Die Lösung im Lohndumpingfall auf der Rocheturm-Baustelle ist gefunden: Roche bezahlt jedem betroffenen Arbeiter sofort 20’000 Franken, sie erhalten zudem eine reguläre Anstellung. Die Gewerkschaft Unia verlagert den Druck auf die politische Ebene.
Sieg für die Unia: Das Pharmaunternehmen Roche geht auf die Forderungen der Gewerkschaft ein, wie der Lohndumpingskandal auf der Baustelle des Rocheturms aus der Welt zu schaffen ist. Das verkündete Unia Nordwestschweiz-Co-Leiter Hansueli Scheidegger heute. Roche hat bereits gestern Dienstag über die Lösung informiert.
Die Lösung sieht folgende Eckpunkte vor:
- Demnach erhalten die rund 30 betroffenen Fassadenbauer des polnischen Subunternehmens Poko AL je 20’000 Franken bar auf die Hand. Insgesamt 500’000 Franken hat die Roche nach Gesprächen mit der Unia gesprochen, die Akonto ausbezahlt werden. Die Roche wird das Geld vom deutschen Unternehmen Gartner zurückfordern, das den Auftrag an die Polen weitergegeben hat. Insgesamt sollen die Fassadenmonteure, die rechtswidrig zum halben Tarif arbeiteten, über eine Million Franken zu wenig Lohn erhalten haben.
- Die Betroffenen werden von der Josef Gartner Switzerland, dem Schweizer Ableger des Fassadenspezialisten, angestellt und bis zum Ende der Bautätigkeit beschäftigt. Der Lohn entspricht dem Baselbieter Gesamtarbeitsvertrag für das Metallbaugewerbe. Laut Scheidegger «zicke Gartner derzeit noch rum» – will heissen: Das Unternehmen will nur einen Teil der Arbeiter anstellen. Ausgerechnet jene Monteure, die sich an die Gewerkschaft gewendet haben, welche den Skandal dann publik machte, sollen nicht beschäftigt werden. Scheidegger rechnet damit, dass sich dieser Konflikt bald aus dem Weg räumen lässt.
- Roche rechnet nach, wie viel Geld den Arbeitern noch zusteht, und sorgt dafür, dass diese den ausstehenden Lohn zügig erhalten.
Im Gegenzug nehmen die Monteure die Arbeit an der Fassade des Roche-Hochhauses wieder auf. Roche wird auch zukünftig den Kontrolleuren der Unia den Zugang zur Grossbaustelle gestatten.
Beachtliche kriminelle Energie
Scheidegger präsentierte auch neue Details zum Lohndumpingskandal. Demnach versuchte die Firma Poko AL mit beträchtlicher krimineller Energie, die Verstösse zu verschleiern. Nach ersten Hinweisen durch die Gewerkschaft verlangte der zuständige Kontrollausschuss, die Baustellenkontrolle Basel (Basko), von Poko die Lohndaten und Arbeitsverträge. Einen Tag nach der Aufforderung legten die Polen gefälschte Papiere vor.
Auf der Baustelle selber soll der polnische Vorarbeiter, der um Übersetzungshilfe gebeten wurde, die Arbeiter instruiert haben, falsche Angaben zu machen. Die Firma wurde mittlerweile von der Roche von der Baustelle verbannt.
In die Pflicht nimmt Scheidegger nun die Behörden. Sie müssten der Josef Gartner GmbH eine empfindliche, sechsstellige Busse auferlegen. Scheidegger sagt, es sei wahrscheinlich, dass die Firma Bescheid wusste über das Vorgehen des polnischen Subunternehmers. Sie müsse deshalb mit einer nationalen Sperre belegt werden. Auch in Genf hat Gartner einen Grossauftrag erhalten «und dort sollen die Zustände noch schlimmer sein», so Scheidegger.
In Basel kommen die Fassadenbauer bei einem weiteren Grossprojekt zum Zug. Der Kanton lässt die Aussenhülle des neuen Biozentrums von Gartner bauen. «Es ist unvorstellbar», sagt Scheidegger, «dass Gartner diesen Auftrag ausführen darf.»
Das Bau- und Verkehrsdepartement teilt auf Anfrage mit, dass die Probleme mit der Roche-Baustelle keinen Einfluss hätte, ausserdem sei der Generalunternehmer zuständig für die Auftragsvergabe und nicht das Departement.
Volksinitiative nach den Sommerferien
Um Lücken im Gesetz zu schliessen, will die Unia Nordwestschweiz nach den Sommerferien eine Volksinitiative gegen Lohndumping lancieren. Diese gibt den Behörden die Möglichkeit, bei dringendem Verdacht auf Lohndumping die Arbeiten auf einer Baustelle zu stoppen. Möglich ist das heute erst, wenn das Basler Amt für Wirtschaft und Arbeit eine Untersuchung beendet hat. Scheidegger zieht einen Vergleich: «Die Polizei kann Verdächtige auch in Untersuchungshaft nehmen, ohne das ein Urteil vorliegt.»