Fotopaare zum Vergleich: Kiew heute und während des Umsturzes

Zelte, Rauch, Barrikaden: Genau vor einem Jahr begannen die Proteste auf dem Maidan. n-ost-Fotograf Florian Bachmeier war jetzt wieder in Kiew und besuchte die ehemaligen Schauplätze des Protests.

Zelte, Rauch, Barrikaden: Vor einem Jahr begannen die Proteste auf dem Maidan. n-ost-Fotograf Florian Bachmeier war jetzt wieder in Kiew und besuchte die ehemaligen Schauplätze des Protests.

Blumen, Kreuze und Kerzen erinnern in Kiew noch immer an die Maidan-Revolution, bei der über 100 Demonstranten und mindestens 13 Polizisten starben. Das Gewerkschaftshaus mahnt wohl am deutlichsten an die Proteste. Es brannte im Februar aus, zwei Menschen kamen in den Flammen ums Leben. Ein riesiges Banner mit der Aufschrift «Ruhmreiche Ukraine» verhüllt nun die Ruine.

Damals und heute – die Barrikaden sind verschwunden, die Unsicherheit über die Zukunft des Landes bleibt (Bild: Florian Bachmeier).

Gegenüber, auf dem Unabhängigkeitsplatz, unter der 61 Meter hohen Marmorsäule, demonstrierten vor einem Jahr tausende Studenten für Europa. Als Präsident Viktor Janukowitsch das Assoziierungsabkommen mit der EU platzen liess, rief der Journalist Mustafa Najem zu Massenprotesten auf. Vermutlich wäre der Euromaidan eingeschlafen, hätte die Polizei nicht Ende November Jugendliche, die auf dem Platz ausharrten, brutal auseinandergeknüppelt.

Heute sind zwar viele Passanten zu sehen – die Zelte und Flaggen aber sind vom Maidan verschwunden.

Der Maidan mit dem Hotel Kiew im Hintergrund – Das Protestcamp wurde inzwischen auf Weisung des neuen Bürgermeisters von Kiew, Wladimir Klitschko, geräumt.

Zu Beginn dieses Jahres brannten in der Gruschewski-Strasse die Barrikaden, Ende Oktober ist dieselbe Strasse kaum wiederzuerkennen.

Auf den Strassen in Kiew, die in den Zeiten des Umsturzes Schauplatz eines Kampfes auf Leben und Tod waren, erinnern daran heute Plakate und Flaggen.

Hunderttausende gingen Ende November 2014 auf die Strasse. Hinter Barrikaden aus Holzpaletten und Autoreifen bauten Aktivisten später am Maidan ein Zeltlager auf. Freiwillige schmierten Brote, Feuertonnen spendeten Wärme und Popsängerin Ruslana sprach den Demonstranten von der Bühne Mut zu.

«Himmlische Hundertschaft» werden die 104 Aktivisten genannt, die bei den Todesschüssen am Maidan ums Leben kamen.

Auf der Gruschewski-Strasse hinter dem Europaplatz eskalierten im Januar die Proteste. Militante schleuderten Molotowcocktails auf die Polizei, die feuerte mit Blendgranaten zurück. Heute erinnert nichts mehr an die Strassenschlacht. Auch die russgeschwärzten Säulen des Dynamo-Stadions wurden längst mit weisser Farbe übertüncht.

Die Gruschewski-Strasse in der Nähe des Maidans verwandelte sich Ende Januar 2014 in ein Schlachtfeld, heute ist davon nichts mehr zu spüren.

Auf der Institutska-Strasse nahe dem Hotel Ukraina flackern Grableuchten vor den Fotos toter Demonstranten. «Himmlische Hundertschaft» werden die 104 Aktivisten genannt, die bei den Todesschüssen am Maidan ums Leben kamen.

Die Zeltstadt ist verschwunden

Heute ist die Zeltstadt am Unabhängigkeitsplatz längst verschwunden. Im August liess der neugewählte Bürgermeister Vitali Klitschko alle Zelte abreissen. Kriminelle hätten sich dort herumgetrieben, lautete die offizielle Begründung. Tatsächlich hätten die Zelte einer Militärparade zum Unabhängigkeitstag weichen müssen, vermuten viele Kiewer. «Klitschko wollte zeigen, dass er alles unter Kontrolle hat», sagt die Aktivistin Angelina Gusar. Die Studentin wünscht sich, die Stadt würde die Erinnerungen an den Umbruch besser pflegen.

Auf dem Maidan ist jetzt jedes Wochenende Gitarrenmusik zu hören. Bürger versammeln sich an der Marmorsäule, singen Partisanenlieder und diskutieren über die Zukunft des Landes. «So wollen wir die Idee des Maidan bewahren», sagt Aktivistin Gusar.

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