Neun Jahre nach der Ermordung des libanesischen ex-Premier Rafik Hariri hat ein UN-Sondergericht in Den Haag den Prozess gegen vier vermutete Hintermänner begonnen. Die Libanesen erhoffen sich endlich Aufklärung über einer Serie von politischen Anschlägen. Auch am Donnerstag explodierte wieder eine Autobombe.
Die religiös motivierte politische Gewalt ist zurück im Zedernstaat; neu angefacht durch den Bürgerkrieg im benachbarten Syrien. Am Donnerstagmorgen zündete im Stadtzentrum von Hermel nahe der syrischen Grenze, einer Hochburg der schiitischen Hizbollah, ein Selbstmordattentäter wieder eine Autobombe. Drei Menschen starben, zwei Dutzend wurden verletzt. Niemand bekannte sich zum Anschlag, aber die Vermutung liegt nahe, dass sunnitische Extremisten vom Schlage der al-Qaida wie in ähnlichen Fällen in den letzten Wochen die Urheber sind. Hizbollah kämpft in Syrien an der Seite Bashar al-Assads. Die Sunniten unterstützen die Aufständischen.
Angeklagte sind flüchtig
Die politischen Gräben im Zedernstaat sind heute noch genau dieselben wie im am 14. Februar 2005, als im Stadtzentrum von Beirut 2,5 Tonnen Sprengstoff explodierten und den Milliardär und ex-Premier Rafik Hariri sowie 21 weitere Menschen in den Tod rissen. Die Schockwellen dieses Anschlages waren gewaltig. Hunderttausende Menschen gingen auf die Strasse und die syrische Armee musste den Libanon Hals über Kopf verlassen. Der Hariri-Mord war nur der Auftakt einer ganzen Serie von mindestens neun Attentaten gegen prominente sunnitische Persönlichkeiten. Das letzte Opfer war am 27. Dezember der ehemalige Finanzminister Mohammed Shatah, ein enger Vertrauter von Saad Hariri, der das politische Erbe seines Vaters Rafik übernommen hat.
Prozess in Abwesenheit
Weil es nicht möglich war, diese politischen Morde vor libanesischen Gerichten juristisch aufzuarbeiten, wurde auf Druck des UN-Sicherheitsrates 2007 eine spezielles Gericht (STL) für den Libanon mit einem Budget von 60 Millionen Dollar eingerichtet. Auch hier gestalteten sich die Ermittlungen schwierig; Hizbollah und die Regierung in Damaskus waren wenig kooperativ. Am Donnerstag konnte Richter David Ray in Leidschendam, einem Vorort von Den Haag, den Prozess nun beginnen. Angeklagt sind vier Hizbollah-Mitglieder, gegen die in Abwesenheit verhandelt werden muss. Als führende Köpfe gelten Mustafa Bareddine, 52, und Salim Ayyash, 50. Sie sollen das Team geleitet haben, das die Tat vorbereitete. Gegen alle vier liegen Haftbefehle vor, festgenommen werden konnten sie bis jetzt aber noch nicht.
Hizbollah-Chef Hassan Nasrallah hat sich bisher geweigert, die beschuldigten Drahtzieher auszuliefern. Er hält das STL für eine amerikanische-israelische Verschwörung. Im letzten Jahr wurde die Anklage auf einen fünften Mann ausgeweitet, dessen Fall könnte mit diesem Verfahren zusammengelegt werden. Die neun Anklagepunkte lauten von Verschwörung über terroristische Aktionen bis zu Mord und versuchten Mord.
Langwieriges Verfahren
Im Gerichtssaal steht ein Massstab getreues Modell vom Ort des Verbrechens in der Beiruter Innenstadt. Das Verfahren würde genau so ablaufen, als wären die Angeklagten im Saal und hätten sich für nicht schuldig erklärt, führte der vorsitzende Richter David Ray zum Prozessauftakt am Donnerstag aus. Die Beweise der Ankläger stützen sich vor allem auf die Auswertung der Verbindungsspuren auf fünf verschiedenen, zum Teil geheimen, Telekommunikationsnetzwerken.
Alle Libanesen seien direkt oder indirekt von diesem Mordkomplott betroffen gewesen, darum hätten sie ein Recht die Wahrheit zu erfahren, skizzierte der Ankläger die Bedeutung dieses Verfahrens. Saad Hariri nannte den Prozess «historisch», damit beginne ein neues Kapital für die Justiz im Libanon. Bis zu einem Urteil wird es mindestens ein Jahr dauern. Bereits wird spekuliert, dass das Mandat des STL über das Jahr 2015 hinaus verlängert werden muss.