Historischer Besuch des albanischen Präsidenten in Belgrad

Die Kosovo-Frage hat den historischen Besuch des albanischen Premiers Edi Rama in Belgrad überschattet. Als Rama über die ehemalige serbische Provinz sprach, reagierte Gastgeber Aleksandar Vucic gereizt, schreibt unser Korrespondent.

Serbian Prime Minister Aleksandar Vucic (R) and his Albanian counterpart Edi Rama attend a news conference after their meeting in Belgrade November 10, 2014. Albania's prime minister, the first to visit Serbia in 68 years, urged Belgrade on Monday to accept the independence of majority-Albanian Kosovo and was accused by his Serbian counterpart of "provocation.". REUTERS/Marko Djurica (SERBIA - Tags: POLITICS) (Bild: MARKO DJURICA)

Die Kosovo-Frage hat den historischen Besuch des albanischen Premiers Edi Rama in Belgrad überschattet. Als Rama über die ehemalige serbische Provinz sprach, reagierte Gastgeber Aleksandar Vucic gereizt. Das chaotische Länderspiel von Mitte Oktober spielte zumindest offiziell keine Rolle, schreibt unser Korrespondent.

In der serbischen Hauptstadt hat am Montag ein historisches Treffen stattgefunden: Nach 68 Jahren kam zum ersten Mal ein Regierungschef aus Albanien nach Belgrad. Das Treffen des albanischen Premiers Edi Rama mit seinem serbischen Gastgeber Aleksandar Vucic verlief jedoch nicht harmonisch. So übertrug das staatliche serbische Fernsehen die Ansprachen beider Premiers, übersetzte aber Ramas Rede nicht.

 

Der albanische Regierungschef bezeichnete die ehemalige serbische Provinz Kosovo, die sich 2008 für unabhängig erklärt hat und heute fast nur von Albanern bewohnt ist, als unabhängigen Staat. «Ich werde nicht zulassen, dass uns jemand in Belgrad demütigt», entgegnete Gastgeber Aleksandar Vucic. «Das Kosovo ist und bleibt ein Teil Serbiens und hatte nie eine Verbindung mit Albanien.» Vucic versicherte jedoch, er werde die Gespräche mit Rama gern fortsetzen und sei zu einem Gegenbesuch nach Tirana bereit.

«Ich werde nicht zulassen, dass uns jemand in Belgrad demütigt.»

Gastgeber Aleksandar Vucic.

Das Verhältnis zwischen Serbien und Albanien – beide sind EU-Beitrittskandidaten – ist belastet durch den Konflikt um das Kosovo. Serbien erkennt die Republik nicht an. Unter Vermittlung Brüssels laufen jedoch Gespräche. Der Konflikt hatte 1999 zu dem schweren Nato-Bombardement Serbiens geführt, unter dem die Wirtschaft des Landes bis heute leidet.

Ursprünglich hatte Rama sich bereits Mitte Oktober mit Vucic treffen wollen, doch wegen des chaotischen EM-Qualifikationsspiels zwischen Serbien und Albanien am 14. Oktober in Belgrad war sein Besuch verschoben worden (die Ereignisse in Bildern erzählt). Bei dem Länderspiel waren serbische Hooligans aufs Spielfeld gelangt und hatten auf albanische Fussballer eingeprügelt. Auslöser war eine Flagge mit dem Umriss von Gross-Albanien, die von einer Drohne übers Spielfeld geflogen wurde. Serbien muss zur Strafe die nächsten beiden Qualifikationsspiele vor leeren Rängen austragen.

Albaner am Steuer der Drohne

Die Drohne haben laut Premier Vucic zwei albanische Staatsbürger gesteuert, die mit italienischen Papieren eingereist waren – albanische Fans hatte die Uefa zu dem Länderspiel von vornherein nicht zugelassen. Keine Beweise gibt es bisher für die Behauptung aus Regierungskreisen, Olsi Rama, der Bruder des albanischen Premiers, habe von der VIP-Lounge des Stadions aus die Drohne mitgelenkt. Innenminister Nebojsa Stefanovic sprach nach dem Spiel von einer «Provokation» Serbiens durch den albanischen Staat.

Auf albanischer Seite hatte sich Premier Edi Rama zunächst nicht von der Aktion distanziert und die grossalbanische Fahne ein «albanisches nationales Symbol» genannt. Erst später twitterte Rama, Gross-Albanien sei ein «Albtraum» für Serbien, «aber nicht unser Projekt», worauf ihm Vucic antwortete, dies sei auch «ein Albtraum für Europa und die ganze Menschheit». In Serbien gab es nach dem Spiel Brandanschläge auf albanische Bäckereien.

EU lehnt Debatte über Grenzen auf Balkan ab

Zum Hintergrund: Die grossalbanische Flagge steht für den Wunsch von Nationalisten, albanisch besiedelte Gebiete mit Albanien zu vereinigen. In Albanien selber tritt die drittstärkste Partei «Vetevendosje» (Selbstbestimmung) für ein Gross-Albanien ein, zu dem das Kosovo gehören würde, aber auch Gebiete in Südserbien, in Montenegro, Mazedonien und Griechenland. Ein Gross-Albanien gab es in kleinerer Form während des Zweiten Weltkriegs, als Nazi-Deutschland und das faschistische Italien den Balkan besetzt hielten. Die EU lehnt heute jegliche Debatte über neue Grenzen auf dem Balkan ab.

Die Beziehung zwischen Belgrad und Tirana war übrigens nicht immer so kühl, wie es der heutige Besuch des albanischen Premiers in Serbien vermuten lassen könnte. In den 1940ern Jahren waren Titos Jugoslawien und Albanien Verbündete. In beiden Ländern besiegten Partisanenkämpfer Hitlers Truppen. Aber das vertraute Verhältnis war schon 1948 wieder zu Ende, als das sozialistische Jugoslawien mit Stalin brach und das Land nach Westen öffnete, während sich das kommunistische Albanien unter Enver Hoxha auf die Seite Moskaus schlug.

Artikelgeschichte

14.11.14, 18:00 Uhr: Name von Enver Hodscha geändert in Enver Hoxha.

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