Weil er Präsident Erdogan beleidigt haben soll, wird er per Haftbefehl gesucht. Nun ist Hakan Sükür, der prominenteste türkische Fussballstar, von seinem Klub Galatasaray Instanbul ausgeschlossen worden, da sich der 45-Jährige zur Gülen-Bewegung bekennt. Eine Geschichte über den zunehmenden politischen Druck auf den Sport in der Türkei.
Am vergangenen Samstag schloss der hochverschuldete Sportverein Galatasaray Istanbul auf einer Mitgliederversammlung 2700 Mitglieder aus, die seit sechs Jahren ihre Jahresbeiträge nicht bezahlt hatten. Andere Mitglieder wurden auf dieser Versammlung ausgeschlossen, weil sie Verbindungen zu der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen haben sollen. Die AKP-Regierung und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan machen diese für den gescheiterten Putschversuch im vergangenen Juli verantwortlich.
Aus dem Galatasaray Spor Kulübü wurden deswegen so bekannte Persönlichkeiten verbannt wie der inhaftierte ehemalige Gouverneur von Istanbul, Hüseyin Avni Mutlu, oder der ehemalige Staatsanwalt Zekeriya Öz, der die Ergenekon-Ermittlungen und jene im Fussball-Manipulationsskandal von 2011 geleitet hatte.
Klubleitung setzt sich über Mitgliedervotum hinweg
Die beiden Fussball-Legenden Hakan Sükür und Arif Erdem aus ihrem Klub auszuschliessen, ging den Mitgliedern des einst an einem französischen Gymnasium gegründeten Klubs aber zu weit. Schliesslich, so ein Mitglied laut Medienberichten bei der Aussprache, habe das Volk auch der Regierung, die seit 15 Jahren dieses Land regiert, die Beziehungen zur Gülen-Bewegung verziehen. Galatasaray bestehe aus Menschen, die sich grundsätzlich für den Laizismus und die säkulare Republik in der Türkei einsetzten, niemand könne den Klub einer Randgruppe zuordnen, nur weil zwei oder drei Fussballer in jungen Jahren mit einer Sekte sympathisierten.
Nach der Abstimmung der Mitglieder am Samstag blieben Hakan Sükür und Arif Erdem weiter Mitglieder ihres Klubs. Am Sonntagabend aber gab der Klub in zwei Zeilen auf seiner Website bekannt, dass den beiden ehemaligen Nationalspielern doch die Mitgliedschaft entzogen worden sei.
Der Druck der Politik auf den Sport nimmt zu
Dass Sport nichts mit Politik zu tun habe, ist seit jeher ein grosses Märchen der Mächtigen überall auf der Welt. In der Türkei aber nimmt der Einfluss der Politik auf den Sport immer mehr zu. Am Sonntag hatte Sportminister Akif Cagatay Kilic Galatasaray in Bezug auf die weitere Mitgliedschaft von Sükür und Erdem gedroht: Das Management des Klubs müsse umgehend handeln und diesen Fehler beheben.
Auch der stellvertretende Premierminister Veysi Kaynak setzte in einem Interview mit dem TV-Sender «CNN Türk» den Galatasaray-Vorstand unter Druck, er sagte: Der Klub habe Menschen ausgeschlossen, die nicht so klar der Gülen-Bewegung wie Hakan Sükür zuzuordnen sind. Wenn Galatasaray aber eine Symbol-Figur der Gülen-Bewegung wie Hakan Sükür beschütze, werde sie den Klub ruinieren.
Dass das Mitgliedervotum vom Samstag dem Vorstand so schnell nicht mehr als bindend erschien, macht nach den Einlassungen der Regierungs-Politiker den Einfluss der Politik auf die Entwicklungen im Sport deutlich. Sportminister Kilic erklärte nach dem Ausschluss zufrieden: «Galatasaray tat das Richtige, weil in unseren Klubs kein Platz für jene ist, die sagen, sie sind mit den Verrätern der Menschen, des Landes und des Staates.» Als Gülen und Erdogan noch Partner waren, galt Sükürs Einzug ins Parlament auf dem Ticket der AKP im Jahr 2011 als Symbol der Allianz zwischen islamisch-konservativer Regierung und der Gülen-Bewegung.
Hakan Sükür – der Fussball-König
Hakan Sükür ist der bekannteste Fussballer der Türkei und mit 51 Toren in 112 Länderspielen Rekordtorschütze der Nationalmannschaft. Den Mittelstürmer Sükür nannten die Fans ehrfurchtsvoll «Kral» (König), im Jahr 2000 führte er Galatasaray zum Uefa-Cup-Gewinn – bis heute der einzige Europapokalsieg einer türkischen Mannschaft.
Den Sieg im Elfmeterschiessen gegen den FC Arsenal feierten auf der Tribüne in Kopenhagen damals 200 Abgeordnete und zwölf Minister, die parlamentarische Woche in der Türkei war unterbrochen. Zwei Jahre später feierte die Nationalmannschaft bei der WM in Japan und Südkorea mit dem dritten Platz den grössten Erfolg ihrer Geschichte, Sükür, «der Bulle vom Bosporus», war einer der Protagonisten. Acht Mal feierte er mit Galatasaray die türkische Meisterschaft.
Hakan Sükür – der Politiker
Doch der Fall vom Volkshelden zum Verräter begann im Dezember 2013, als Sükür aus der AKP austrat. Dies machte das Zerwürfnis zwischen Erdogan und Gülen öffentlich, Sükür warf der AKP «feindliche Schritte» gegen die Gülen-Bewegung vor. Einher ging diese Entwicklung damals mit Korruptionsvorwürfen gegen Mitglieder der Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Erdogan, Erdogan selbst und dessen Sohn Bilal.
Erdogan stellte dies als «Verschwörung» der Gülen-Bewegung dar, Hunderte Beamte aus dem Justiz- und Polizeiapparat wurden versetzt. Gesetze wurden geändert, Telefongespräche zählten vor Gericht nicht mehr als Beweis. Davon profitierten auch die Verurteilten im Fussball-Manipulationsskandal, der neu aufgerollt wurde. Urteile – wie das gegen Aziz Yildirim, den Präsidenten von Fenerbahce Istanbul, – wurden wieder kassiert.
Yildirim war ursprünglich wegen der «Bildung einer kriminellen Bande» zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, er stellt den Manipulationsskandal als «Verschwörung der Gülen-Bewegung» dar.
Vom Helden zum Verfemten
Hakan Sükür war fortan ein Verfemter, im Februar 2016 wurde er wegen Präsidentenbeleidigung angeklagt. Er soll Staatspräsident Erdogan und dessen Sohn Bilal via Twitter beleidigt haben, Sükür dementierte das. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 wird der ehemalige Fussballstar in der Türkei per Haftbefehl gesucht, als Gülen-Anhänger ist er für die türkische Justiz «Mitglied einer bewaffneten Terrororganisation».
Sükür soll sich in den USA aufhalten. Seit Montag ist der ehemalige Volksheld in der Heimat nun auch nicht mehr Mitglied bei seinem Verein Galatasaray.