaunte den Schweizer Altmeister nach getaner Arbeit selbst ein wenig: «Das spricht für die Qualität meines Spiels heute. Und auch für die Nervenstärke», sagte er.

Das galt ganz besonders für die Endphase des Spiels, in der Federer wie Djokovic alles aus dem Zauberkasten auspackten. Federer im kraftvollen Bemühen, die Partie in zwei Sätzen zu beenden und keine Wendung des Geschehens zuzulassen. Und Djokovic in der verzweifelten Anstrengung, eben diesen Machtumschwung herbeizuführen und doch noch seine Siegesserie in China über 28 Erfolge hinaus zu verlängern.



Novak Djokovic hatte im Halbfinal der Shanghai Masters gegen Roger Federer viel zu tun. Er unterlag spektakulär.

Novak Djokovic hatte im Halbfinal der Shanghai Masters gegen Roger Federer viel zu tun. Er unterlag spektakulär. (Bild: VINCENT THIAN/Keystone)

Spannungsgeladen war das achte Spiel, in dem Federer 40:0 führte, dann den Einstand hinnehmen musste und erst mit dem achten Spielball die 5:3-Führung besorgen konnte. Dann vergab er im neunten Spiel zwei Matchbälle, kassierte den 4:5-Anschlusspunkt Djokovics. Immer wieder rauschte Federer dabei im Stile seines Beraters und Teilzeitcoachs Stefan Edberg herausfordernd ans Netz vor, entschied mit teils unglaublichen Reflexen wichtige Ballwechsel. «So aggressiv habe ich ihn seit zehn Jahren nicht mehr gesehen», kommentierte Experte und Ex-Profi Brad Gilbert die Federer-Show.

Federers Nervenkraft wurde auch im letzten Spiel noch einmal auf eine harte Probe gestellt, zwischenzeitlich geriet er sogar 15:30 in Rückstand. Aber auch diesen Gefahrenmoment meisterte er mit Bravour, servierte zuguterletzt sein siebtes Ass zu einem Prestigesieg auf grosser Bühne. «Ich gehe mit einem guten Gefühl ins Endspiel», sagte Federer.

Ein Wunder im ersten Satz

Gegen den Überraschungsfinalisten Simon kann der 33-jährige nun seinen 23. Masters-Pokal und seinen 80. Karrieretitel gewinnen und sich zudem eine perfekte Plattform für die weiteren interessanten Aufgaben in dieser Serie 2014 holen – nicht zuletzt für den Heimauftritt in Basel, für die ATP-WM in London und für das Davis Cup-Endspiel gegen Frankreich. Im Ideallfall könnte Federer sogar noch seinen geschlagenen Endspielgegner Djokovic vom Platz an der Sonne in der Weltrangliste verdrängen, eine ganze Dekade nach dem Aufstieg in die Eliteklasse seines Sports. Den zweiten Rang hat er bereits auf sicher.

Unmöglich scheint nichts für Daddy Federer, der bei seinem Triumph gegen Djokovic ganz nebenbei ein kleines Wunder vollbrachte – im ersten Satz gewann er das Spiel zum 5:3 in sage und schreibe 47 Sekunden, mit drei Assen und einem Aufschlag, der noch ganz leicht Djokovics Schläger touchierte. Kein Wunder, dass auf der grossen Leinwand in Shanghais Tennispalast im nächsten Moment ein Fan gezeigt wurde, der ein Poster mit Federer im Superman-Kostüm hoch hielt.

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