Der Chefredaktor der «Südostschweiz» glaubt, dass die Olympischen Winterspiele 2022 dem «verkrusteten Kanton» neuen Schub geben könnten.
David Sieber kann es eigentlich nur falsch machen. Wie auch immer der Chefredaktor der «Südostschweiz» gewichtet, Gegner und Befürworter der Olympia-Kandidatur werden sich beklagen, sie kämen in der grössten Bündner Zeitung zu wenig zu Wort.
«Am Anfang stilisierten beide Seiten diese Abstimmung zu einer Glaubensfrage hoch. Behauptungen statt Fakten dominierten die Diskussion», sagt Sieber. Das widerstrebte dem ehemaligen Bundeshaus-Journalisten. Er will keine Thesenjournalisten, die schon einmal Fakten ausblenden, damit ihre Geschichten süffig bleiben. Sieber will, dass seine Redaktion möglichst objektiv und sachlich bleibt. Doch die Olympia-Abstimmung ist emotional. Ein Minenfeld, oft. Da wird selbst eine unverfängliche Anfrage der Bündner Wirtschaftsverbände, ob Sieber ein Podium moderieren könne, heikel. Denn Gegner sind keine eingeladen.
Dabei ist die Bevölkerung gespalten, Gegner und Befürworter liegen gleich auf, wie eine Umfrage der Zeitung zeigte. Die Unentschlossenen werden sich wohl wie meistens dagegen entscheiden, nach dem Motto «Im Zweifel nichts Neues». Sieber glaubt, dass das Projekt an der Urne scheitern wird. Mit seiner Redaktion stehe er trotzdem hinter der Kandidatur, aber mit der nötigen journalistischen Distanz: «Wir könnten es uns nicht leisten, opportunistisch einfach auf die mutmasslichen Abstimmungssieger zu setzen. Dann würden wir eine Zeitung ohne Rückgrat machen.»
Herzblut, so wie damals im Kampf gegen das geplante Atomkraftwerk Kaiseraugst, vergiesst der in Oberwil aufgewachsene David Sieber aber diesmal nicht: «Die Olympischen Winterspiele werden kein Allheilmittel für den Tourismus sein, könnten aber einem verhärteten und verkrusteten Kanton neuen Schub geben.»
Viel bedeutender für Graubündens Zukunft sei wohl ohnehin, ob die Stimmbürger der Initiative zustimmen würden, die eine Proporzwahl für den Grossen Rat verlangt, meint Sieber. Und auch hier schlägt sein Herz für das Neue, damit statt gut vernetzter Dorfkönige vermehrt Grossräte gewählt werden, die auch die politische Haltung der Bevölkerung widerspiegeln.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04.01.13