Hans Rudolf Gysin, der eigentliche König des Baselbiets, zelebriert in der Sankt Jakobshalle seinen Abschied. Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Regierungsrätin Sabine Pegoraro und hunderte geladene Gäste machten Hans Rudolf dem Grossen ihre Aufwartung.
Er kam, sah und ging.
Irgendwie schien an diesem «Tag der Wirtschaft», der eigentlich ein Abend, ein Abschiedsabend, für Hans Rudolf Gysin war, selbst die Sankt Jakobshalle eine Schuhnummer zu klein zu sein; trotz doppelt aufgezogener Grossleinwand und hunderter geladener Gäste. Die Baselbieter Regierung machte Gysin gleich in Corpore ihre Aufwartung, bis auf den – krankheitshalber – abwesenden Volkswirtschaftsdirektor Peter Zwick. Gysins Nachfolger Christoph Buser, Regierungsrätin Sabine Pegoraro und Bundesrat Johann Schneider Ammann referierten zwar zum Thema Wirschaftsförderung, doch das war an diesem Abend für einmal nur Nebenschauplatz. Es ging um ihn, Hans Rudolf Gysin, auch HRG genannt.
Für den ehemaligen FDP-Nationalrat war den Gästen keine Superlative zu peinlich, kein Geschenk zu symbolisch. Die Wirtschaftskammer schenkte ihrem Direktor zum Abschied eine Reise in die USA zum Präsidentschaftswahlkampf. Selbstverständlich inklusive Treffen von wichtigen Entscheidungsträgern und anderen Mächtigen, ganz auf der Augenhöhe des Chefs eben.
Die Regierung schenkte einen goldenen Kugelschreiber
Das überflüssigste Geschenk übergab die Baselbieter Regierungrätin Sabine Pegoraro, (Regierungspräsidentin, wie sie an diesem Abend angekündigt wurde): einen goldenen Kugelschreiber, «vergoldet», wie sie präzisierte. Denselben benutzen angeblich auch die Regierungsräte. Über dieses Amt ist Gysin längst hinweg, er ist nicht nur der sechste Baselbieter Regierungsrat, wie Peter Knechtli von Onlinereports in seinem lesenswerten XXL-Porträt treffend analysiert, er hat vielmehr die Baselbieter Politik stärker geprägt als jeder amtierende Regierungsrat der letzten dreissig Jahre. Seine wohl wichtigste Begabung sei es, Netzwerke zu bilden, seinen Seilschaften das Gefühl von Bedeutung zu verleihen und Abhängigkeiten zu schaffen, schreibt Knechtli.
Als ob Gysins Untergebene von der Wirtschaftskammer die Aussage noch unterstreichen wollen, bekam Gysin zum Andenken auch noch ein auf eine Eisenbahnschiene genageltes Ei mit der Innschrift: «Du hast das Unmögliche möglich gemacht.» Mehr geht nicht. Das schafft sonst nur noch Gott oder Jesus oder eben Gysin. Kein Wunder, dass ihn all die Rednerinnen und Redner mit «lieber Hans Ruedi» ansprachen. Das holte ihn zurück auf den Boden, machte ihn wieder menschlich. Einer von uns, auch er trotz allem gesegnet mit Stärken und Schwächen.
Ein Hinterbänkler in Bern, ein König im Baselbiet
Zu seinen Schwächen zählte wohl sein Einfluss auf das Parlament in Bern. Dort hatte er sich den Ruf eines Hinterbänklers eingehandelt. Im Baselbiet jedoch war er unangefochten der König, der jetzt nach 44 Jahren sein Szepter weiterreicht an seinen Verwandten, so etwas wie sein Ziehsohn, Christoph Buser.
Doch wie bei jedem Abschied gehört es zum guten Ton, über Schwächen zu schweigen. «Man kann in zwei Minuten dein Wirken nicht würdigen», schmeichelte etwa Regierungsrätin Pegoraro. Und Bundesrat Johann Schneider Ammann gratulierte zur «höchst erfolgreichen» Wirtschaftskammer Baselland und lobte deren Vater Gysin: «Er war ein virtuoser Netzwerker und Motivator und schaffte es immer wieder, die richtigen und wichtigen Leute zusammenzubringen (…) Das jahrzehntelange Engagement meines Parteifreundes und früheren Fraktionskollegen verdient allerhöchste Anerkennung. Vielen Dank Hans Ruedi.»
Der Robin Hood der KMU
Dann setzte die Wirtschaftskammer ihrem Übervater mit einem Film, ein Leben für die Wirtschaftskammer, endgültig ein Denkmal. Er sei der Robin Hood der KMU, sagte ein Weggefährte ins Mikrofon. «Unzählige Male stieg er als das Schwergewicht für das Gewerbe in den Ring», schallte es aus den Lautsprechern. «Sein Leistungskatalog ist gewaltig und füllt bereits die Geschichtsbücher», dazu eingeblendet eine Liste der unzähligen politischen Erfolge von HRG.
«Ich verabschiede mich jetzt und wünsche allen noch einen schönen Abend», waren schliesslich Gysins Schlussworte. Stehende Ovation. Dann sangen alle, fast alle, zu Ehren des Prattlers aus voller Kehle das Baselbieter Lied. Für Auswärtige, aber Gleichgesinnte wie den FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger, aber auch für Vergessliche war der Text wie an einem Karaoke-Abend auf den Grossleinwänden eingeblendet.
Und dann war da nur noch die Bitte auf der Einladung an die Medienschaffenden, sie sollten sich dezent verhalten während des Programms. Wir haben uns daran gehalten. Die Wirtschaftskammer mit ihrem Direktor Hans Rudolf Gysin vielleicht etwas weniger.