Für SVP-Nationalrat Sebastian Frehner hätte es eine gute Woche werden sollen. Seine interne Konkurrenz ist nach der E-Mail-Affäre um Sekretär Joël Thüring arg in die Defensive geraten, Frehner selber scheint endlich wieder am Drücker zu sein. Doch nun sagt SVP-Parteivorstand Oskar Herzig zur TagesWoche: «Frehners Nicht-Nomination für den Nationalrat ist ein Thema in der Partei.»
Was hat Sebastian Frehner bloss falsch gemacht in dieser Woche?
Es lief schon vorher nicht besonders gut für ihn. Gerade mal acht Personen fanden sich im März dieses Jahres im Kleinbasler Restaurant Torstübli ein. Der SVP-Nationalrat hatte zu sich und zu «SVP bi de Lüt» geladen, um über sich und seine Arbeit in Bern zu sprechen. Von den acht Anwesenden waren zwei Journalisten, einer Sebastian Frehner, einer sein Assistent A. und vier sogenannte Lüt. Das SVP-Format, das in anderen Städten und Dörfern Säle füllt, scheint bei Sebastian Frehner nicht zu verfangen: Obwohl sämtliche Parteimitglieder angeschrieben wurden, erschienen bloss vier.
Sebastian Frehner, das musste ihm an jenem Abend klar geworden sein, hat ein Problem.
Vermutlich aber wusste er das schon vorher. Weihnachten 2017: Ausgewählte Basler erhalten kurz vor den Festtagen einen zweiseitigen Brief mit beiliegendem Einzahlungsschein. Absender ist Sebastian Frehner. Das Schreiben ist veredelt mit dem Briefkopf des Parlaments und kündigt sich im Titel als Halbzeitbilanz der Legislatur an.
Frehner listet darin einige Dinge auf, die er im Parlament erreicht hat oder erreicht haben will, doch der wesentliche Abschnitt ist der letzte. «Es sind zwar noch knapp zwei Jahre bis zu den nächsten Wahlen», man könne aber bereits jetzt «einen Beitrag für meinen Wahlkampf 2019 leisten».
Bereits im Wahlkampf
Auf diese Weise mache er das zum ersten Mal, erklärt Frehner auf Anfrage. Alle würden erst im Wahlkampf solche Briefe verschicken, er wollte es dieses Mal anders machen. Frehner wollte der Erste sein – aber vielleicht steckt er ja tatsächlich schon im Wahlkampf?
Seit er das Präsidium der Basler Kantonalpartei abgeben musste, fehlt ihm die Bindung zu seinem Wahlvolk. Parteigenossen wie der jetzige Präsident Lorenz Nägelin oder Sekretär Joël Thüring haben ihn aus dem Rampenlicht verdrängt, auch sie wollen für den Nationalrat kandidieren. Es dürfte eng werden für seine Wiederwahl und seit letzter Woche noch ein wenig enger.
Letzten Freitag veröffentlichte die «bz Basel» einen echten Knaller: Frehner hat Parteisekretär Thüring angezeigt, weil dieser ohne Berechtigung seine E-Mails gelesen haben soll. Die Staatsanwaltschaft hat Thürings Computer beschlagnahmt, ein Ermittlungsverfahren läuft. Thüring will sich dazu nicht äussern, doch die Indizienlast anhand der Logfiles soll erdrückend sein.
Einige Fragen sind allerdings noch zu klären. Eine davon: Wie gelangte Thüring an Frehners Passwort? Die beiden waren jahrelang nicht nur politische Partner, sondern auch geschäftliche. Anfang 2017 kam es zum Bruch – ohne dass Frehner seine Zugangsdaten geändert hat?
Frehners Assistenz lancierte die Enthüllung
Für die Parteileitung der Basler SVP sind andere Fragen wichtig: Wie kam die Geschichte zur «bz Basel», weshalb erscheint sie kurz vor einer wichtigen Parteiversammlung und wieso hat Frehner vorher nicht den eigenen Vorstand informiert?
Darauf finden sich durchaus Antworten. Gemäss übereinstimmenden Aussagen von Personen, die mit den Vorgängen vertraut sind, lancierte Frehners neuer Assistent A. bei der «bz Basel» die Enthüllungsgeschichte. A. ist kein Unbekannter auf dem Medien- und Politplatz Basel. Im Frühjahr 2017 wurde er als Redaktor bei der «Basler Zeitung» entlassen, nachdem die TagesWoche publik machte, dass A. eine Medienmitteilung für Politiker verfasste, um einer BaZ-Kampagne zum Durchbruch zu verhelfen.
In der Artikelserie, die ohne Wirkung blieb, ging es um angeblich unfähige und vorbelastete neue Bankräte der «Basler Kantonalbank». Sie wurden Artikel um Artikel angegriffen – ausgerechnet nachdem Frehner als Bankrat abgesetzt wurde.
Frehner und A. sind langjährige Freunde. Schon als Redaktor irritierte A. mit Liebesdiensten an den SVP-Politiker. Als ihn diese schliesslich den Job kosteten, fing Frehner ihn auf. A. arbeitet heute für ihn, er organisiert Anlässe in Bern, unterstützt ihn in der Dossiervorbereitung. Und er begibt sich für Frehner in die Grauzone im Kampf gegen die Konkurrenz in der eigenen Partei.
Besuch auf dem Betreibungsregisteramt
Nach der E-Mail-Enthüllung wurde A. bei weiteren Medien vorstellig, um für die Geschichte zu werben, die bislang eher zögerlich aufgegriffen wurde. Dazu soll er versucht haben, sich weiteres politisch brisantes Material über Thüring zu beschaffen. So soll er auf dem Betreibungsregisteramt einen Auszug Thürings verlangt haben. Frehner selber soll ihm versprochen haben, ihn anstelle Thürings als Parteisekretär zu installieren. Darauf angesprochen sagt A. wie zu allen anderen Fragen: «Dazu äussere ich mich nicht.»
Das Gebaren erinnert an die Geschichten, die den Anwalt von US-Präsident Donald Trump umkreisen: Michael Cohen, Trumps Fixer. Ist A. Frehners Fixer, sein rücksichtsloser Problemlöser?
Am 24. Mai ist eine für Frehner eminent wichtige Parteiversammlung. Was dort diskutiert wird, bleibt unter Verschluss: Die Medien sind nicht zugelassen. Bekannt ist, dass zwei Anträge der Parteileitung zur Abstimmung kommen, an denen Frehner keine Freude hat. Zum einen sollen die Parteiabgaben der Mandatsträger verdoppelt, zum anderen soll eine Amtszeitbeschränkung eingeführt werden. Kommt beides durch, muss Frehner nicht nur mehr bezahlen, er dürfte auch nur noch einmal als Nationalrat für die SVP kandidieren.
Entsprechend heftig geht es hinter den Kulissen zu und her. So beackert das Team Frehner Parteimitglieder telefonisch, an die Versammlung zu kommen und die Anträge abzulehnen. Das Votum der Basis ist Frehners letzte Chance, denn im Vorstand hat er längst keine Verbündeten mehr.
«Frehners Nicht-Nomination ist absolut ein Thema in der Partei.»
Die Vorstandsmitglieder inklusive Präsident Nägelin äusserten sich bislang nur sehr vorsichtig oder gar nicht zur E-Mail-Affäre. Die TagesWoche hat nun mit Parteivorstand Oskar Herzig gesprochen. Der Marktfahrer und frühere Grossrat hat sich in der Vergangenheit aus parteiinternen Streitigkeiten herausgehalten. Jetzt wählt er deutliche Worte:
«Was derzeit abläuft, schadet der Partei. Das ist eine gezielte Kampagne gegen Joël Thüring, die auf Missgunst und Neid auf seine politische Arbeit zurückzuführen ist. Das finde ich nicht gut, das bringt uns nicht weiter.»
Er habe keine Belege, aber er vermute stark, dass Frehner hinter der Kampagne stecke, sagt Herzig.
«Er ist unser Nationalrat und es wäre eigentlich vorgesehen, dass er nochmals nominiert wird. Es sind aber bereits Leute auf mich zugekommen, die nicht wollen, dass er nochmals nominiert wird. Wie ich dem gegenüber stehe, ist offen. Aber seine Nicht-Nomination ist absolut ein Thema in der Partei.»
Der Vorstand, sagt Herzig, stehe voll hinter Thüring. Frehner dagegen scheint den letzten Kredit verspielt zu haben. In der Parteispitze hofft man auf eine Direktive aus Bern – oder noch besser: aus Herrliberg. Christoph Blocher hat Frehner schon einmal zurückgestutzt, als er ihn anwies, das Parteipräsidium abzugeben. Spricht er auch dieses Mal wieder ein Machtwort?