Der Basler Baudirektor Hans-Peter Wessels über den Ärger mit dem neuen Verkehrskonzept für die Innenstadt, Medienkampagnen – und wie es nach den Vorstössen von Grossräten gegen das Verkehrsregime konkret weitergehen soll.
Herr Wessels, seit Monaten hagelt es unablässig Proteste gegen Ihr Verkehrskonzept für die Basler Innenstadt. Laut «Basler Zeitung» haben Sie nun auch noch eine Klage wegen des Parkplatzregimes am Hals – weil in gewissen Quartieren mehr Anwohnerparkkarten verkauft werden, als es Parkplätze gibt.
Hans-Peter Wessels: Diese Parkkarten-Geschichte ist doch arg an den Haaren herbeigezogen. Auch in anderen Städten werden mehr Anwohnerparkkarten verkauft, als es blaue Parkplätze gibt. Dort hat man keinerlei Probleme damit. Wenn nun eine «Basler Zeitung» dieses Thema so gross aufmacht, dann ist das in erster Linie ein Problem für die Leserschaft, die von ihrer Zeitung nicht ernst genommen wird.
Aber es ist doch auch ein Problem für Leute, die eine Anwohnerparkkarte gekauft haben und in ihrem Quartier dann keinen freien Platz finden?
Anwohnerparkkarten werden in Basel seit Jahrzehnten verkauft. Neu ist, dass die Zahl der blauen Parkplätze, auf denen man mit diesen Karten unbeschränkt parkieren kann, auf Kosten der weissen Parkplätze erhöht wird. Das Angebot für Kartenbesitzer erhöht sich also deutlich. Wer daraus nun ein Problem konstruiert, verdreht schlicht die Tatsachen.
Es fällt auf, dass das neue Verkehrskonzept am Anfang, als Sie es zusammen mit Pro Innerstadt zum ersten Mal präsentierten, recht positiv aufgenommen wurde. Die gehäufte Kritik kam erst später. Wie erklären Sie sich diesen Stimmungsumschwung?
Früher wehrten sich Pro Innerstadt und der Gewerbeverband mit Händen und Füssen gegen eine fussgängerfreundliche Innenstadt – mit Erfolg. In der Zwischenzeit setzte sich aber auch in diesen Kreisen die Erkenntnis durch, dass man damit den Geschäften in der Innenstadt Schaden zufügte. Jetzt stehen diese Organisationen grundsätzlich hinter dem Konzept – selbstverständlich nicht ohne Bedenken, was Details in der Umsetzung betrifft. Natürlich gibt es Ängste, wie sich das Konzept in bestimmten Fällen konkret auswirken wird. Diese Ängste muss man, wenn es nicht um künstlich überhöhte Probleme geht, ernst nehmen, man muss ihnen begegnen.
Es ist ja vor allem das Gewerbe, das sich Sorgen macht.
Ja, und ich begrüsse es, dass sich der Gewerbeverband nun aktiv in die Debatte einbringt, nachdem er sich lange Zeit passiv verhalten hat. Es wäre um einiges einfacher gewesen, wenn der Gewerbeverband seine konkreten Änderungsvorschläge schon vor drei Jahren eingebracht hätte, als das Verkehrskonzept im Grossen Rat behandelt wurde. Zum Beispiel der Vorschlag, die Anlieferungszeiten etwas auszudehnen. Das sind minimale Anpassungen, die dem Verkehrskonzept als Ganzem keinen Schaden zufügen. Wenn man damit Bedürfnissen des Gewerbes Rechnung tragen kann, haben wir keine Probleme, Anpassungen vorzunehmen.
Nach parlamentarischen Vorstössen, die Grossrätinnen und Grossräte von links bis rechts unter der Federführung des Gewerbeverbands lancierten, haben Sie beschlossen, mit der Umsetzung des Konzepts bis nach den Sommerferien zu warten. Können die Gewerbler also auf eine Entschärfung des Verkehrsregimes hoffen?
Mein Regierungsratskollege Baschi Dürr und ich – wir beide sind die federführenden Departementsvorsteher in dieser Sache – sind selbstverständlich bereit, uns mit diesen Vorstössen zu befassen und das Verkehrskonzept dort anzupassen, wo es sinnvoll ist und der Grosse Rat dies wünscht.
«Es wäre um einiges einfacher gewesen, wenn der Gewerbeverband seine konkreten Änderungsvorschläge schon vor drei Jahren eingebracht hätte.»
Konnten Sie diese strittigen Punkte denn nicht selber voraussehen? Zum Beispiel das Blumengeschäft in der Innenstadt, das die Blumen nicht mehr ausliefern kann?
Kommt darauf an, wie man diese Punkte einordnet. Unser Verkehrskonzept entspricht im Grossen und Ganzen dem, was andere Städte bereits realisiert haben und sich trotz der Bedenken des Gewerbes, die sich natürlich auch an diesen Orten äusserten, bewähren konnte. Wir haben die fussgängerfreundliche Innenstadt ja nicht neu erfunden. Natürlich soll auch das Gewerbe von einer attraktiven Innenstadt profitieren können. Wenn dafür kleinere Anpassungen nötig sind, steht dem im Prinzip nichts im Weg. Und man darf nicht vergessen, dass wir aus einer Situation heraustreten, die davon geprägt war, dass in der Verkehrspolitik vieles über Jahrzehnte hinweg blockiert war. In Basel standen sich zwei unversöhnliche Blöcke gegenüber, die wenig kompromissbereit waren, das bricht jetzt trotz der geäusserten Kritik langsam auf. Selbst der Gewerbeverband ist im Grundsatz für das neue Verkehrskonzept. Insofern begrüsse ich es sehr, dass wir ihn als konstruktiven Gesprächspartner gewinnen konnten.
Warum mussten wir in Basel so viel länger als anderswo auf eine fussgängerfreundliche Innenstadt warten?
Basel hatte anders als andere Städte bis vor zwei Legislaturen eine bürgerlich dominierte Regierung. Das Parlament ist immer noch mehrheitlich bürgerlich. Städte mit fortschrittlicheren Mehrheiten konnten schneller vorwärtsmachen, während in Basel lange Zeit eine einseitig autofreundliche Politik gemacht wurde. Wir haben Nachholbedarf. Auch beim Tramnetz: Hier liegt eine gut 70-jährige Stagnationsphase hinter uns. Jetzt sind wir dabei, wieder neue Tramlinien zu bauen, über die Grenzen nach Deutschland und – hoffentlich – auch nach Frankreich. Wir unternehmen auch konkrete Schritte in Richtung einer leistungsfähigen S-Bahn, wie es dies in anderen Agglomerationen längst gibt. Gegenüber Zürich sind wir bei der S-Bahn 30 bis 40 Jahre im Rückstand.
In ihren Vorstössen verlangen die Grossräten unter anderem freie Fahrt für ansässige Gewerbebetriebe, eine Konzession für Kurierdienste, ein neues Gebührensystem sowie Zufahrtspoller. Wir stehen sie diesen geforderten Nachbesserungen des Verkehrskonzepts gegenüber?
Wenn der Grosse Rat die Vorstösse an die Regierung überweist und davon ist auszugehen, dann werden wir sie gerne prüfen. Es gibt auch eine Begleitgruppe für die Umsetzung, in der neben unseren Departementen auch der Gewerbeverband Einsitz hat. Die Begleitgruppe befasst sich ohnehin schon mit diesen Punkten. Innenstadtgeschäfte, die verderbliche Waren transportieren müssen, sollen natürlich weiter zufahren können. Die Zufahrtsbewilligung für produzierende Gewerbebetriebe müssen im Einzelfall beurteilt werden. Wie oft im Leben zeigt sich der Teufel erst im Detail, offenbaren sich gewisse Probleme also erst bei der konkreten Umsetzung des Konzepts. Im Hinblick auf die Umsetzung befassen sich die Kolleginnen und Kollegen des Justiz- und Sicherheitsdepartements aktuell mit zahlreichen dieser Details und leisten dabei sehr gute Arbeit.
Die Rheingasse ist dabei aber ein Wackelkandidat. Es werden ja Unterschriften gegen eine Sperrung der Mittleren Brücke gesammelt, was auch Einfluss auf die Rheingasse haben würde. Wird auch die Mittlere Brücke gesperrt – oder hat die Aussicht auf eine mögliche Volksabstimmung eine aufschiebende Wirkung?
Wir haben die Umsetzung wegen der erwähnten parlamentarischen Vorstösse auf den Zeitpunkt nach den Sommerferien verschoben. Wenn wir die Forderungen einfliessen lassen, muss der Grosse Rat noch einmal darüber diskutieren können, weil es sich ja um ein Konzept handelt, dessen Leitplanken vom Parlament beschlossen wurden. Danach wollen wir das Verkehrskonzept so rasch wie möglich umsetzen – selbstverständlich, ohne das Kleinbasel zu benachteiligen. Unter Einbezug Mittleren Brücke also.