Frankreichs Nationalversammlung reduziert zu Sparzwecken die Zahl der Regionen – das Elsass will aber nicht in einer grösseren Einheit aufgehen.
Die Nationalversammlung hat die von Präsident François Hollande lancierte Gebietsreform am Mittwochabend definitiv gebilligt. Die Abstimmung fiel so klar aus, dass vorerst nicht nachgezählt wurde.
Wichtigste Neuerung: Die Zahl von 22 Regionen wird bis am 1. Januar 2016 auf 13 reduziert. Hollande erklärte, die Straffung sei unerlässlich, um Frankreich zu modernisieren und finanziell zu entlasten. Die neuen «Super-Regionen» sollen wirtschaftlich ebenso stark wie deutsche Bundesländer werden und Milliarden Euro einsparen – wie viel, vermag allerdings niemand zu sagen.
Hollandes Vorzeigebeispiel ist die freiwillige Fusion von Franche-Comté (Jura) und Burgund. Westlich der Schweiz entsteht damit eine Verwaltungsregion, die bis zum Grossraum Paris reicht.
Andere Regionen wie Korsika, Normandie oder Bretagne wahren ihre Eigenständigkeit. Die nördlich von Paris gelegene Picardie wird jedoch gegen ihren Willen mit Nord-Pas de Calais verschmolzen.
Erhitzte Elsässer Gemüter
Den heftigsten Widerstand gab es jedoch in Strassburg. Die Elsässer werden mit Lothringen und der Region Champagne-Ardennes in einem Gebilde mit 5,5 Millionen Einwohnern vereinigt. Schon im Herbst waren in der elsässischen Metropole 10’000 Menschen gegen die Fusion auf die Strasse gegangen; am vergangenen Wochenende waren es nochmals 3000.
Diese Proteste hatten eine sehr politische Note, wurden sie doch vor allem von der bürgerlichen Union für eine Volksbewegung (UMP) organisiert. Sie gibt in den meisten Orten des Elsass den Ton an und wirft der Linksregierung in Paris vor, sie wolle die traditionell konservative Randregion in einem gesichtslosen Ensemble auflösen, das vom Rheineck bis an die belgische Grenze reiche.
Wie erhitzt einzelne Gemüter sind, zeigte ein anonymer Internetaufruf zu einem Bild des sozialistischen Abgeordneten Philippe Bies – unter dem zu lesen war: «Umzulegen.» Erst danach wurde präzisiert, das sei nur politisch gemeint.
An den Kundgebungen nahmen aber auch unpolitische Verfechter der regionalen Identität teil, weshalb man dabei auch Elsässerdeutsch hörte und zweisprachige Spruchbänder wie «Alsace libre – freies Elsass» lesen konnte. Viele Frauen erschienen in Trachten, andere schwenkten die rotweisse Elsässer-Flagge.
Zum Widerstand trägt auch bei, dass das Elsass wirtschaftlich besser aufgestellt ist als die Landregionen Champagne und die Ardennen oder auch das industriell versehrte Lothringen. Zudem hat das Elsass mit neun Prozent eine etwas tiefere Arbeitslosigkeit als das übrige Frankreich.
Zwangsheirat: «une Schnapsidee»
Die Gesamtheit der knapp zwei Millionen Elsässer ist laut Umfragen gegen die Fusion mit anderen Regionen. Alles in allem hält sich die Protestbewegung aber in Grenzen.
Sogar bürgerlich regierte Städte wie Mulhouse verweigerten sich am Mittwochabend dem Aufruf des UMP-Lokalpolitikers Charles Buttner, aus Protest gegen die Gebietsreform die Sirenen und Glocken ertönen zu lassen; auch Lokalmedien wie «L’Alsace» bezeichneten dies als «une Schnapsidee» – was offenbar jeder Elsässer versteht.
Ähnliches Kopfschütteln über die widerspenstigen Elsässer gibt es auch in Paris, wo sich der Zentralstaat noch nie gescheut hat, historisch gewachsene Randregionen am Reissbrett zu zerlegen oder zu verschmelzen.
Das krasseste Beispiel sind die beiden – früher bereits fusionierten – Regionen Languedoc-Roussillon und Midi-Pyrénées: Sie werden nun zu einem vierköpfigen Verwaltungsmonster mit dem Kürzel LRMP zusammengelegt werden.
Im Elsass hoffen noch einige Politiker, dass ihre Region letztlich doch nicht zwangsverheiratet wird. Sie setzen auf einen Regierungswechsel in Paris, auch wenn dieser frühestens 2017 erfolgen dürfte. Immerhin hatte sich der Senat – das französische Oberhaus – am Montag dafür ausgesprochen, dem Elsass, Lothringen, Champagne-Ardenne sowie den beiden südfranzösischen LRMP-Regionen die Eigenständigkeit zu belassen. Die allein entscheidungsfähige Nationalversammlung ging aber am Mittwochabend nicht darauf ein.
Beschränkte Kompetenzen
Dass der Widerstand gegen die Hollande-Reform keine Chance hatte, liegt vielleicht nicht nur am französischen Zentralstaatsdenken. Die administrativen Regionen existieren in Frankreich erst seit drei Jahrzehnten und haben nur beschränkte Kompetenzen – vor allem Raumplanung und den Bau von Mittelschulen. Sie bestehen damit bedeutend weniger lang als die Departemente, die bis auf die Französische Revolution von 1789 zurückgehen.
Die kleinere Verwaltungseinheit der 101 Departemente wollte Holland ursprünglich ebenfalls auflösen. Das hätte allerdings eine Verfassungsänderung erfordert, und über die dafür nötige Drei-Fünftel-Mehrheit verfügt die regierende Linke nicht.
In den nächsten Jahren will Hollande den Departementen immerhin Kompetenzen in den Bereichen Verkehr und Schule wegnehmen und ihnen nur die teure Sozialhilfe belassen. Vorerst muss er aber zuwarten, bis die Proteste gegen die Regionalreform abgeflaut sind.
Diese bleibt damit fürs Erste ein ziemliches Flickwerk. Die oft überlappende «Crèmeschnitte» (Mille-Feuille) des französischen Verwaltungsaufbaus ist heute viel zu dick, und Raumplaner sahen die einzige wirkliche Lösung darin, entweder die 22 Regionen oder die 101 Departemente aufzulösen. Doch dazu brachte Hollande nicht den Mut auf. Lieber fusioniert er die Regionen zu 13 Einheiten, ohne dass ein finanzieller oder administrativer Gewinn ersichtlich wäre.
Keine echten Reformen
Die neuen «Super-Regionen» sollen mit den deutschen Ländern ökonomisch mithalten können, erklärte Hollande. Sie sind aber geografisch gar nicht kleiner. Finanziell schon: Während das Elsass zum Beispiel mit 400 Euro pro Einwohner auskommen muss, kann das rechtsrheinische Baden-Württemberg mit 4000 Euro pro Kopf budgetieren. Auch die Hollande-Reform ändert nichts daran: In Frankreich überlässt das Pariser Machtzentrum den Regionen nur Brosamen.
Und an diesem ungeschriebenen Prinzip wollte der Präsident, dieser oberste Vertreter des Zentralstaat, nicht rütteln. Einzelne Regionalzeitungen nennen die Reform bereits einen Flop.
Das gilt auch für Hollande. Für ihn wird das Regieren mehr und mehr zum Teufelskreis: Politisch in der Defensive, kann er keine ambitiösen Vorlagen präsentieren. Ohne ehrgeizige Reformen wird er die französische Wirtschaft aber nicht auf Kurs bringen. Frankreich bleibt unter Hollande das Land, das nur so tut, als würde es sich reformieren.
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