Im Elsass ist der Front National wie ein Fisch im Wasser

Der französische Front National will am Sonntag im zweiten Durchgang der Regionalwahlen nachlegen. Die besten Chancen hat er nördlich der Schweizer Grenze.

Florian Philippot ist der Frontrunner des Front National in der Grossregion Elsass-Lothringen-Champagne-Ardenne.

(Bild: MATHIEU CUGNOT)

Der französische Front National will am Sonntag im zweiten Durchgang der Regionalwahlen nachlegen. Die besten Chancen hat er nördlich der Schweizer Grenze.

Alles spricht von den beiden Blondinen: Marine Le Pen erzielte vor einer Woche im Norden Frankreichs über 40 Stimmenprozent, ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen tat es ihr im Süden gleich. Trotzdem werden ihre Wahlchancen bei der Stichwahl am Sonntag laut Umfragen auf unter 50 Prozent veranschlagt. Denn die Sozialisten haben ihre Kandidaten auf Weisung von Präsident François Hollande im Norden und Süden zurückgezogen, um dem bürgerlichen Rivalen den Vortritt zu lassen und so einen Triumph der beiden Le Pen-Frauen zu verhindern. 

Hinter ihnen hat sich Florian Philippot zum Frontrunner der Front aufgeschwungen: Der smarte 35-jährige Parteivize von Le Pens Gnaden kandidiert in der Grossregion Elsass-Lothringen-Champagne-Ardenne und könnte von einer mangelnden Absprache seiner Gegner profitieren. Philippot erzielte im ersten Wahlgang 36 Prozent der Stimmen, der konservative Republikaner Philippe Richert 26 Prozent und der Sozialist Jean-Pierre Masseret 16 Prozent. Letzterer weigert sich allerdings, den Platz zu räumen, was die Wahlchancen des FN-Kandidaten automatisch erhöht.

Die Region nördlich von Basel könnte in die Hände von Rechtspopulisten geraten

Die Region nördlich von Basel, die bis nach Belgien reicht und 5,5 Millionen Einwohner zählt, könnte damit die erste und einzige sein, die am Sonntag in die Hände der französischen Rechtspopulisten gerät. Die französischen Regionen haben zwar wegen der Übermacht des Zentralstaates nur wenig Kompetenzen; Philippot machte aber in einer lokalen Fernsehdebatte klar, dass er sie soweit wie möglich ausnützen werde; zum Beispiel gedenkt er die regionale Subvention von 600 000 Euro für den Bau einer Moschee in der elsässischen Metropole Strassburg zu streichen.

Ausserdem will sich Philippot dafür einsetzen, dass die von Hollande 2014 vorgenommene Territorialreform rückgängig gemacht wird. Die Elsässer waren laut Umfragen grossmehrheitlich gegen die Fusion mit Lothringen, der Champagne-Gegend und den Ardennen, und der Widerstand ist bis heute nicht eingeschlafen. Während sich die Republikaner von Nicolas Sarkozy damit abgefunden haben, verteidigt der FN zusammen mit dem Verein Alsace d’abord («Elsass zuerst») die «identitäre» Strömung der knapp zwei Millionen Elsässer.

Wegen Vandalismus gegen jüdische und muslimische Friedhöfe hat das Elsass einen «rechten» Ruf.

Diese beiden Formationen sind keine lokalen Newcomer: Vor zehn Jahren schon kamen ihre Kandidaten zusammen auf 28 Prozent der Stimmen. Schon damals meinte der Soziologe Philippe Breton: «Im Elsass ist der Front National wie ein Fisch im Wasser». Ihren «rechten» Ruf hat sich die kleine Region am linken Rheinufer auch mit vielen Vandalenakten gegen jüdische und muslimische Friedhöfe eingehandelt. 

Wirtschaftslage beflügelt den Front National

Ein weiterer Grund für das starke Abschneiden der Frontisten ist die Wirtschaftslage. Im Elsass sind 9,2 Prozent der Erwerbstätigen arbeitslos. Das ist etwas weniger als im nationalen Schnitt – beruht aber auf einer starken Zunahme. Die arbeitsamen Elsässer machen dafür nicht nur die Regierung im fernen Paris verantwortlich, sondern vermehrt auch die gaullistischen Republikaner, die ausserhalb von Strassburg seit dem Zweiten Weltkrieg die elsässische Politik beherrschten. 

Die Region «Grand Est» (Grosser Osten) besteht aber nicht nur aus dem wohlhabenden Elsass, sondern vielen verarmten Departementen. In Lothringen, der Champagne und den Ardennen zeigt sich das neue, ländliche Ausmass des FN-Phänomens. Früher erhielt die fremdenfeindliche Partei vor allem in traditionellen Immigrantengebieten der Pariser oder nördlichen Industriezentren Zulauf. Heute sind dazu auch «periurbanen» Zonen an den Rändern der Grossstädte betroffen, dazu auch ländliche Regionen, wo Fabriken und Bauernhöfe en masse schliessen. Der Geograf Christophe Guilluy nennt dieses FN-Territorium «den Rand Frankreichs».

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