Gute Arbeit, Männer!

Bundesrat, Regierungsräte, das Volk: An diesem Wochenende feiern sie alle den Zivilschutz. Das weckte auch in mir einige Erinnerung. Darum hier eine Art persönliche Würdigung zum 50-Jahr-Jubiläum des Zivilschutzes.

Harte Arbeit und immer neue Katastrophen: Show-Übung bei Genf zum 50-Jahr-Jubiläum des Zivilschutzes. (Bild: Keystone)

Bundesrat, Regierungsräte, das Volk: An diesem Wochenende feiern sie alle den Zivilschutz. Das weckte auch in mir einige Erinnerung. Darum hier eine Art persönliche Würdigung zum 50-Jahr-Jubiläum des Zivilschutzes.

Ich hatte den perfekten Start. Noch bevor ich auch nur eine Minute Dienst geleistet hatte, wurde ich zum Schutzraumchef berufen. Die Freude war gross, auch wenn ich mich kurz fragte, wie ich diese Ehre verdiente hatte. Die Antwort hatte ich aber bald gefunden: Wahrscheinlich bin ich zum Schutzraumchef geboren worden, nun, endlich, wurde das auch amtlich anerkannt.

Interessant war auch mein erster Diensttag. Ich lernte – erstens, dass der Zivilschutz in ganz, ganz vielen Situationen sehr, sehr wichtig ist (in welchen Situationen genau, habe ich leider vergessen). Zweitens, dass auch ein Schutzraumchef sehr wichtig ist (was sich bei einem Chef ja eigentlich fast von selbst erklärt).

Weiter ging es mit taktischen Fragen. Bei der letzten Übung hatte die Truppe den Fehler gemacht, sich zu häufig in den Dorfbeizen blicken zu lassen. Diese Zivilschützer sind doch faule Kerle, hiess es danach im Dorf. Die sitzen nur rum und trinken Bier. Helfen werden die garantiert nie jemanden – ausser vielleicht den Beizern, die auf solche Gäste angewiesen sind.

Taktische Flexibilität

Diese Behauptungen waren eine Frechheit, wenn man bedenkt, was die Mannen neben den kurzen Pausen alles geleistet hatten. Aber das war den meisten Leuten im Dorf natürlich egal; ihre Feindseligkeiten gingen weiter. Als aufrechter Zivilschützer hätte man verzweifeln können. Das tat unser Instruktor aber selbstverständlich nicht. Wie jeder gute Stratege analysierte er erst die Lage und nahm danach die nötigen taktischen Veränderungen vor. «Ab sofort geht ihr in den Pausen nur noch im Nachbardorf in die Beiz», erklärte er uns.

Theoretisch eine geniale Idee, praktisch aber leider kaum umsetzbar, wie ich und die meisten meiner Kameraden zuerst dachten. Weil es für einen Ettinger nur sehr, sehr schwer vorstellbar ist, in Therwil sein Bier zu trinken. Mit jeder weiteren Pause und jedem zusätzlichen Bier überzeugte uns die neue Taktik aber immer mehr, auch wenn uns die ganze Übung einiges abverlangte, nicht nur wegen diesem ständigen Hin und Her zwischen Ettingen und Therwil. Das fast noch grössere Problem war, dass die Pausen und die Einsätze quasi fliessend ineinander übergingen. Unsere Aufgabe war es, eine ganze Reihe von Schutzräumen in Privathäusern zu kontrollieren. Und für jeden Keller bekamen wir eine umfangreiche Mängelliste, fein säuberlich zusammengestellt von ein paar Kameraden, die ein paar Monate zuvor die gleiche Tour gemacht hatten.

Uns geborenen Schutzraumchefs reichte meistens ein Blick, um zu erkennen, dass die Mängel noch genau die gleichen waren wie bei der letzten Kontrolle. Und dass die Keller auch noch bei der nächsten und übernächsten und überübernächsten Kontrolle höchstens als Weinkeller taugen werden. Darum gingen wir dann auch schon bald zum gemütlichen Teil über. Der eine oder andere lud uns zu einem Gläschen Wein ein, aus Mitleid, damit wir nicht noch häufiger hin und her fahren mussten zwischen Ettingen und Therwil.

Weitere Katastrophen

Es war eine berauschende Übung und auch der Instruktor war hochzufrieden: «Gute Arbeit, Männer! Jetzt kann uns niemand mehr ein Vorwurf machen.» Die Kameraden murmelten zustimmend, was mich dazu animierte, aufzustehen und im Namen der gesamten Mannschaft meine Dankbarkeit auszudrücken für diese aussergewöhnliche Erfahrung, die mit Arbeit im eigentlichen Sinn ja tatsächlich nicht sehr viel zu tun hatte.

Ich hätte wohl lieber nichts gesagt, wie mir beim Donnerwetter des Instruktors bald einmal klar wurde. Und allmählich ahnte ich auch, dass ich wahrscheinlich doch nicht als Schutzraumchef geboren wurde und – schlimmer noch – auch garantiert nicht als Schutzraumchef sterben werde.

So kam es denn auch. Das nächste Aufgebot erhielt ich als gewöhnlicher Sanitäter.

Und nach ein paar weiteren kleineren Katastrophen (Proband im Trümmerfeld liegen lassen, bis dieser einschlief; Vorhänge im Altersheim falsch aufgehängt; Bahre falsch zusammegesetzt) hörte ich gar nichts mehr. Und irgendwie habe ich die Schreiben auch gar nicht vermisst. Weil der Zivilschutz einfach zu gut für mich ist.

Herzliche Gratulation zum Jubiläum!

Der Zivilschutz hat nicht überall den besten Ruf. Gleichzeitig ist der Bevölkerungsschutz aber immer wieder im Einsatz, wenn Hilfe dringend nötig ist. Nach Überschwemmungen und heftigen Winden zum Beispiel. Nun würde uns interessieren, welche Erfahrungen Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit dem Zivilschutz gemacht haben. Ist die Truppe tatsächlich weltweit so einzigartig und so wichtig, wie Verteidigungsminster Ueli Maurer bei den Jubiläumsfeierlichkeiten auf dem Bundesplatz gesagt hat? Oder war das eine arge Übertreibung? Schreiben Sie Ihre Meinung – in der Kommentarspalte oder an community@tageswoche.ch.

In der Region wurde das 50-Jahr-Jubiläum des Schweizerischen Zivilschutzes am Samstag auf der Kraftwerksinsel in Birsfelden begangen.

 

 

 

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