Er hält es selber für einen Fluch: Knackeboul will immer ein bisschen gefallen. Aus diesem Grund wird er wohl auch diese Kolumne geschrieben haben, die zur Osterzeit passt wie der Heiland ans Kreuz.
Der Rapper Knackeboul. Eine Bezeichnung, die mir seit jeher widerstrebt. Obwohl es mich gleichzeitig wütend macht, wenn mir Hater aus der Szene trotz meiner vernichtenden Rapskillz diesen Titel absprechen wollen. Immer wieder ertönt ein «Sie, sind Sie nid dä Rapper?» an Kassen, auf der Strasse, in öffentlichen Verkehrsmitteln und Toiletten.
Inzwischen schaudert mich, wenn ich diese Worte höre. Aber sie sind ja nicht böse gemeint, also drehe ich mich um und bin: der Rapper Knackeboul. Oder noch genauer: dr Räpper Knäckebuhl. So ein bisschen wie «Der Räuber Hotzenplotz» – so ein kurliges Wesen. Dass sowohl die Berufsbezeichnung wie auch mein Künstlername mit ä ausgesprochen werden, macht das Ganze noch uriger, noch schweizerischer.
Wie ein Fluch
Der Rapper. Klingt ein bisschen wie: der Seppli oder der Chasper. Der Rapper Bligg. Der Rapper Stress. Der Rapper und das Model. Wieder schaudert mich. «Jaja, so sind sie, diese Rapper mit ihrem Hip-Hop.» «Immer am Beatboxen und Breakdancen, he.» Dazu wird mit den Händen gefuchtelt.
Ich weiss, ich hab mir die Scheisse selbst eingebrockt, indem ich mich nicht nur im Bus oder an der Kasse, sondern auch auf Bühnen und vor Kameras in dieses leicht nervige Wesen verwandle, sobald jemand das Zauberwort «dr Rapper Knäckebuuuuuuuhl» ausspricht. Und ein grosser Teil von mir ist ja auch so. Ich improvisiere gerne, egal vor welchem Publikum.
Ich beatboxe teils unkontrolliert und ich bringe die Leute gerne zum Lachen und Mitmachen. Aber ein Teil von mir verabscheut dieses Verhalten eben auch. Es ist wie ein Fluch. Aktuelles Beispiel: Ich bin am Zermatt Unplugged. Als Zuschauer. Auf der Bühne spielt eine sehr versierte Jazz-Band. Ich werde gebeten, in den Jam einzusteigen. Ich gehe auf die Bühne und freestyle. Soweit alles im dopen Bereich.
Sich selbst sein in jeder Situation, einen Fick geben – andere können das besser und stehen dafür oft schlechter da.
Das Publikum ist jedoch Upperclass. Ich sage das nicht wertend. Aber so sehr ich hier predigen möchte, dass Musik verbindet und dass es doch schön ist, wenn ich mit meinem Talent Grenzen und Klassen überwinden kann, so sehr zweifle ich an dieser Message. Denn ein Grossteil des Publikums hat es wieder getan. «He, dasch jetz aber cool gsi.» «Endlich mal einer, der mit seinem Rap etwas Schwung in die Bude bringt.» Und genau das habe ich auch getan: «Hände in die Luft – make some noise!» Alles war dabei.
Und eben: Ich verurteile die Situation nicht. Es war ja schön – das Verbindende ist eine Qualität der Musik. Ich versuche einfach, das Schubladisieren seitens Öffentlichkeit und Publikum und meine fast opportunistische Reaktion darauf zu analysieren. Seit fast zwanzig Jahren spiele ich das Spiel. Sich selbst sein in jeder Situation, einen Fick geben – andere können das besser und stehen dafür oft schlechter da.
Tendenz zur Gefälligkeit
Im Schriftlichen kann ich es, in Videos auch. Angriffig sein. Mich für meine Prinzipien unbeliebt machen. Im direkten Dialog taucht da immer dieser People-Pleaser in mir auf und ich werde versöhnlich. Und da liegt eben der Sauhund begraben. Meine neurotische Harmoniesucht ist eben auch ein Talent. Menschen vereinen und begeistern ist ein wichtiger Skill, aber eben auch anstrengend und verhängnisvoll.
Meine Tendenz zur Gefälligkeit im Kontrast zu meinem Bedürfnis, ehrlich und konsequent zu sein, hätten wir damit besprochen.
Nun zu euch. Und ich weiss, dass es «euch« nicht gibt, so wenig, wie es den Rapper Knackeboul gibt. Trotzdem: Ihr habt das Bedürfnis zu schubladisieren. Zu vereinfachen, um begreifen zu können. Dabei kann man eine Sache oder Person nicht begreifen, wenn man deren Komplexität nicht beachtet. Somit kreiert ihr den Rapper Knackeboul mit. Ich werde zu dem, was ihr in mir seht. Für euch und für mich. Aktiv und passiv.
Dass das zwanghafte In-keine-Schublade-passen-wollen eine selbstauferlegte Schublade sein kann, nehme ich in Kauf.
So wie andere zum Rocker, zum Kiffer, zum Banker werden, werde ich zum Rapper. Man kann sich dem fast nicht entziehen. Schlimm wirds erst, wenn man sich selbst spiegelt. «Ja, ich bin halt etwas verrückt, halt nicht wie die anderen.» «Ich bin halt voll die Rocker-Braut» etc. Meine Flucht vor dieser zombiemässigen Bildnishauerei ist die Diversität. Ich habe das Glück, als Künstler in Rollen schlüpfen zu können. Ich kann Alter Egos kreieren. Ich lasse mich nicht festnageln.
Es ist ein Kreuz mit dieser fixen Vorstellung, wie oder was ein Mensch ist oder zu sein hat. Also ist mein liebstes Hobby, aus Schubladen springen. Ich bin der Blödler in Web-Videos, der Meinungsbekunder in Politsendungen, der lustige Beatboxer, der Battle-Rapper, das Feindbild, der Musterschüler, der sympathische Typ, der nervt – ich bin David. Hallo. Dass es in der Schublade bequemer wäre, dass das ständige Switchen und Seiltanzen sehr anstrengend ist, und dass das zwanghafte In-keine-Schublade-passen-wollen eine selbstauferlegte Schublade sein kann, nehme ich dabei in Kauf.
Ich habe noch keine bessere Lösung gefunden für meinen Zwang, immer ein bisschen gefallen zu wollen, und euren Zwang, einen gefälligen Künstler sehen zu wollen. In diesem Sinne: Bum-Tschät-Badumdum-Tschät! Euer Rapper Knackeboul