Gratis-Laptops als Flüchtlingshilfe? Was Google mit seiner Spende wirklich bezweckt

Auch Google weiss das: Einem geschenkten Gaul hat noch kaum je einer ins Maul geschaut. Und so wird auch die als Flüchtlingshilfe angepriesene Spende von 25’000 Laptops Abnehmer finden. Doch diese Geräte sind kleine Trojanische Pferde.

Für Google wertvoller als ein Laptop: die Daten seines Nutzers.

(Bild: Nils Fisch)

Auch Google weiss das: Einem geschenkten Gaul hat noch kaum je einer ins Maul geschaut. Und so wird auch die als Flüchtlingshilfe angepriesene Spende von 25’000 Laptops Abnehmer finden. Doch diese Geräte sind kleine Trojanische Pferde.

Jetzt leistet Google auch noch Flüchtlingshilfe. Im Rahmen des «Project Reconnect» stellt der Internetkonzern in den kommenden Monaten Asylbewerbern insgesamt 25’000 Chromebooks mit Chrome-Geräteverwaltung zur Verfügung.

Dazu kooperiert Google mit der Deutschen Telekom und der amerikanischen Nichtregierungsorganisation NetHope. Gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen, die sich für die Flüchtlingshilfe einsetzen, können sich in einem dreistufigen Auswahlprozess für bis zu 5000 der Geräte bewerben.

Nettes Geschäft

Als Erstes wurde in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) ein Internetcafé mit 20 Chromebooks eingerichtet. Mit den Laptops soll Flüchtlingen in Deutschland der Zugang zu Bildungsangeboten und Kontakt zu den Familien erleichtert werden. «Information und Kommunikation sind wesentlich für die Integration. So können wir den geflüchteten Menschen einen Neustart ermöglichen», erklärte Wieland Holfelder, Chefingenieur von Google Deutschland, zum Start des Projekts.

Die Initiative wurde wie ein Heilsversprechen verkündet. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer, wird mit den Worten zitiert: «Ich begrüsse und unterstütze das Engagement von Google und freue mich, dass mit der Bereitstellung von 25’000 Chromebooks ein so wichtiger Schritt gemacht wird.» Google «spendet» fünf Millionen Euro für Flüchtlinge, war in Medienberichten zu lesen. Doch so generös das Projekt klingen mag, so sehr ist es von den Geschäftsinteressen Googles getrieben.

Erprobtes Tracking-Modell

Der Internetkonzern ist vor allem an Daten interessiert. In den USA, wo Google seine ohnehin schon günstigen Laptops unter Einstandspreis (für 99 Dollar) an Schulen verkauft und damit die Konkurrenz von Microsoft und Apple verdrängt hat, werden Schüler über Chromebooks getrackt.

Wie die Datenschutzorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) im Rahmen ihrer Kampagne «Spying on Students» herausfand, ist bei den Schulrechnern in den Standardeinstellungen die Sync-Funktion aktiviert. Damit kann Google jeden Suchbegriff, jede aufgerufene Seite sowie auch Passwörter nachverfolgen und auf seinen Servern speichern. Aus Diensten wie Hangouts, Drive, Docs, Sheets und Slides, die im Rahmen der Google Apps for Education (Gafe) zur Verfügung stehen, leitet Google detaillierte «Verhaltensprofile» ab.

Bildung bedeutet für Google offenkundig keine öffentliche Daseinsvorsorge, sondern zuvorderst ein Geschäftsfeld. Die EFF erhob nach der Überprüfung Beschwerde bei der US-Handelskommission FTC. «Entgegen öffentlicher Bekundungen durchforstet Google die Browserhistorie und andere Informationen der Schüler und nutzt diese für Unternehmenszwecke», kritisierte EFF-Anwalt Nate Cardozo. «Minderjährige sollten nicht getrackt oder als Versuchskaninchen missbraucht werden.»

Das Chromebook-Geschenk wirkt wie ein Trojanisches Pferd: Von aussen nett anzusehen, doch im Innern lauert die Überwachung. 

Die gleiche Frage stellt sich natürlich beim Project Reconnect in Deutschland. Auf Anfrage wollten sich die Verantwortlichen dazu nicht äussern. Doch warum sollte Google einfach so 25’000 Laptops herschenken, wenn es daraus keinen Nutzen zieht? Der Konzern ist profit- und nicht gemeinwohlorientiert. Vor dem Hintergrund der Praxis in den USA würde es nicht verwundern, wenn Google in dem «Internetcafé-Modus», wo auf alle Seiten zugegriffen werden kann, eine Hintertür eingebaut hat, um das Suchverhalten der Nutzer zu tracken.

Aus dieser Warte wirkt das Chromebook-Geschenk wie ein Trojanisches Pferd: Von aussen nett anzusehen, doch im Innern lauert die Überwachung. Man kann das freilich noch weiter zuspitzen: Was ist wichtiger? Die Bildung und Integration der Flüchtlinge – oder der Datenschutz?

Staatsaufgaben gegen Nutzerdaten

Der Staat ist bei der Bewältigung der Flüchtlingsaufgabe schon längst überfordert. Das Project Reconnect, das von Google.org, dem philanthropischen Arm des Unternehmens, finanziert wird, erinnert an Facebooks Internet.org, das Schwellen- und Entwicklungsländer mit kostenlosem Internet versorgen will. Die Nutzer bekommen jedoch nicht das gesamte Netz, sondern nur ein paar Seiten (unter anderen Facebook) – was in Indien zu landesweiten Protesten führte.

Die Internetkonzerne schicken sich an, mehr und mehr Aufgaben des Wohlfahrtstaates zu übernehmen. Es scheint sich dabei eine neue Art der Sozialstaatlichkeit herauszuschälen: Ein Zero-Rating-Modell, bei dem die Leistungen vordergründig kostenfrei sind, aber statt Steuern oder Abgaben mit Daten bezahlt wird – gemäss dem geflügelten Wort: If you are not paying the product you are the product (zu Deutsch: Bezahlst du nicht für das Produkt, bist du selbst das Produkt).

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