Heroin im Blumenbeet, SMS-Bestellungen, Balkanroute: So funktioniert das Drogenbusiness in Basel

Vier Albaner verkaufen innert vier Monaten mindestens 13 Kilogramm Heroin an Basler Süchtige. Jetzt stehen sie vor Gericht. Der Fall ermöglicht tiefe Einblicke in das hiesige Geschäft mit Drogen.

In Basel ist ein Drogenhändlerring aufgeflogen. Die vier angeklagten Albaner haben grosse Mengen Heroin umgesetzt.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Vier Albaner verkaufen innert vier Monaten mindestens 13 Kilogramm Heroin an Basler Süchtige. Jetzt stehen sie vor Gericht. Der Fall ermöglicht tiefe Einblicke in das hiesige Geschäft mit Drogen.

Kurz nacheinander verlassen Admir und Dalmat am 7. Mai 2015 kurz vor Mittag das Hinterzimmer eines Kleinbasler Coiffeursalons. Die beiden Albaner gehen in verschiedene Richtungen davon. Wenige Minuten später schliessen sich bei beiden Handschellen um die Handgelenke. Die Festnahmen bilden den Höhepunkt, auf den die Drogenfahnder der Basler Kriminalpolizei monatelang hingearbeitet haben.

Admir trägt wie alle anderen Akteure in dieser Geschichte eigentlich einen anderen Namen. Er ist 43 Jahre alt, wegen Betäubungsmitteldelikten vorbestraft und der Kopf einer albanischstämmigen Bande. Zusammen mit drei Landsmännern hat er mutmasslich von Januar bis Mai 2015 in Basel ein hochprofessionelles, lukratives Geschäft mit Drogen betrieben.

Genauer: Innerhalb von etwas mehr als vier Monaten haben Admir und seine Komplizen mindestens 13 Kilogramm Heroin an Süchtige in Basel verkauft und damit einen Umsatz von mehr als 200’000 Franken erzielt. Wie gross diese Menge ist, zeigt ein Blick auf die Kriminalstatistik. 2014 konnte die Staatsanwaltschaft in Basel insgesamt 4,7 Kilo Heroin beschlagnahmen.

Vier Wohnungen als Basis

Gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ist die Bande dabei ausserordentlich effizient vorgegangen und hat sich auf ein relativ kleines Gebiet rund um die Haltingerstrasse konzentriert. Offenbar haben bereits vorher Verbindungen zu Abnehmern in Basel bestanden.

Admir hat vier Wohnungen angemietet, zwei in der Haltingerstrasse und je eine an der Maulbeer- beziehungsweise an der Sperrstrasse. In diesen Wohnungen wurde das Heroin verpackt. Sie dienten den drei Männern der unteren Charge, Bekim, Clirim und Dalmat, jedoch auch als Unterkunft. Jedes Bandenmitglied war für einen genau definierten Aufgabenbereich zuständig.

So nahm Anführer Admir etwa die Bestellungen telefonisch oder per SMS entgegen. Dabei bedienten er und seine Abnehmer sich eines Codes, der oft lediglich aus zwei Zahlen bestand: der verlangten Menge und der Anzahl Minuten bis zur Ankunft am Treffpunkt.

Darauf schickte Admir einen seiner Läufer los, um den Deal abzuwickeln. Das geschah ebenfalls via Telefon, denn der Bandenchef selbst hielt sich die meiste Zeit in Albanien auf. Den Läuferjob teilten sich anfangs Bekim (31 Jahre alt) und Clirim (39). Wobei einer von ihnen jeweils dafür sorgen musste, dass die verschiedenen Drogenverstecke stets aufgefüllt waren. Dazu vergruben die Männer Plastiksäcke voller Fünf-Gramm-Portionen an verschiedenen Stellen im Einzugsgebiet, etwa in Blumenbeeten oder Vorgärten.

«Auf mittlerer Hierarchiestufe»

Im März jedoch wurden Bekim und Clirim kurz hintereinander festgenommen. Admir stand plötzlich ohne Verteilnetz da, das Geschäft brach ein. Also rekrutierte er in Albanien den heute 29-jährigen Dalmat, einen jungen Vater ohne Vorstrafen. Dieser nahm nach wenigen Tagen die Arbeit seiner beiden Vorgänger auf und war fortan und bis zu seiner und Admirs Festnahme für die lokale Abwicklung der Heroinverkäufe zuständig.

Die Bande ist wohl Teil einer international tätigen Organisation.

Ob die Bande noch aus weiteren festen Mitgliedern bestanden hat, ob für einzelne Jobs situativ Leute angeheuert wurden oder ob die Bande in Basel lediglich die Zelle einer weitaus grösseren Organisation darstellte, können die Fahnder nicht mit Sicherheit sagen. Sie gehen jedoch davon aus, dass Admir «mindestens auf mittlerer Hierarchiestufe» einer «albanischstämmigen, international vernetzten, äusserst umtriebigen Bande» anzusiedeln sei. Ein naheliegender Gedanke, stellen doch bei solchen Umsätzen Logistik und Nachschub eine hochkomplexe Aufgabe dar.

Auf die Schliche kamen die Drogenfahnder Admir aufgrund eines Zufalls. Bei einer Personenkontrolle ging ihnen Stefan ins Netz, ein Heroinabhängiger Basler. Stefan war einer von zahlreichen Grossabnehmern, die von Admir mit Stoff versorgt wurden. Stefan kaufte dabei nicht nur für sich selbst, sondern war selbst als Dealer tätig. So konnte er sich seine Sucht finanzieren.

Stefan hat der Bande innerhalb von vier Monaten für rund 34’000 Franken fast zwei Kilogramm Heroin abgekauft. Dafür kam ihm Admir mit dem Preis entgegen, das Fünf-Gramm-Säckchen kostete für Stefan und die anderen Grossabnehmer noch 70 Franken. Kunden die seltener kauften, mussten für die gleiche Menge 100 Franken bezahlen. Von den insgesamt 13 Kilo, die Admir umsetzen konnte, ging über die Hälfte an Grossabnehmer wie Stefan.

Dutzende von Telefonen abgehört

Über Stefans Mobiltelefon gelangten die Fahnder an die Handynummer von Admir, eine aufwendige Abhöraktion nahm ihren Lauf. Admir und seine Dealer in Basel wechselten ständig ihre Nummern, bei der Festnahme trugen sie alle mehrere SIM-Karten und Mobiltelefone auf sich. So weitete sich die Abhöraktion bald auf Dutzende Nummern aus. Neben Stefan konnten auch weitere Grossabnehmer identifiziert werden. Bald konnte die Polizei via Telefon- und SMS-Kontakt zahlreiche Deals überwachen und dokumentieren. Die Abhörprotokolle füllen viele Ordner.

Auch die Festnahme von Bandenchef Admir gelang dank Telefonüberwachung. Indem die Fahnder das Handy orteten, konnten sie feststellen, dass Admir ausnahmsweise wieder in die Schweiz eingereist war. So mussten sie an jenem Mittwoch im Mai 2015 nur noch zugreifen, als Admir und Dalmat den Coiffeursalon verliessen.

Admir und seinen Komplizen wird ab Montag am Strafgericht Basel der Prozess gemacht. Das Urteil soll am Donnerstag fallen, bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.

Die Balkanroute: Heroin kommt aus Afghanistan via Istanbul nach Europa und in die Schweiz.

Fälle dieser Grössenordnung sind selten und die Ermittlungen gestalten sich extrem aufwendig. Die Anklageschrift und der Prozess erlauben deshalb einen raren Einblick in das Geschäft mit harten Drogen in Basel und in die Vorgehensweise der organisierten Kriminalität.

So sei es etwa typisch, dass Heroindealer dieser Grössenordnung aus Albanien kommen, sagt Peter Gill, Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft. «Heroin kommt meist über die sogenannte Balkanroute aus Afghanistan via Istanbul nach Europa, deshalb ist der Handel hierzulande auch in den Händen von Personen aus dem Balkan.» Es sei für den Heroinhandel auch durchaus üblich, dass die «Feinverteilung», also der Verkauf von kleinen Dosen direkt an Abhängige, durch Drogenkonsumenten geschehe.

Hintermänner bleiben im Dunklen

Die Drogen gelangen dabei meist im Koffer oder im Körper eines eigens rekrutierten Transporteurs, oft sind es Frauen, in die Schweiz. Der komplexe Aufbau dieser Versorgungs- und Vertriebsnetze mache die Ermittlungsarbeit enorm schwierig, wie Gill sagt. «Untere Hierarchiestufen wissen meist kaum etwas über die nächsthöhere. Und es gilt das Gesetz des Schweigens, da im organisierten Verbrechen die Angst vor Repressalien sehr hoch ist.» Innerhalb dieser Organisationen gebe es verschiedene Ausbildungs- und Bewährungsstufen. Wer sich also korrekt verhält, kann Karriere machen.

All das führt dazu, dass die lokalen Ermittler, wenn überhaupt, nur bis ins «mittlere Kader» dieser Organisationen vordringen können. Denn «technische Überwachung und Auswertungen sind arbeitsintensiv und teuer», sagt Gill.

Der Heroinkonsum ist in der Schweiz dank des «Verlierer-Images» seit Jahren auf tiefem Niveau stabil. Dennoch bleibe das Land für die Drogenkartelle ein interessanter Absatzmarkt, da hier hohe Preise erzielt werden können, wie Gill erklärt.

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