Das Mittelmeerland importiert fast 75 Prozent aller Meeresprodukte, jetzt spitzt sich die Lage wegen Fangstopps noch einmal zu.
In diesen Tagen, wo sich die italienischen Strände mit Touristen füllen, müssen die Fischer im Hafen bleiben. Fangstopp, wie jedes Jahr. In der Adria zwischen Triest und Rimini gilt das Verbot schon seit einigen Tagen. Demnächst sind auch die Häfen Süditaliens betroffen. Bis Mitte Oktober müssen dann die Flotten im Ionischen und Tyrrhenischen Meer bis zu 40 Tage lang pausieren.
Wer also nach einem Tag am Strand im Fischrestaurant frittierten Tintenfisch oder gegrillte Seezunge schlemmen will, der sollte auf der Hut sein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der Happen auf dem Teller tiefgefroren oder importiert.
Italien importiert beinahe 75 Prozent aller Fischprodukte aus dem Ausland, vor allem aus Spanien (20 Prozent der Importe), den Niederlanden und Thailand (beide etwa 7 Prozent). Im Sommer spitzt sich die Situation noch einmal zu. Das Fangverbot gilt für den industriellen Fang mit grossen Schleppnetzen, der als besonders unverträglich gilt. Jungtiere sollen durch den Stopp geschont werden.
Viele Arten sind in Gefahr. Hauptgrund ist die Überfischung.
Italiens Landwirtschaftsverband Coldiretti fordert einen noch gezielteren Schutz der Fischbestände. «Vor 30 Jahren hat die Regierung diese Art von Fangstopps eingeführt, ohne Erfolg», sagt Tonino Giardini, Fischerei-Verantwortlicher von Coldiretti. Trotz der Fangstopps sind in der Adria, dem fischreichsten Meer Italiens, viele Arten in Gefahr. Hauptgrund ist die Überfischung.
Giardini ist selbst Fischer, sein Familienbetrieb in der Hafenstadt Fano in der Region Marken ist auf den Fang von Muscheln, Meerestieren und Fischen spezialisiert. Giardini fordert eine Verlängerung des Fangstopps bis auf drei Monate. «Die Fischbestände brauchen Zeit, um sich wieder zu erholen. Man muss das Meer respektieren und nicht ausbeuten.»
Wissenschaftler geben ihm Recht. «Am Besten wäre, verschiedene Zonen, in denen sich die Jungtiere aufhalten, für mehrere Monate zu sperren», sagt der Meeresbiologe Corrado Piccinetti von der Universität Bologna. Insbesondere der industrielle Fang mit Schleppnetzen wird kritisiert, weil sich auch nicht verwertbare Fische in den Netzen verfangen, die dann tot ins Meer geworfen werden.
Jungtiere sollen gezielter geschont werden, ein generelles Fangverbot gekürzt werden.
Statt eines generellen, aber relativ kurzen Fangstopps, fordert auch der Landwirtschaftsverband die längere Sperrung derjenigen Zonen, in denen sich die Jungtiere aufhalten. So müssten die rund 12’000 italienischen Fischerboote im Sommer nicht im Hafen liegen, sondern könnten in den nicht gefährdeten Beständen auf Fang gehen.
Durch moderne Ortungssysteme seien effektive Kontrollen der Fangflotten möglich. Zudem, so der Gedanke, wäre dann im Sommer, wenn die Nachfrage durch den Tourismus besonders gross ist, mehr frischer, einheimischer Fisch auf dem Markt. Die neuen Fangrichtlinien werden derzeit in Italien verhandelt, sie sollen spätestens im Jahr 2017 in Kraft treten.
Nachfragen im Restaurant lohnt sich
Unterdessen sind viele Restaurants gezwungen, frischen Fisch aus dem Ausland zu importieren. Die meisten Urlauber wissen allerdings gar nicht, dass sie in Rimini derzeit französische Scholle oder Scampi aus Schottland vorgesetzt bekommen. Die Restaurants sind zwar angehalten Tiefkühlprodukte zu kennzeichnen, müssen aber nicht die Herkunft der Fische angeben.
Auch beim Einkauf im Supermarkt oder im Fischladen ist die Kennzeichnung oft vage. Mittelmeer-Fische werden pauschal mit der internationalen Kennung FAO 37 gekennzeichnet, können also sowohl aus Italien, aber genauso aus Marokko oder Albanien stammen.
Ein Hauptproblem sind die Touristen selbst.
«Das kann man schon als Schwindel bezeichnen», sagt Meeresbiologe Piccinetti. Er gibt allerdings zu bedenken, dass die Kunden selbst Teil des Problems sind, sie wollten schliesslich das ganze Jahr über Tintenfisch, Krabben oder Spaghetti Vongole essen. Nicht immer könnten die lokalen Fischer aber alle diese Produkte liefern.
Ein denkbarer Ausweg wäre, sich als Konsument so gut wie möglich über die verfügbaren lokalen Fische zu informieren und mit den örtlich verfügbaren Tagesprodukten Vorlieb zu nehmen.
Die Import-Quote von Fisch in Italien, die bei etwa 74 Prozent liegt, steigt im Sommer deshalb noch einmal an. Andere Mittelmeerländer wie Spanien oder Frankreich haben dieses Problem weniger, da sie zudem noch Zugang zum Atlantik haben.
70 Prozent des italienischen Fangs werden in der Adria und vor Sizilien erzielt. Italiens Fischfangflotte besteht aus 12’000 Booten, 8600 von ihnen sind kleiner als zehn Meter. Direkt sind etwa 27’000 Menschen in Italien mit dem Fischfang beschäftigt. In den vergangenen 25 Jahren gingen in der Branche etwa 18’000 Arbeitsplätze verloren.