Frontalangriff auf Ueli Maurer und seine Geheimdienst-Pläne

Der Schweizer Nachrichtendienst soll bei der Spionage bald sehr viel weiter gehen dürfen als bis jetzt. Die Parteien scheinen einverstanden zu sein. Nun kommt aber eine eindringliche Warnung – aus Basel-Stadt.

In den Kantonen wächst die Angst vor einem ausufernden Staatsschutz.

Der Schweizer Nachrichtendienst soll bei der Spionage bald sehr viel weiter gehen dürfen als bis jetzt. Die Parteien scheinen einverstanden zu sein. Nun kommt aber eine eindringliche Warnung – aus Basel-Stadt.

Telefongespräche abhören, Computer durchsuchen, private Wohnungen verwanzen: Der Schweizer Geheimdienst will seine Kompetenzen massiv ausweiten. Der Bundesrat unterstützt die Bestrebungen mit der Vorlage eines neuen Nachrichtendienstgesetzes (NDG). Verteidigungsminster Ueli Maurer (SVP) hat den Gesetzesentwurf im März vorgestellt, bis Ende Monat können Parteien, Kantone und Verbände Stellung nehmen.

In Bundesbern gab es bis jetzt fast nur positive Reaktionen – auch von der SP und der SVP, die in der Vergangenheit immer wieder vor einem ausufernden Staatsschutz gewarnt hatten. Inzwischen sei die Gefahr durch Terror und Cyberangriffe aber so gross, dass ein Ausbau unvermeidlich sei, sagen die Skeptiker von einst.

«Es fehlt die demokratische Legitimation»

Ganz anders sieht man das in Basel-Stadt, wo die Datengier des kantonalen Staatsschutz-Ablegers 2008 erst zu einem Skandal führte und danach zu einer Stärkung der kantonalen Aufsicht über den Nachrichtendienst. Eine Massnahme, die der Bundesrat nun teilweise wieder rückgängig machen will. Das will sich Basel-Stadt aber nicht bieten lassen. Entsprechend kritisch fallen die Stellungnahmen der verschiedenen kantonalen Stellen zum neuen NDG aus.

  • Die Regierung warnt vor «schweren Eingriffe in die Grundrechte», von denen auch unbescholtene Bürger betroffen sein könnten. Für eine solche Kompetenzerweiterung fehle die verfassungsmässige Grundlage und damit die demokratische Legitimation (die ausführliche Stellungnahme kann auf der Rückseite dieses Artikels nachgelesen werden).
  • Das kantonale Kontrollorgan mit Heinrich Koller, dem früheren Direktor des Bundesamtes für Justiz in Bern, dem Staatsrechtler Markus Schefer und der SP-Ständerätin Anita Fetz wird in seiner Stellungnahme aller Voraussicht nach sehr ähnlich argumentieren. Schefer spricht jedenfalls von «drastischen Massnahmen» und warnt vor einem Staatsschutz, der viele Möglichkeiten hat, aber kaum kontrolliert wird.
  • Die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates wehrt sich dagegen, dass ihr die Oberaufsicht über den kantonalen Ableger genommen werden soll – ebenfalls aus Angst vor einem Nachrichtendienst, der in einem «aufsichtsfreien Raum» operieren könne.

Basel steht nicht mehr alleine da

Neu ist diese kritische Haltung nicht. Neu ist aber, dass Basel-Stadt Unterstützung erhält. Zwölf Kantonsparlamente haben die Vernehmlassung bereits genutzt, um ihre Bedenken anzumelden. «Basel ging lange voraus», sagt Andreas Blaser, Berner SP-Grossrat und Präsident der interkantonalen Konferenz, «heute ist die Sensibilisierung auch bei anderen Kantonen grösser.» Noch werden die Fragen nach Grundrechten, nach dem Verhältnis zwischen Staat und Bürger erst vereinzelt gestellt. Das wird sich aber bald ändern, ist die Basler Ständerätin Anita Fetz überzeugt: «Diese Fragen werden noch zu einem echten Thema.» Auch dank Basel.

Mit den Grünen hat am 27. Juni nun doch noch eine erste Partei dezidiert Stellung bezogen gegen das neue Nachrichtendienstgesetz. In ihrer Medienmitteilung ist von einem «Wunschkonzert für den Nachrichtendienst» die Rede. Die  Vorlage gehe viel zu weit und müsse in der jetzigen Form abglehnt werden.

Lesen Sie zum Thema auch den Hintergrundbericht aus unserer Print-Ausgabe und das Dossier zum Thema Überwachung.

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