Im Basler Wahlkampf sind Fakten reine Ansichtssache

Der Wahlkampf in Basel tritt in die wilde Phase ein: Der Gewerbedirektor poltert freihändig gegen die linke Regierung und wird dafür von einem streitlustigen Genossen gestellt.

Geben sich auf die Mütze: Spion & Spion alias Kaspar Sutter und Gabriel Barell.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Der Wahlkampf in Basel tritt in die wilde Phase ein: Der Gewerbedirektor poltert freihändig gegen die linke Regierung und wird dafür von einem streitlustigen Genossen gestellt.

Es ist der erste grosse Basler Wahlkampf für Gabriel Barell. Und er kämpft mit Händen und Füssen. Würde er sich für ein Amt bewerben, müsste man ihm grosses Engagement attestieren. Tut er aber bekanntlich nicht. Erstens, weil er in Binningen wohnt. Zweitens ist Barell Gewerbedirektor und als solcher, wie er betont, qua Amt unparteiisch, solange nicht die Interessen des Gewerbes tangiert sind.

Barell legt seine Unparteilichkeit zugunsten des Gewerbes so aus, dass er alles attackiert, was von den Linken kommt – erst recht, seit diese ihren eigenen Gewerbeverband gegründet haben. In einer Diskussion im SRF-«Regionaljournal» versuchte sich der frühere Banker nun darin, die Leistungsbilanz der linken Regierung zu zerpflücken. Insbesondere in die rot-grüne Behauptung, in den letzten Jahren 20’000 Jobs geschaffen zu haben, verbiss sich Barell.

Die 20’000 neuen Arbeitsplätze seien «praktisch allesamt im Bereich Life Sciences entstanden», behauptete Barell und unterstrich diese Aussage, indem er sie gleich wiederholte: Man müsse «die 20’000 Arbeitsplätze immer betrachten, nochmals, die kommen primär und fast einzig aus den Life Sciences».

«Etwas zugespitzt.»
Gewerbedirektor Gabriel Barell 

Das war Runde eins – und die rief Kaspar Sutter, Vorzimmeronkel von Finanzdirektorin Eva Herzog und neuerdings ambitionierter Grossratskandidat für die SP, in den Ring. Der streitbare Genosse schaute nach und stellte in seinem Blog fest: «Diese Aussage ist komplett falsch und es ist sehr erstaunlich, dass ein Gewerbedirektor nicht weiss, wo seine Mitglieder und die grossen Firmen in den letzten Jahren Arbeitsplätze geschaffen haben.»

Denn von diesen 20’000 Jobs fallen gerade Mal 4900 auf Firmen im Sektor Life Sciences ab. Zack und wumms. Runde zwei – Barell geriet schwer ins Taumeln.

Und kam so schnell auch nicht wieder hoch. In einer Duplik auf Sutters Replik räumte Barell kleinlaut ein, seine Aussage «war in der Situation des Live-Streitgesprächs sicher etwas zugespitzt».

Linke Schuldenwirtschaft?

Runde drei: Der Gewerbedirektor kreidet die angebliche Schuldenwirtschaft der linken Regierung an. Sagt den Satz: «Die Verschuldung hat seit Rot-Grün signifikant zugenommen.» Und erhält dafür gleich wieder aufs blonde Haupt.

Sutter erwidert: «Diese Aussage ist falsch, das Gegenteil ist wahr. Ende 2004 lag die Nettoverschuldung von Basel-Stadt bei 3,4 Milliarden Franken, heute, nach 11 Jahren Rot-Grün liegt sie bei 1,8 Milliarden Franken. Hätte die rot-grüne Regierung keine Pensionskassen-Deckungslücke der Vorgängerregierung übernommen, wäre Basel-Stadt heute schuldenfrei.»

Bitschbatschbumms. Doch Barell rappelt sich nochmals auf, versucht unter dem Titel «Was Herr Sutter verschweigt …» einen Konter: «Betrachtet man die Entwicklung der Nettoschuldenquote seit 2011, sieht die Bilanz von Rot-Grün weniger rosig aus. Die Nettoschuldenquote steigt von 2,8 auf 4,2 Promille.» 

Warten auf die Triplik

Selektive Auslegung der Fakten könnte man das nennen. Lustigerweise bezichtigt Barell den Generalsekretär des Finanzdepartments genau dessen in der abschliessenden Runde dieses denkwürdigen Schlagabtauschs. Dort wehrt sich Sutter gegen Barells Aussage, Basel-Stadt würde seine Investitionen nur auf Pump tätigen. Rechne man die Pensionskassensanierung und die Auslagerung der Spitäler heraus, seien sämtliche rot-grünen Regierungsjahre zu hundert Prozent eigenfinanziert gewesen, besserwisserte Sutter. 

Worauf, um zum Ende dieses gehässigen Duells zu kommen, Barell das aktuelle Budget 2017 heranzog, wo mit einem bescheiden tiefen Selbstfinanzierungsgrad von 61 Prozent kalkuliert wird. 

Folgt auf die Barellsche Duplik eine Suttersche Triplik, könnte dieser die aktuellen Negativzinse anführen, die den Sinn der Selbstfinanzierung infrage stellen.

Wo sind die VIPs?

Weil eine erneute Erwiderung die Folge wäre, blicken wir lieber in die VIP-Lounge der Arena «Rechts gegen Links» und stellen fest, dass diese gerade unbesetzt ist. Während der Gewerbedirektor vogelwild austeilt, tummeln sich jene, denen er die Bahn frei-argumentieren will, in der Cocktailbar.

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