Ein in Spanien als historisch bezeichneter Prozess um angeblich manipulierte Spiele gibt Einblick in die Gepflogenheiten der obersten Liga. Mittendrin: Gabi Fernandez, in Saragossa ins Zwielicht geraten und inzwischen Captain bei Atletico Madrid, wo er die Achtelfinals der Champions League spielt.
Gabi Fernández umgibt eine gewisse Mystik: sein asketisches Gesicht, das scheue Lächeln, seine dunklen Lederjacken. Der Captain von Atlético Madrid ist eher der altmodische Typ Fussballer. Kein Facebook, kein Twitter, kein Instagram. Gabi behält die Dinge für sich, weshalb man seine Gefühlslage auch jetzt nur erahnen kann – da es so richtig ernst wird. Vor Gericht und für seine Karriere.
Heute, Mittwoch, wird der 31-Jährige den Vorjahresfinalisten in Leverkusen zur Champions League aufs Feld führen. Für denselben Tag ist vor der achten Strafgerichtskammer in Valencia der Beginn eines aufsehenerregenden Vernehmungsreigens angekündigt. 42 Beteiligte werden beschuldigt, am letzten Spieltag 2010/11 die Partie zwischen UD Levante und Real Saragossa manipuliert zu haben.
Zu den Hauptverdächtigen zählen Javier Aguirre, damals Trainer von Saragossa, dem wegen seiner Verwicklung in die Angelegenheit unlängst der Job als Nationaltrainer in Japan gekündigt wurde. Sowie Saragossas damaliger Captain: Gabi Fernández.
Die Geldkoffer gehören zur Fussballfolklore
Das Verfahren gilt als historisch. Erstmals wird in Spanien ein Fussballspiel vor einem ordentlichen Tribunal verhandelt. Nicht dass es dafür vorher keinen Anlass gegeben hätte – die «maletines», Geldkoffer, die insbesondere im Auf- und Abstiegskampf über die Halbinsel wandern, gehören fest zur iberischen Fussballfolklore.
Bei den ersten Anhörungen im Herbst leugneten alle Beteiligten die Vorwürfe. Der Präsident behauptete, die Spieler hätten von ihm die 965’000 Euro als Prämie eingefordert. Gabi erklärte, er hätte das erhaltene Geld in bar an den Vorstand zurückgegeben; er sei mit dem Geschäft einer Bitte von Iglesias nachgekommen, die er auf die angespannte Finanzlage des Clubs zurückgeführt habe. In der Tat meldete Saragossa einen Monat später das – in Spanien damals sportlich noch folgenlose – Insolvenzverfahren an.
Ihn hat die spanische Welle bereits fortgespült: Javier Aguirre wurde Anfang Februar als Nationaltrainer Japans weggeschickt. (Bild: Reuters/YUYA SHINO)
Nun erhält Iglesias als erster die Gelegenheit, seine Aussage zu korrigieren. Mit ihm beginnen an diesem Mittwoch die Vernehmungen. Am Freitag folgt die Aussage von Aguirre, kommenden Montag soll Gabi antreten und am Donnerstag Ander Herrera, inzwischen Spieler von Manchester United.
Die Verhöre sind bis zum 6. Mai angesetzt, wenn unter anderem Vicente Iborra geladen ist, damals Profi von Levante, heute in Sevilla angestellt und dort vorige Woche der Siegtorschütze beim 1:0 in der Europa League gegen Borussia Mönchengladbach. Das mögliche Strafmass reicht von sechs Monaten bis vier Jahre Gefängnis – und von einem Jahr bis sechs Jahre Berufsverbot.
Der Prozess könnte sich bis 2016 hinziehen
«Warum hätte ich mich auf so etwas einlassen sollen, wenn ich doch schon bei Atlético unterschrieben hatte?», soll Gabi bei seiner ersten Vernehmung den Staatsanwalt gefragt haben. Im Sommer 2011 kehrte der Madrilene zu seinem Heimatverein zurück, wo er Teil eines famosen Aufstiegs wurde und als Captain unter anderem 2013 den Königspokal sowie 2014 die Meistertrophäe in den Himmel stemmte.
Als verlängerter Arm von Trainer Diego Simeone und mit unaufgeregter Verlässlichkeit gab Gabi den Leuchtturm in Atléticos defensivem Mittelfeld. Erst diese Saison begannen seine Leistungen zu schwanken, das eine oder andere Mal wurde er früh ausgewechselt. Möglich, dass ihn der Prozess in Valencia beschäftigt. Ob schuldig oder nicht.
Fürs Erste dürfte Gabi weiterspielen. Hauptverfahren und Urteil könnten sich bis ins Jahr 2016 ziehen. Aber wenn der Captain von einem der grössten spanischen Klubs dann bestraft würde? Dann sei das eben so, sagt Ligachef Tebas. Der gelernte Anwalt ist nicht unumstritten, in seiner Jugend war er Mitglied einer rechtsradikalen Partei, später beriet er so manch dubiose Gestalt im Kickergewerbe.
Der Verbandspräsident und die Krebsgeschwüre
Umstrittene Figur: Spaniens Liga-Präsident Javier Tebas, der seinen Laden aufräumen will.
Aber Tebas kann sich zugute halten, dass die LFP seit seiner Amtsübernahme vor zwei Jahren erstmals mehr ist als ein blosses Verlautbarungsorgan. Die Probleme des spanischen Fussballs werden nicht mehr zum Schutze des «Produkts» verschleiert, sondern wirklich angegangen – von den Schulden über die Ultras, von der Verteilung der Fernsehgelder bis eben zu den Spielmanipulationen.
Auf diesem Gebiet pflegt Tebas eine regelrechte Obsession. Permanent lässt er seine Behörde verdächtige Partien untersuchen oder lehnt sich mit öffentlichen Betrugsvorwürfen aus dem Fenster.
«Das Problem ist wie ein Krebs, den es auszurotten gilt, bevor er Metastasen schlägt», sagt er. Das Verfahren von Valencia dient vor diesem Hintergrund auch als eine Art Musterprozess mit erhofft abschreckender Wirkung. Denn in Wahrheit sind die Metastasen ja seit Jahrzehnten präsent.
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Die Achtelfinals der Champions League 2014/15 | ||
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Resultat | Rückspiel | |
Bayer Leverkusen–Atletico Madrid | Mi, 20.45 h | 17.3. |
Arsenal FC–AS Monaco | Mi, 20.45 h | 17.3. |
Schalke 04–Real Madrid | 0:2 | 10.3. |
FC Basel–FC Porto | 1:1 | 10.3. |
Schachtjor Donezk–Bayern München | 0:0 | 11.3. |
Paris St-Germain–Chelsea FC | 1:1 | 11.3. |
Manchester City–FC Barcelona | 1:2 | 18.3. |
Juventus Turin–Borussia Dortmund | 2:1 | 18.3. |