20’000 Arbeiter bauen im Eiltempo die 72 Kilometer lange Wasserstrasse zwischen dem Roten und dem Mittelmeer aus. Der neue Kanal soll das Herzstück einer gigantischen Wirtschaftszone werden. Ein Augenschein vor Ort.
Der Suezkanal zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer.(Wikipedia/CC)
Vor drei Monaten war hier nichts als Wüste. Jetzt fahren die ersten Versorgungsschiffe durch einen zehn Meter tiefen Servicekanal in ein Teilstück des neuen Suez-Kanals. Vor wenigen Tagen erst wurde dieser Bauabschnitt geflutet. Beim Zusammenfluss ankert ein Hotelschiff, in dem Bauarbeiter untergebracht sind.
An Land, auf den Kuppen der steilen Böschungen, bewegen Dutzende Bagger und Lastwagen Tonnen von Sand. Im Wasser wird mit riesigen schwimmenden Baggerschiffen – den Dredgers – die Rinne so weit ausgehoben, dass Schiffe mit 66 Fuss (etwas mehr als 20 Metern) Tiefgang passieren können. Um die Ufer zu stabilisieren, werden die Kanalränder später mit Platten aus Steinbrüchen im Sinai verkleidet.
Ein Teil der Arbeiter ist im Hotelschiff untergebracht. (Bild: Astrid Frefel)
Gebaut wird in sechs Abschnitten gleichzeitig. Die Zeit drängt. Das Eröffnungsdatum im Sommer steht schon fest. Bei der pompösen Feier zur Lancierung dieses Projektes am 5. August 2014 hatte Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi einen Finger in die Höhe gestreckt und den Befehl erteilt, die Arbeiten in einem Jahr abzuschliessen und nicht wie geplant in drei Jahren. Seither verfolgt er regelmässig den Baufortschritt.
Kurzfristig mussten mehr Firmen aufgeboten werden. Über die Kostenfolgen schweigen sich die Verantwortlichen der Suez-Kanal-Behörde in Ismailia aus. Derzeit arbeiten 20’000 Menschen auf der gigantischen Baustelle, die täglich 20 Stunden in Betrieb ist. Nicht immer geht alles glatt.
Der Suez-Kanal ist eine wichtige Arterie für den Welthandel, da seine Passage die Fahrtzeiten der gigantischen Frachtschiffe um mehrere Tage verringert. Von den heutigen Öltankern können 62 Prozent, den Bulkschiffe genannten Frachtern für loses Massengut 94 Prozent und von den Containerschiffen, die 400 Meter lang sind und über 18’000 Container fassen, sämtliche diese Abkürzung benützen. Mamish nennt deshalb den Kanal ein Geschenk der Ägypter an die Welt.
Ein Geschenk Ägyptens an die Welt: Auch die grössten Schiffe können durch den Suez-Kanal fahren. (Bild: Astrid Frefel)
Er ist aber auch ein Geschenk an die Ägypter. Für die Finanzierung konnten sie Zertifikate mit einem Zins von 12,5 Prozent zeichnen. In zehn Tagen waren sie ausverkauft. Das Projekt verschlingt 8,2 Milliarden Dollar, davon vier Milliarden für sechs neue Tunnels, mit denen für Strasse und Schiene die Verbindung mit der Sinai-Halbinsel hergestellt wird.
Millionen von Tonnen Sand werden auch an Land verschoben. Geplant ist auch ein riesiges Logistikzenter. (Bild: Astrid Frefel)
Um den Suez-Kanal wurden im Laufe der Geschichte auch Kriege geführt. Ausgehend vom neuen Kanal soll jetzt, so Admiral Mamish, ein «Entwicklungskrieg» geführt und ein weltweit führendes Logistikzentrum geschaffen werden.
In der Region des Kanals von Suez bis Port Said hat die Realisierung eines gigantischen Entwicklungsprojektes begonnen. Es umfasst mehrere Häfen und Industriezonen, aber auch Tourismuseinrichtungen und soll nach der Vollendung Jobs für eine Million Menschen bringen. Für dieses Vorhaben werden noch Investoren in der ganzen Welt gesucht.
- Länge: 193,3 Kilometer
- Breite (Süd): 280 Meter
- Breite (Nord): 345 Meter
- Tiefe: 24 Meter
- Schiffspassagen (2010): 17’993
- Schiffspassagen pro Tag (2010): 49
- Fracht in Millionen Tonnen (2010): 846
Eine schöne Auswahl an Bildern, alten Karten und alten Plänen sind bei Wikipedia einsehbar.