Hollande bringt seine Reichensteuer durch

In Frankreich müssen Millionäre künftig 75 Prozent Steuern zahlen. Der heftige Widerstand von rechts liess die Nationalversammlung unbeeindruckt.

Der französische Präsident François Hollande (Archiv) (Bild: sda)

In Frankreich müssen Millionäre künftig 75 Prozent Steuern zahlen. Der heftige Widerstand von rechts liess die Nationalversammlung unbeeindruckt.

Die Kritiker bemühten ein reiches Vokabular: «Sowjetisch» nannte der frühere Sarkozy-Minister Xavier Bertrand die Steuer auf Jahreseinkommen von über einer Million Euro, «Strafsteuer» schalt sie Ex-Budgetminister Eric Woerth. Und Modeschöpfer Karl Lagerfeld nennt den Urheber der Steuer gar einen «Dummkopf».

Der Urheber der Steuer kann damit leben: Präsident François Hollande verhalf seinem spektakulärsten Wahlversprechen von Februar zum entscheidenden Durchbruch. In der Nacht auf Samstag verabschiedete die Nationalversammlung mit den Stimmen der Parti Socialiste die «aussergewöhnliche» 75-Prozent-Steuer auf Supereinkommen. Die Zustimmung des links dominierten Zweitrates, des Senats, dürfte damit nur noch Formsache sein.

Ein Akt des Patriotismus

Aussergewöhnlich ist die neue Steuerklasse deshalb, weil sie nur zwei Jahre gelten soll – bis Frankreich aus der Wirtschafskrise gekommen sei, wie der sozialistische Budgetminister Jérôme Cahuzac zur Begründung dieser Frist meinte. Zwei Jahre, das sei die Zeit, um Frankreich wieder «auf die Beine zu stellen», fügte der Minister an, der eher zum rechten Flügel seiner Partei zählt. «Jeder muss einen Beitrag gemäss seinen Kräften und Mitteln leisten», meinte er als Echo auf Hollandes Wahlkampfaussage: «Es ist ein Akt des Patriotismus, zusätzliche Steuern zu zahlen, um das Land wieder aufzurichten.»

Die Opposition der Sarkozy-Partei UMP erhob heftigen Einspruch: Es sei unlogisch, mit einer «symbolischen» Steuer – sie betrifft nur 1500 Grossverdiener – ein Land aus der Krise ziehen zu wollen. Die Abgabe würde nur 210 Millionen Euro im Jahr einbringen, aber viele zum Verlassen des Landes bewegen, wie Woerth sagte. Und das seien gerade die kreativsten Köpfe des Landes; denn die Superverdiener von heute seien nicht unbedingt nicht Financiers und Spekulanten, sondern risikofreudige Unternehmer der neuen Technologien.

Einkommensunterschiede vertausendfacht

In den Meinungsumfragen halten trotzdem 61 Prozent der befragten Franzosen die Steuer für «gerechtfertigt», ja «gerecht». Das Argument der Kapitalflucht zieht in Frankreich kaum: Keiner der zahlreichen in Paris erschienenen Behördenberichte zu diesem Thema vermochte je einen klaren Zusammenhang zwischen Kapitalabfluss und einer konkreten Steuererhöhung nachzuweisen.

Was den Franzosen eher einleuchtet, ist der Umstand, dass sich die Einkommensunterschiede zwischen arm und reich vertausendfacht haben, wenn man mit den – keineswegs egalitären – Verhältnissen im industriellen 19. Jahrhundert vergleicht. Das war für den sozialistischen Budgetexperten Christian Eckert in der Debatte jedenfalls das schlagende Argument: «Wir wollen, dass die Praxis dieser unsinnig hohen Supereinkommen aufhört.» Und für einmal belasse es eine Regierung nicht bei schönen Worten über die Regulierung der Finanzmärkte und dergleichen, sondern sie schreite zur Tat. Damit punktet vor allem Hollande – der sein eigenes Salär gleich nach seinem Amtsantritt um 30 Prozent gesenkt hatte.

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