Mit Claudio Zanetti soll einer eine Chance in den Medien bekommen, der schon zu lange drauf gewartet hat. Endlich kann er allen «Qualitätsjournalisten» zeigen, wie es richtig geht. Ein kleiner Willkommensgruss.
Jetzt ist es also doch passiert. Seit Tagen raunt es durch die Szene, nun hat es der «Tagesanzeiger» einigermassen «hart machen können», wie man so schön sagt. Claudio Zanetti, ein SVP-Kantonsrat aus Zollikon und engagierter Hobby-Blogger soll neuer Bundeshauschef der «Basler Zeitung» werden. Update vom Freitagnachmittag: Zuerst reist Zanetti in die USA, um den Wahlkampf journalistisch zu begleiten, zu «gegebener Zeit» werde man über die weitere Zusammenarbeit informieren, heisst es in einer Medienmitteilung der BaZ.
Inwiefern sein Mandat als Kantonsrat mit seinem neuen Beruf als Journalist zu vereinbaren ist, soll uns an dieser Stelle nicht weiter interessieren – das muss er mit sich selber (und seinem neuen Arbeitgeber) ausmachen.
Der Twitter-Stachel
Viel spannender ist eine kurze Auswertung der virtuellen Identität von Herrn Zanetti. Als «zac1967» ist der Kantonspolitiker seit Monaten, ja was sag ich, seit Jahren!, der Twitter-Stachel im Fleisch aller Journalisten. Oder «Qualitätsjournalisten» und «Schreiberlinge», wie sie Zanetti gerne nennt. Das aktuellste Beispiel seiner Medienkritik ist dabei erst wenige Tage alt. Nachdem Thomas Lüthi, der neue Chef von zac1967, nach der eingehenden Lektüre einer 20-zeiligen Vorschau das noch unveröffentlichte BaZ-Buch von Christian Mensch meinungssicher als «Pamphlet» bezeichnete, das in den «Papierkorb» gehöre, pflichtete ihm Neo-Mitarbeiter Zanetti eilfertig bei: «Christian Mensch konnte man schon in der Weltwoche nicht brauchen.»
Mensch ist nicht der einzige auf der schwarzen Liste von Claudio Zanetti. Ein besonderer Freund ist ihm Francesco Benini von der «NZZ am Sonntag». Es sei löblich, die «besten» Journalisten auszuzeichnen, schrieb Zanetti am 20. März, «die miesesten ans Licht zu zerren, wäre ebenso verdienstvoll». Damit meinte er nicht nur Benini, sondern auch Edgar Schuler vom «Tagesanzeiger», den «Rudeljournalisten», und mit ihm alle «Blick»-Mitarbeiter, die er auf den Tod nicht ausstehen kann. «Ich wünsche mir den BLICK ohne Buchstaben», schrieb er am 26. März und klassifizierte dabei Bundeshauskorrespondent Henry Habegger folgendermassen: «würg.» Auch zu «20Minuten» hat er eine klare Haltung: «Wie soll man ein Blatt, das nichts wert ist, sonst nennen, wenn nicht gratis?»
Was die Qualitätsmedien verpassen
Wenn Herrn Zanetti wirklich etwas interessiert, dann liest er nicht «20Minuten», sondern klickt lieber auf Blogs wie «Political Incorrect», wo man Vieles finde, was einem die Qualitätsmedien vorenthalten würden, wie es auf seiner Website heisst. Zum Beispiel anonyme, islamophobe Kommentare wie diesen nach dem Massenmord von Anders Breivik: «Überall in der Welt wo Moslems sind, gibt es Mord, Vergewaltigungen, Beleidigungen, Raub. (…). Da ist es kein Wunder, wenn die Europäer die Schnauze voll haben.» Auch Zanetti hat sein Scherflein differenzierter Islamkritik beizutragen. Am 25. Februar schrieb er auf Twitter: «Man soll Kameltreiber Kamele treiben lassen und aufhören, ihnen die «Aufklärung» bringen zu wollen.»
Aber Zanetti kann auch anders, fürsorglich schon fast. Zum Beispiel wenn es um Christoph Blocher geht. «Ist da draussen jemand, der die Medienberichterstattung der letzten 20 Jahre über Christoph Blocher als fair empfindet?», schrieb er am 27. März beinahe flehentlich und wiederholte damit, was er schon während der Affäre um den ehemaligen deutschen Staatspräsidenten Christian Wulff am 19. Februar festgestellt hatte: «CH-#Qualitätsjournalisten sinnieren über die Rolle der Medien in der #Wulff-Affäre. Keiner fragt, ob der Umgang mit Chr. Blocher fair ist.»
Obacht, Retweet-Gefahr
Wahrscheinlich sind die «Schreiberlinge» nicht fair, weil sie nicht ganz schlau sind. Oder es nie gelernt haben. (Zum Medienausbildungszentrum Luzern meint Zanetti: «Warum gibt es am @mazluzern keinen Kurs „Hass als Triebfeder“?»). Oder weil sie halt links sind. Zanetti zu den Linken (und für ihn sind alle Journalisten Linke – ausser jene, die vorher SVP-Kantonsrat waren): «Gewisse linke Schwätzer versuchen, den Anschein zu erwecken, sie arbeiteten nur, um am Abend müde zu sein.»
In diesem Zusammenhang (Arbeit und so) gab es übrigens vor ein paar Wochen einen interessanten Schlagabtausch zwischen Zanetti und einigen Journalisten (auch mit mir). Es ging um die Frage, wie der Herr Zanetti eigentlich so sein Leben finanziert und es kam heraus: Er nimmt vor allem von jenem Staat (in seiner Funktion als Kantonsparlamentarier), den er sonst so gerne kritisiert. «Wäre das schlimm? Wer vom Staat Geld kriegt, darf ihn nicht mehr kritisieren? Darum die staatl. Presseförderung?», antwortete er mir, und zu einer Kollegin beim «Blick» meinte er, im Gegensatz zu ihr sei er wenigstens gewählt. Nun gut, dieses Verhältnis gleicht sich mit Zanettis Job bei der BaZ ja etwas an (dort soll ihn laut Tagi übrigens vor allem Markus Somm gewählt haben. Filippo Leutenegger wehre sich noch gegen die Anstellung).
Ach, ach, ach. Was für eine Nachricht. Auch Herr Zanetti ist jetzt ein Qualitätsjournalist.
In diesem Sinne: herzlich willkommen, Herr Zanetti! Sie können uns jetzt zeigen, wie man das richtig macht, mit diesem «Journalismus». Nicht, dass wir am Schluss noch retweeten müssen, was Sie am 20. März selber so ausgedrückt haben: «Das Schlimme ist: Es gibt zu viele Medien, denen es nichts ausmacht, solches Pack zu beschäftigen.»
Quellen
Der Artikel aus dem «Tagesanzeiger»