Jetzt steht der Rheinpromenade für Velofahrten nach Frankreich nichts mehr im Weg. Ein langes Tauziehen mit den französischen Behörden war es, bis die Hindernisse für den Uferweg von der Dreirosen- bis zur Dreiländerbrücke beseitigt werden konnten.
Jean-Marc Deichtmann ist erleichtert. «Wir sind gerade noch einmal gut aus der Sache herausgekommen», sagt der Bürgermeister von Hüningen. Lange musste er für die Rheinpromenade kämpfen. Während in Basel die Planungsarbeiten für den Fuss- und Veloweg längst abgeschlossen und die Kräne im Hafen St. Johann abgebaut waren, rang Deichtmann noch immer mit der französischen Administration. In Frankreich ticken die Uhren nun mal anders.
Wäre es nach Deichtmann gegangen, wäre alles viel schneller gegangen. «Für uns ist die Rheinpromenade ein Gewinn, wir wollten sie unbedingt haben. Aber da es sich hier um kein lokales Projekt handelt, lag das Dossier beim Präfekten in Colmar. Da haben wir lokale Behörden nicht mitzubestimmen.»
Der schockierte Präfekt
Und der Präfekt war hellauf entsetzt, als er seine Unterschrift unter dieses Dossier hätte setzen sollen. Denn der Weg führt auf französischem Gebiet geradewegs am Fabrikgelände des Chemiemultis BASF vorbei. Dessen Pigmentproduktion für Lacke fällt unter die Seveso-Richtlinien. Streng nach Gesetz hätte der Weg aus Sicherheitsgründen rund um die Fabrik herumgebaut werden müssen – mitten durch Hüningens wenig reizvolles Industriegebiet.
Von Rheinblick also keine Spur, dafür hätten die Velofahrer einen Umweg von fast zwei Kilometern auf sich nehmen müssen. «Das wäre kaum praktikabel gewesen», sagt Deichtmann.
Hüningens Bevölkerung wehrte sich. Auf der anderen Seite von BASF verlaufe ja auch schon eine Strasse, die auch von Velofahrern benutzt werde, wandten spitzfindige Geister ein. Doch die zuständige Direction Régionale de l’Environnement de l’Aménagement et du Logement (DREAL) liess sich nicht überzeugen: Man müsse ja nicht einen Fehler, den man beim Bau der Strasse vor 30 Jahren gemacht habe, nun auf der anderen Seite des Fabrikgeländes wiederholen, beschied sie. «Dabei wurde die chemische Produktion in Hüningen in den letzten 30 Jahren massiv heruntergefahren», meint Deichtmann kopfschüttelnd. Kurz und gut: Mit der DREAL war nicht zu verhandeln. Somit blieb auch der Präfekt beim Nein. Denn er könnte nach französischem Recht persönlich haftbar gemacht werden, würde ein Spaziergänger oder eine Velofahrerin durch einen Chlorunfall zu Schaden kommen.
Drei Präfekten
Was es den Hüningern nicht einfacher machte, ist die Tatsache, dass ein französischer Präfekt, um Klüngelbildung zu vermeiden, alle zwei Jahre an einen anderen Ort versetzt wird. Seit Beginn der Planungen waren nicht weniger als drei Präfekten in Amt und Würden, die sich jeweils neu ins Dossier einarbeiten mussten.
«Auf diese Art kann ein kleines Projekt plötzlich Jahre dauern, wenn verschiedene Systeme daran beteiligt sind», sagt Deichtmann verärgert. «In Frankreich ist alles leider besonders kompliziert. Für die deutschen und Schweizer Kollegen ist es nicht immer einfach, das zu verstehen. Die können viel pragmatischer handeln.»
Dass es nun doch geklappt hat, verdankt Hüningen seiner Lage in der Grenzregion. «Wären nicht Basel und Novartis fest an unserer Seite gestanden, hätten wir diesen Windmühlenkampf nicht gewinnen können», sagt der Bürgermeister.
Auf Druck von Novartis hat BASF Studien in Auftrag gegeben, die zeigen, wie Risiken minimiert werden können. Das Resultat: Verkleinert man die Chemikalienvorräte auf dem Fabrikgelände, werden ein Rohr unterirdisch verlegt und eine Auffangmauer auf der Rheinseite gebaut, ist viel gewonnen. Dann verläuft nämlich der Veloweg nicht mehr durch die – bei einem Unfall tödliche – rote Zone, sondern durch die gelbe. Sprich: Käme es auf der anderen Seite der Mauer zu einem Chemieunfall, könnten sich Fussgänger und Velofahrer rechtzeitig in Sicherheit bringen.
Definitiver Entscheid im Oktober
Die BASF-Zentrale im deutschen Ludwigshafen hat inzwischen das Geld für den Umbau gesprochen, mehrere Hunderttausend Euro. Die Massnahmenpläne liegen nun zur Überprüfung bei der DREAL, die ihren definitiven Entscheid im Oktober verkünden wird. Jean-Marc Deichtmann sieht sich zwar versucht, auf Holz zu klopfen, als er das erzählt, aber er meint auch: «Es wäre dreifach absurd, wenn es jetzt nicht klappen sollte. Nach drei Jahren zäher Verhandlungen hat nun endlich der gesunde Menschenverstand triumphiert.»
Ab 2014 sollen Velos auf der Rheinpromenade rollen
Auf Schweizer Seite wird der Weg zweigeteilt. Es wird einen Bermenweg geben, der knapp oberhalb des Wasserspiegels verläuft und Fussgängern vorbehalten ist. Etwas weiter oben entsteht ein 4,5 Meter breiter Promenadenweg für Velofahrer, Jogger und Skater. Dazu kommen Treppen ins Wasser und Duschen für die Rheinschwimmer. Novartis wird ihr Gelände mit einer mehrere Meter hohen Mauer vom Weg abtrennen, plant aber ein vom Uferweg öffentlich zugängliches Restaurant in einem 65-Meter-Hochhaus. Auf den 1,2 Kilometern auf der französischen Seite wird der Weg wegen enger Platzverhältnisse nur gut 2,5 Meter breit sein. Velos und Fussgänger müssen ihn teilen. Ein Anschluss an den wassernahen Bermenweg ist nicht möglich, da nach französischem Recht das Ufer zugänglich und von Verkehr frei bleiben muss. Die Bauarbeiten starten parallel an der Dreirosenbrücke und an der Dreiländerbrücke. Voraussichtlich im Herbst 2014 sollen die ersten Velos rollen können.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 29.06.12