Huber, Crnogorcevic, Kambunji – wie helvetisch soll ein Name klingen?

Zugewanderte sollen ihren Namen einschweizern, um es den Alteingesessenen einfacher zu machen. Zudem würden sie so auch weniger diskriminiert. Warum dieser Ansatz zur Integration falsch ist.

Der Name ist für Urschweizer kaum auszusprechen, aber solange Ana-Maria Crnogorcevic für das Schweizer National-Team trifft, spielt das keine Rolle. (Bild: Keystone)

Eine «Arena»-Sendung des Deutschschweizer Fernsehens war kürzlich der Frage gewidmet, ob die Schweiz «rassistisch» sei. Vorweg: Eine solche Diskussionsrunde wäre in der französischen oder italienischen Schweiz ganz anders verlaufen – oder hätte gar nicht stattgefunden, weil man dort andere Erfahrungen macht.

Ausgangspunkt war ein Pressebericht, der bekannt machte, dass das Grossunternehmen mit dem schönen Namen Swiss Life die Angestellten seines «Contact Centers» unter falschen, das heisst gängigen, Schweizer Namen Kundengespräche führen lässt.

Dafür gebe es praktische Gründe: Huber lasse sich eben leichter buchstabieren als etwa Crnogorcevic oder Kambundji – zwei hier genannte Namen, weil sie uns aus dem Sport vertraut und wegen des Erfolgs grundsätzlich auch akzeptiert sind.

Wenn die Schweiz nur durchschnittlich rassistisch ist, können wir offenbar zur Tagesordnung übergehen.

Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» bezeichnete ein universitärer Experte für Organisation und Personal das Verhalten von Swiss Life als völlig legitim und fügte zur vermeintlichen Erheiterung noch bei, dass sein deutscher Name, Thom, von Frankophonen als Tomme ausgesprochen werde, was eine Käsesorte sei. Freilich dürfte der Herr Professor selber weniger der Diskriminierung ausgesetzt sein als leistungswillige Jünglinge mit türkischen, albanischen oder ex-jugoslawischen Eltern.

Die Art, wie der Versicherungskonzern das Namensproblem «praktisch» gelöst hat, löste in verschiedenen Medien die Frage aus, ob die Schweiz besonders ausländerfeindlich und speziell rassistisch sei. Selbstverständlich lautete die Antwort: auf keinen Fall. Wenn die Schweiz nur durchschnittlich und bloss im üblichen Ausmass ausländerfeindlich und rassistisch ist, können wir offenbar beruhigt zur Tagesordnung übergehen.

Die Frage ist bereits im Ansatz falsch: Es gibt «die» Schweiz nicht, sondern sehr unterschiedliche Menschen, die auf diesem Fleck Erde wohnen.

Was ist Rassismus?

Wir sollten den Fall Swiss Life nicht dramatisieren, sonst spielen wir denjenigen in die Hände, die den Standpunkt vertreten, wie ihn auch Christoph Blocher einmal zum Ausdruck gebracht hat, dass wir aufhören sollten, «überall» Rassismus zu sehen. Wer so spricht, neigt dazu, «nirgends» Rassismus sehen zu wollen. Und das ist genauso falsch.

Bevor Befunde diskutiert und Urteile abgegeben werden, müsste man sich fragen, was mit Rassismus überhaupt gemeint ist. Rassismus geht davon aus, dass Bevölkerungs- bzw. Menschenkategorien mit bestimmten angeborenen Merkmalen (Haut, Augenschnitt, oder eben auch Namen) negative Eigenschaften hätten und «wir» sie darum abwertend behandeln dürften oder gar zurückgestuft behandeln sollten. Das gibt es in verschiedenen Stufen von ansatzweise und verhalten bis zu grob und systematisch.

Keine Frage, dass es Träger bestimmter Namenskategorien, insbesondere solche vom «Balkan» bzw. aus Südosteuropa, bei Bewerbungen für Lehrstellen oder bei der Wohnungssuche besonders schwer haben. Das haben fingierte Parallelbewerbungen, einmal mit «falschen», einmal mit «richtigen» Namen bewiesen.

Freiwillige Helvetisierung

Die Basler Ständerätin Anita Fetz hat schon 2009 mit einem Postulat den Bundesrat gebeten, die Frage zu prüfen, ob ausländische Namen bei Einbürgerungen auf freiwilliger Basis angepasst werden können, entweder bloss im Lautklang einer schweizerischen Amts- oder Landessprache oder mit einer vollen «Helvetisierung». Aus einem ungarischen «Mészaros» könne so ein schweizerischer Herr «Metzger» oder «Messer» werden.

Die Idee dahinter war, den Trägerinnen und Trägern ausländischer Namen Diskriminierung zu ersparen. In der Begründung findet sich das schöne Argument, dass Abweisung auf dem Arbeitsmarkt eine «volkswirtschaftliche Ressourcenverschwendung» bedeute.

Dagegen kann man einwenden, dass mit der Unsichtbarmachung von wenig geläufigen Namen die tatsächliche Vielfalt des Einwanderungslandes verschleiert wird und dieses zweifelhafte Entgegenkommen vor allem Menschen aus den unteren sozialen Schichten zugemutet wird. Inhaber von Kaderstellen, etwa ein Juraj Hromković braucht das nicht, er ist Professor für Informationstechnologie an der ETH Zürich.

Gegen Benachteiligung hilft nicht die Anpassung von Namen sondern der Kampf gegen Diskriminierungen.

Der gut gemeinte Vorschlag kann der Problematik insofern nicht gerecht werden, als die Diskriminierung, die sich für das Nichtgelingen von Integration fatal auswirkt, lange vor der Einbürgerung stattfindet und der Name sowie die damit verbundenen Vorstellungen selbst die Einbürgerung erschweren können.

Der Bundesrat wollte das fetzsche Postulat nicht übernehmen und machte in der Beantwortung einen guten, im Alltag aber vernachlässigten Punkt, als er wieder einmal darauf hinwies, dass Integration ein zweiseitiger Prozess sei, der neben dem Willen der Ausländerinnen und Ausländer auch die Offenheit der schweizerischen Bevölkerung voraussetzt. In diesem Sinne stehe bei der Vermeidung von Benachteiligungen aufgrund des Namens nicht Anpassungen der Personennamen im Vordergrund, sondern die Anstrengung zur Bekämpfung von Diskriminierungen.

Leute, die gerne diskriminieren, rechtfertigen sich, dass man eben schlechte Erfahrungen mit Trägern solcher Namen gemacht habe. Das war und ist auch die Haltung des SVP-Nationalrats Andreas Glarner, der in der «Arena»-Sendung erklärte, dass er mit Rassismus «kein Problem» habe.

Früher die Italiener, dann die Tamilen, jetzt die «Jugos»

Negative Erfahrungen werden gerne generalisiert, gute Erfahrungen dagegen, die man durchaus ebenfalls machen kann oder machen könnte, wenn man den Menschen überhaupt eine Chance gibt, tragen nichts zum allgemeinen Bild bei.

Zudem sind Zweifel angebracht, ob diejenigen, die mit negativen Vorurteilen herumlaufen, wirklich entsprechende Erfahrungen gemacht haben, oder einfach eine Projektionsfläche für ihre schwarzen Phantasien benötigen. Früher die Italiener, dann die Tamilen, dann die Türken, jetzt die «Jugos». Wen werden sie sich vorknöpfen, wenn diese einmal vollständig zur helvetischen Normalität gehören?

Die Frage, ob Namen «helvetisiert» werden sollen, ist bereits anlässlich der Einwanderung osteuropäischer Juden in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erörtert worden. Da ging es kaum um «-ics», sondern eher um «-inskys». Und da wäre es darum gegangen, mit Namensanpassungen neben «Osten» auch «Judentum» auszublenden, wie heute bei der «Ics»-Problematisierung diffus auch Islamophobie mitschwingt.

«Niemand war schon immer da»

Auch in jener scheinbar fernen Zeit hätte das Idealverhalten darin bestanden, nicht sogenannte Migrationshintergründe oder «Wurzeln», wie man auch gerne sagt, als negative Determinierung von Individuen zu verstehen, denn die Individuen können bekanntlich sehr verschieden sein.

Die meisten osteuropäischen Namen von damals sind nicht neutralisiert worden. Darum können wir jetzt die Erfahrung machen, dass diese Namen problemlos als zum helvetischen Normalbestand gehörig empfunden werden und es darunter zahlreiche so genannte Leistungsträger gibt, also Menschen, die unsere Gesellschaft stark machen.

In der medialen Nachbearbeitung des Swiss-Life-Case konnten wir in der Presse zahlreiche Namen zur Kenntnis nehmen, die wir heute nicht als unschweizerisch empfinden: etwa die vermeintlichen Urbasler Sarasin, die aus Frankreich und Deutschland «zu uns» kamen und einmal in fernen Landen gegen Sarazenen gekämpft haben. Man darf sich wieder einmal an den Spruch der Dauerausstellung des schweizerischen Landesmuseums erinnern: «Niemand war schon immer da.»

Und wenn der Kunde einen ungewohnten Namen hat?

Die von Swiss Life gewählte Lösung der Namensfrage ist, wie gesagt, nicht per se ein Skandal. Sie bietet jedoch Anlass zu ein paar zusätzlichen Überlegungen: Indem sie die Call-Center-Angestellten einlädt, «freiwillig» auf ihren Namen zu verzichten, verstärkt sie bei diesen das Gefühl, dass sie einen unguten Namen tragen. Und sie erschwert, dass die Kundschaft in gewöhnlichen und gewöhnenden Alltagskontakten die real gegebene Namensvielfalt der Schweiz wahrnimmt und nicht mehr, wie Swiss Life befürchtet, «verwirrt» reagiert.

Es bleibt aber die Frage: Was machen, wenn der willkommene Kunde selber einen ungewohnten Namen trägt?

Das Problem des Buchstabierens schwieriger Namen haben wir bei den meisten alteinheimischen Namen nicht, obwohl auch bei diesen nicht automatisch klar ist, wie man beispielsweise «von Ah» schreibt, ganz zu schweigen von Meier, Meyer und Maier.

Für die Miteidgenossen der französischen und italienischen Schweiz sind die Namen der deutschen Schweiz in der inneren Zuordnung kein Problem: Da kann jemand «Sommermatter» oder «Winterhalter» heissen und wird deswegen nicht automatisch als suspekter Zugewanderter mit problematischem Werteverhalten gedeutet. Das gibt Hoffnung.

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