Grüner Landrat will «legales Schwänzen» abschaffen

    Frei nehmen, wann man will: Viele Schüler haben variable Ferientage, können bis zu fünf Mal im Jahr den «Joker» ziehen. Im Baselbiet ändert sich das möglicherweise bald. Niemand soll mehr unbegründet fehlen dürfen, fordert der Grüne Landrat Jürg Wiedemann.

    Keine Lust auf Pauken: An etlichen Schulen in beiden Basel können Schüler einen «Jokertag» einlösen, wenn sie dem Unterricht fernbleiben wollen. (Bild: Hansjörg Walter)

    Frei nehmen, wann man will: Viele Schüler haben variable Ferientage, können bis zu fünf Mal im Jahr den «Joker» ziehen. Im Baselbiet ändert sich das möglicherweise bald. Niemand soll mehr unbegründet fehlen dürfen, fordert der Grüne Landrat Jürg Wiedemann.

    Ohne Begründung in der Mathestunde fehlen – die sogenannten Jokertage machen das möglich. Bis zu fünf Tage dürfen Baselbieter Schüler je nach Schulregelung ohne Entschuldigung dem Unterricht fernbleiben, so will es das kantonale Bildungsgesetz.

    Die Idee hinter dem Modell ist, jungen Menschen Freiraum zu geben, damit sie ihre ganz persönlichen Interessen verwirklichen können. Der Sonderurlaub bietet ihnen die Chance, an einem Sportturnier im Ausland teilzunehmen, Freunden die Stadt zu zeigen, eine Fortbildung zu machen oder Vieles mehr.

    Jürg Wiedemann, Landrat der Grünen im Baselbiet und Mitglied des Komitees Starke Schule Baselland, will die Jokertage jetzt abschaffen. Das Modell sei unsinnig, heisst es in einer Motion, die seine Fraktion dem Regierungsrat vorgelegt hat. «Schüler missbrauchen die Tage immer häufiger, um einfach im Bett zu bleiben oder Prüfungen zu umgehen», sagte Wiedemann der TagesWoche.

    Schwänzen bei Abschlussprüfungen

    Besonders deutlich werde das dem Politiker zufolge kurz vor Notenabschluss: Wenn letzte Prüfungen auf dem Plan stünden, fehle manchmal die halbe Klasse. Zwar müssen versäumte Tests in den meisten Fällen nachgeholt werden, zum Schuljahresende sei das aber nicht immer organisierbar. Die Drückeberger vermeiden dann erfolgreich, dass eine Arbeit noch in ihr Zeugnis einfliesst.

    «Es geht nicht darum, den Schülern Ferientage wegzunehmen», betont Wiedemann. Unabhängig von den Jokertagen könnten begründete Urlaubsgesuche jederzeit von den Lehrern, ab einer Dauer von zwei Tagen von der Schulleitung bewilligt werden. «Meine Erfahrung ist, dass die Schulen recht wohlwollend sind, nicht nur bei Beerdigungen, sondern auch, wenn zum Beispiel jemand ein Konzert in einer anderen Stadt besuchen möchte.» Wiedemann ist selber Lehrer einer progymnasialen Klasse. «Aber das legale Schwänzen muss ein Ende haben.»

    Die Regelungen sind uneinheitlich

    Viele Schulen scheinen die variablen Ferientage ähnlich kritisch zu sehen, haben sie deshalb praktisch schon abgeschafft. Laut Bildungsgesetz legen die Schulräte die Anzahl der möglichen Jokertage fest. Etliche von ihnen haben sich längst auf die Ziffer Null geeinigt. Wie so oft sind die Regelungen also uneinheitlich. Auch in Basel-Stadt profitieren einige Schüler von der Zusatzfreizeit, die unter dem Begriff «Familienurlaub» läuft, andere nicht. In den Nachbarländern kennt man das Modell überhaupt nicht.

    Dass sein Vorstoss Erfolg hat, dafür sieht Jürg Wiedemann gute Chancen: Der rechte Flügel der Grünen steht hinter ihm, mit ihm haben die beiden Landratskollegen Hans Furer (GLP) und Paul Wenger (SVP), letzterer ebenfalls Lehrer, die Motion unterschrieben. «Ich denke, dass das keine Frage von Links und Rechts ist, sondern ein Thema, das alle Fraktionen spaltet», sagt Wiedemann.

    Unter den Eltern haben die Jokertage durchaus Befürworter, weil Omas Geburtstag dann gemeinsam gefeiert werden kann oder auch der Skiurlaub sich so um ein, zwei Tage verlängern lässt. Ein Problem seien aber die Eltern in bildungsfernen Schichten, moniert Wiedemann. Sie liessen oft leichtfertig zu, dass Jokertage eingelöst werden, weil Schule für sie «keinen hohen Stellenwert hat».

    Basel-Stadt hält an Joker fest

    Im Kanton Basel-Stadt gebe es derzeit noch keine Überlegungen, den Sonderurlaub für Schüler gänzlich aus der Verfassung zu streichen, teilte der Leiter des Erziehungsdepartements, Hans Georg Signer, auf Nachfrage mit. Wenn Baselland Ernst macht mit der Abschaffung, ändert sich das womöglich.

    Artikelgeschichte

    In einer früheren Version dieses Artikels konnte der Eindruck entstehen, Landrat Furer sei von Beruf Lehrer. Das ist er nicht, er ist Rechtsanwalt.

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