Während in Basel-Stadt ein drohendes Jagdverbot für Diskussionen sorgt, ist im Kanton Genf die Jagd bereits seit vierzig Jahren verboten. Einzig Wildschweine werden weiterhin geschossen, erzählt der Kantonsverantwortliche Gottlieb Dandliker im Interview.
In Basel tobt ein Streit ums Wild. Ein überparteiliches Komitee rund um Brigitta Gerber (Grünes Bündnis/BastA) fordert in einer Motion ein Jagdverbot für den Kanton Basel-Stadt. Damit sorgen die Politiker bei Jägern und vielen bürgerlichen Politikern für Entrüstung. Die Jäger brauche es, um die Tierpopulationen zu regulieren, argumentieren die Jagdbefürworter einstimmig. Das Gegenteil beweist der Kanton Genf. Seit 1974 herrscht im Westschweizer Kanton ein Jagdverbot. Gottlieb Dandliker, Wildtier-Inspektor des Kantons, berichtet am Dienstagabend im Rahmen eines Vortrags an der Universität Basel über die jahrzehntelange Erfahrung mit dem Jagdverbot.
Herr Dandliker, stehen in Genf die Rehe im Vorgarten?
Nein. Die Zahl der Wildtiere hat in den letzten dreissig Jahren aber stark zugenommen. Es existieren jedoch viele falsche Vorstellungen zur Situation in Genf. Das Jagdverbot in unserem Kanton wurde zu einem Symbol. Für die Jäger war es eine Katastrophe, für die Tierschützer das Paradies. Die Wahrheit liegt wie immer dazwischen.
Welche nachweisbaren Vorteile bringt das Jagdverbot?
Hirsche und Wildschweine sind zurückgekehrt und der Bestand an Wasservögeln und Rehen hat deutlich zugenommen. Wir haben zudem die grösste Hasenpopulation der Schweiz. Waldbesucher treffen auf viel mehr Tiere als früher und sie werden nicht mehr durch den Jagdlärm gestört. Dabei ist das Jagdverbot nicht der einzige Grund für die hohe Zahl an Tieren. Wir haben in der Vergangenheit auch den Naturschutz stetig ausgebaut.
«Die Zahl der Rehe hat zugenommen»
Jagdbefürworter warnen häufig vor explodierenden Tierbeständen. Was sind Ihre Erfahrungen?
Die Zahl der Rehe hat zugenommen, ist aber noch in einem erträglichen Bereich. Die Population der Wasservögel hat sich tatsächlich vervielfacht. Unter anderem, weil sie nicht mehr durch Jäger aufgescheucht werden. Den Bestand der Wildschweinen müssen wir regulieren, damit die Zahl nicht explodiert.
Obwohl die Jagd verboten worden ist, werden noch Tiere geschossen.
Wir beschäftigen dazu zehn Umwelthüter, die sich um verschiedene Aufgaben kümmern. Die Fischerei, die Naturreservate und eben auch die Regulierung der Wildschweine. Pro Jahr schiessen sie rund 300 Tiere. Das Fleisch verkaufen wir übrigens an regionale Metzgereien. Wer also Wildschwein aus den heimischen Wäldern essen will, weiss, wo er es kaufen kann.
Vor vierzig Jahren gab es starken Widerstand gegen das Verbot. Sind die kritischen Stimmen verstummt?
Die Stimmen sind einsam, aber es gibt sie noch. Die Jäger sehen die grossen Tierbestände und bedauern, diese nicht jagen zu können. Die Landwirtschaft beklagt sich wie in anderen Kantonen auch über Schäden durch das Wild. Und ultraliberale Kreise kritisieren, der Kanton übertrete mit dem Verbot seine Zuständigkeit.
«90 Prozent der Bevölkerung unterstützt das Verbot»
Und die breite Bevölkerung?
Vor 39 Jahren wurde die damalige Initiative mit zwei zu eins angenommen. 2006 haben wir eine telefonische Befragung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis zeigt, dass neunzig Prozent der Bevölkerung heute das Verbot unterstützen. Ich gehe also nicht davon aus, dass die Jagd bei uns in kommender Zeit wieder eingeführt wird.
Können Sie ausschliessen, dass die Reh- und Hirschbestände in Zukunft explodieren?
Wir denken sehr pragmatisch. Ausgeschlossen ist nichts. Sollten sich die Bestände stark vermehren, müssten wir eingreifen. Wir wüssten, was wir zu tun hätten und wie, damit die Tiere möglichst ohne Stress und Leid geschossen werden können. Es deutet aber nichts darauf hin, dass das in absehbarer Zeit notwendig sein sollte.