Hochrisikoland Schweiz

1,2 Millionen Menschen leben in der Schweiz an der Armutsgrenze. Im europäischen Vergleich ist das ein hoher Wert. Besonders Frauen laufen Gefahr, in die Armut abzurutschen.

Weniger auf dem Teller: 1,2 Millionen Schweizer leben an der Armutsgrenze. (Bild: Hans-Jörg Walter)

1,2 Millionen Menschen leben in der Schweiz an der Armutsgrenze. Im europäischen Vergleich ist das ein hoher Wert. Besonders Frauen laufen Gefahr, in die Armut abzurutschen.

Armut in der Schweiz ist keine Erfindung der Gewerkschaften und Linken, das belegen die neusten Zahlen des Bundes. 600’000 Menschen lebten 2012 unter der Armutsschwelle. Diese beginnt bei einer Einzelperson bei 2200 Franken verfügbarem Einkommen monatlich. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, eine Tendenz lässt sich aber aus statistischen Gründen nicht herauslesen.

Doppelt so hoch ist die Zahl der Personen, die knapp oberhalb der Armutsgrenze leben, also als armutsgefährdet gelten. Dieser Wert wird für den internationalen Vergleich genutzt, da die Berechnungsgrundlage dieselbe ist. Als armutsgefährdet gilt in der Schweiz, wer als Einzelperson ein verfügbares Einkommen von unter 2500 Franken hat.

Die folgende Grafik zeigt den Anteil der Armutsgefährdeten an der Schweizer Gesamtbevölkerung im Vergleich mit ausgewählten europäischen Ländern:

Im Vergleich mit europäischen, vor allem mit nordischen Staaten oder den Niederlanden, zeigt sich: Die Schweiz hat ein Problem. Besonders betroffen sind Frauen. Nimmt man die Anzahl armutsgefährdeter Frauen, schneidet die Schweiz im internationalen Vergleich noch schlechter ab. Mehr als jede sechste Frau in der Schweiz lebte 2012 knapp an der Armutsgrenze. 

Unter den armutsgefährdeten Frauen dürften viele Alleinerziehende sein. Die Schweiz hat kein Rezept gefunden, das Einkommen dieser Frauen anzuheben. Sie sackt im internationalen Vergleich deutlich ab. Jede vierte Alleinerziehende, so der erschreckende Befund, lebte 2012 an der Armutsgrenze. Die überwiegende Mehrzahl der Alleinerziehenden sind Frauen. Jede sechste Person in einer Einelternfamilie gilt in der Schweiz sogar als arm. 

Besonders prekär ist die Situation auch für Bildungsschwache. Auch hier steht die Schweiz im europäischen Vergleich schlecht da. Für diese Gruppe gibt es in der Schweiz immer weniger Möglichkeiten, finanziell den Anschluss zu finden. 2012 lebte jeder Fünfte, der höchstens die obligatorische Schulzeit absolviert hat, an der Armutsgrenze. Die Zahl ist seit 2007 von 12,2 Prozent auf über 20 Prozent hochgeschnellt. 

Auch Kinder, kinderreiche Familien und Migranten sind laut dem Bericht des Bundes überdurchschnittlich oft armutsgefährdet.

Im europäischen Vergleich zeigt sich zudem, dass Wirkung und Höhe der Sozialleistungen in der Schweiz bescheiden ist: Gelingt es Ländern wie Finnland oder Holland, die Zahl der Armutsgefährdeten durch staatliche Zuschüsse zu halbieren, wird in der Schweiz nur ein Drittel der Betroffenen aus der gefährlichen Zone gehoben.

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