Am Freitag startet der SC Freiburg mit einem Auswärtsspiel in Bochum die Rückrunde. SC-Trainer Christian Streich über eigene Ambitionen, die Solidarität zwischen den Ligen und eine Zukunft, in der das Leistungsprinzip weniger zählt als die Geldbörse von Clubeignern.
Herr Streich, der SC geht mit acht Punkten Vorsprung auf einen Nicht-Aufstiegsplatz in die Rückrunde (Tabelle am Ende). Trotzdem bestreiten Sie hartnäckig, dass Freiburg ein Aufstiegsfavorit ist.
Christian Streich: Ich werde nie sagen: «Wir wollen unbedingt aufsteigen.» So einen Satz werden Sie von mir nicht hören.
Aber es weiss doch jeder, dass es genau so ist.
Aber aufsteigen wollen doch acht andere auch. In dem Kontext sage ich das ja auch. Wir spielen einfach in einer Liga, in der jeder jeden schlagen kann – ausser Leipzig.
Viele Zweitliga-Trainer finden ja, dass Leipzig und der SC eine Klasse für sich sind, warum spielt denn RB Ihrer Meinung nach in einer anderen Liga als Freiburg?
Die Antwort ist jetzt nicht sonderlich originell, aber das Projekt Leipzig verfügt natürlich über Möglichkeiten, über die nur ganz wenige Mitkonkurrenten in Deutschland verfügen.
Sie haben im Winter mit Havard Nielsen, Pascal Stenzel und Florian Niederlechner drei neue Spieler geholt. Reicht das, um die Dauerverletzten zu kompensieren, zu denen sich jetzt auch noch Maximilian Philipp und Nils Petersen gesellt haben?
Wir wollen den Kader auf keinen Fall aufblähen. Ich will nicht vier, fünf Jungs sagen, dass sie am Wochenende auf die Tribüne müssen. So etwas birgt auch immer die Gefahr, dass das Gruppengefüge leidet.
«Ich will nicht vier, fünf Jungs sagen, dass sie am Wochenende auf die Tribüne müssen.» (Bild: imago sportfotodienst)
Zuletzt wurde viel über die zweite Liga diskutiert, mancher Erstligist hat versteckte Drohungen ausgesprochen, wonach man die Fernsehgelder auch zu Ungunsten der zweiten Liga neu verteilen könne, wenn die sich renitent zeigt. Wie ernst nehmen Sie diese Debatte?
Ich hoffe sehr, dass das nicht umgesetzt wird. Die Solidarität zwischen den Vereinen ist wichtig, da wurde im Vergleich zu anderen Ländern viel Gutes gemacht. Es ist wichtig für die erste Liga, wie die zweite wahrgenommen wird, auch wenn man es auf den ersten Blick vielleicht nicht sieht. Die zweite und die dritte Liga sind wichtig für den Stellenwert, den der Fussball hierzulande hat. Und die Erstligisten sind heilfroh, wenn von unten gut ausgebildete Kicker nachrücken.
Es bleibt der Eindruck, dass die zweite Liga erpressbar ist, so lange die Champions-League-Aspiranten damit drohen können, die Zentralvermarktung ganz aufzukündigen.
Die Machtverhältnisse sind klar, da brauchen wir nicht drüber zu reden.
Die zweite Liga ist nicht überbezahlt?
Das finde ich nicht, und das würde ich auch sagen, wenn wir in der ersten Liga spielen würden. Es wäre nicht gut, wenn die Schere zwischen den Ligen noch weiter auseinandergeht, sie geht ja so schon innerhalb einer Liga weit genug auseinander.
Was ist daran so schlimm?
Es geht darum, dass die Qualität in der Breite so hoch wie möglich ist. Dass es möglichst viele Vereine gibt, die nicht einem grossen Konsortium oder einer Person gehören. Es soll so viele echte Vereine wie möglich geben. Aber die gegenteilige Entwicklung ist nicht aufzuhalten.
Sie sind pessimistisch.
Es kann schon sein, dass ich das Zeitliche gesegnet habe, wenn gar kein eingetragener Verein mehr dabei ist.
Was stört Sie?
Es geht im Leistungssport doch darum, dass man über Leistung möglichst viel rausholt. Wenn du dann gut arbeitest, bekommst du mehr Geld – über die Leistung. Das hat Dortmund geschafft oder Bayern München, und das über Jahrzehnte. Wenn du Leistung zeigst, kommen Sponsoren, die mit dir zusammenarbeiten wollen, das ist auch bei uns so, das ist so im Profifussball.
«Das Mäzenen-Modell hat den Zusammenhang von Geld und Leistung aufgelöst.»
Beziehungsweise: So war es.
Das andere Modell hat diesen Zusammenhang aufgelöst. Das respektiere ich auch, aber ich will nicht, dass irgendwann nur noch solche Vereine in der Liga sind.
Dann lassen Sie uns schnell in die nicht ganz so apokalyptische Gegenwart zurückkehren. Als Mannschaft, die nach dem Abstieg im vergangenen Sommer so gut wie jeden Stammspieler verloren hat und nur einen Bruchteil der erlösten 20 Millionen Euro reinvestiert hat, schlägt sich der SC bislang mehr als ordentlich. Trotzdem wirken Sie manchmal fast schon panisch, wenn man Ihre Mannschaft lobt.
Es geht darum, dass die Leute, die Fussball lieben, ins Stadion gehen und sagen: «Ich komme wieder, denn da entwickelt sich etwas.» Aber natürlich war im Sommer auch eine gewisse Unsicherheit: Zeigen die Neuen das, was wir in ihnen sehen? Lernt Spieler X weiter dazu, oder stagniert er? Glücklicherweise haben sich die meisten dieser Fragen positiv beantwortet. Aber es stimmt schon, ich bin sicher jemand, bei dem das Glas eher halb leer ist als halb voll.
Sprich: Der Mann, der sich selbst attestiert, dass er gerne motzt, ist eigentlich ganz zufrieden?
Absolut zufrieden! Ich bin mit den Jungs zufrieden, aber ich will keine Zufriedenheit aufkommen lassen.