Die Claraturm-Gegner beschiessen weiterhin den Claraturm – und geben all denen Hoffnung, die nicht mehr daran glauben, dass sie mit ihrem Nein zum Turm auch die alten Gebäude am Riehenring retten können.
Gut einen Monat vor der Referendumsabstimmung haben sich die Claraturm-Gegner vehement gegen das vermeintliche Killerargument der Bauherrin UBS ausgesprochen, die alten Häuserreihen am Riehenring würden «auf jeden Fall» abgerissen. Andreas Bernauer, Präsident des Vereins «Referendum gegen des Projekt Claraturm», hält dies für «unverschämte Propaganda». Ausgerechnet der UBS mangle es als Schweizer Unternehmen «mit Vorbildfunktion» an Respekt vor der demokratischen Tradition der Schweiz, sagte Bernauer am Dienstagmorgen gegenüber den Medien.
Die Regierung hätte laut Bernauer die Bevölkerung von Anfang an im «Unwissen» gehalten, um den Glauben zu festigen, «es wird eh alles abgerissen». Es habe sich deshalb eine «gewisse Resignation» bei den Quartierbewohnern ausgebreitet, bis er sich unter grossem Zuspruch der Betroffenen gegen das Vorhaben mit dem Referendum gewehrt habe, sagt er. Noch immer sieht Bernauer Nachholbedarf, was den Informationsstand der Bevölkerung betrifft. Aufholen will er diese Wissenslücke mit zwei Podiumsdiskussionen im alten Warteck und mit einer Nachtführung vom Hotel «Les Trois Rois» zum «historischen Ensemble» am Riehenring.
«Abbruch lässt sich verhindern»
Gründe, warum die Behauptung der UBS «unwahr» sei, lieferten die Claraturm-Gegner auch. Das wohl gewichtigste Argument bringt der Geschäftsführer des Heimatschutzes Basel, Paul Dilitz, vor: Ihm zufolge benötigt ein Neubau stets eine Abbruchbewilligung. Die wiederum könne juristisch angefochten werden. Das «Ensemble Warteck» sei zudem im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) seit dem 15. Mai 2011 als «erhaltenswert» deklariert – ein Umstand, der von den Bauherren und der Stadt beim bisherigen Verfahren «fälschlicherweise» nicht berücksichtigt worden sei. Der Eintrag im ISOS ermögliche dem Heimatschutz, sich im Hinblick auf die allfällige Abbruchbewilligung wieder einzuschalten, sagt Dilitz. Deshalb ist man «überzeugt, dass der Abbruch zu verhindern ist».
Eher auf das Prinzip Hoffnung setzt Dilitz, wenn er darüber spekuliert, dass ein Nein zum Claraturm bei den Projektverantwortlichen eine «Denkpause» zur Folge haben könnte. «Sie werden sich nochmals überlegen müssen, ob es Sinn macht und für ihr Image förderlich ist, gegen eine Mehrheit der Basler Bevölkerung den Neubau durchzuboxen und damit ein Denkmal zu zerstören.» Seine Hoffnung wird von der Geschichte genährt. Beim Märthof-Projekt «Coop am Marktplatz» habe bereits einmal ein Umdenken stattgefunden. Damals habe Coop als Besitzer auf einen Neubau verzichtet und das alte Gebäude «zur Freude aller» lediglich saniert und umgebaut – mit einem «wahnsinnig positivem Imagegewinn», ist Dilitz überzeugt. Solch eine Lösung würde sich der Heimatschutz auch für den aktuellen Fall erhoffen, sagt er.
«Falscher Standort»
Damit wendeten sich die Gegner des Turms weg vom Killerargument der UBS und hin zur Kritik am eigentlichen Claraturm. Dieser wäre aus städteplanerischer Sicht am falschen Standort, hiess es wiederholt. Zwar habe man nicht grundsätzlich etwas dagegen, wenn die Stadt den Wohnraum verdichten wolle. Wenn dies aber ausgerechnet in einem der Quartiere geschehe, das bereits zu den drei «verdichtetsten Quartieren» Basels gehöre, müsse man sich fragen, wer hier noch ganz dicht sei, sagt sinngemäss der Grossrat Urs Müller (BastA!).
Für Dilitz wirkt der gewählte Standort «zufällig». Er sieht die traditionelle Bauweise bedroht, die man vor Ort an der Riehenstrasse ebenso wie in vielen anderen Quartieren antreffe. Es sei «die ideale und bereits stark verdichtete Bauweise» und müsse geschützt werden. Solche sogenannte Blockrandbebauungen aufzubrechen und weiter zu verdichten, dürfe im Sinne der Quartiere «nicht Schule machen».
Dass mit einem Ja zum Claraturm eine Art Präzedenzfall geschaffen würde, befürchtet auch Bernauer, der dabei die kleinen Grundstückeigner im Visier hat. Würde das wiederholt angeführte Argument der Befürworter künftig stets akzeptiert, dass Basel mehr Wohnungen brauche, könne «jeder Grossinvestor das Gleiche für sein Monsterprojekt behaupten». Dabei entstünde jedoch eine «Rechtsungleichheit»: Während die hiesigen Baugesetze für Grossinvestoren offenbar «sehr grosszügig ausgelegt» würden, müssten sich «alle anderen Bauherren» weiterhin «streng an die Baugesetze halten», sagt er.
«Kein Turm für Familien»
Schliesslich stecken für Bernauer hinter dem Projekt «reine Renditeinteressen». Dies «zugunsten eines Bauprojekts, das weder architektonisch, noch städtebaulich, noch energetisch in irgendeiner Weise vorbildlich ist oder positiv hervorsticht». Die Bewohner vor Ort hätten «überhaupt keinen Nutzen von diesem Turm», sagt er, sondern allein die Banken. Durch die Wohnungen im Turm, von denen keiner der Gegner glaubt, dass sie tatsächlich vorwiegend Familien zugute kämen, würden stattdessen die Mietpreise der gesamten Umgebung steigen.
Vom Claraturm selber ist bei der Medienkonferenz namentlich selten die Rede gewesen. Viel lieber sprechen die Gegner von einem «Betonklotz», «Monster» oder «Schandfleck» und füttern damit die Bevölkerung, die bei der Abstimmung vom 24. November das letzte Wort hat, mit Emotionen. Auf diese können die Gegner nicht verzichten. Denn das Portemonnaie für Propagandazwecke ist zu dünn, um alleine damit die Baslerinnen und Basler für den Schutz der alten Gebäude und gegen den Turm zu gewinnen.