Rechte Hooligangruppen haben ihr Mobilisierungsthema gefunden und vernetzen sich international. Die Randale von Brüssel wird in diesen Kreisen als Fanal gefeiert.
Als am vergangenen Sonntag 400 Hooligans in der belgischen Hauptstadt die Gedenkfeier für die Brüsseler IS-Opfer störten, Trauergäste schlugen und rechte Parolen grölten, war die Empörung gross. Es war das erste Mal seit der aus dem Ruder gelaufenen Grossdemonstration der «Hooligans gegen Salafisten» 2014 in Köln, dass eine gewalttätige Menschenmenge, die fast ausschliesslich aus Hooligans bestand, im Zentrum einer europäischen Grossstadt Angst und Schrecken verbreitete.
Die Polizei musste mit einem massiven Aufgebot gegen die pöbelnden Hooligans vorgehen. (Bild: YVES HERMAN)
Für Kenner der Szene wie den Berliner Fanforscher Robert Claus sind allerdings weder der Zeitpunkt noch der Anlass für die Randale überraschend. Seit gut zwei Jahren beschäftigten sich viele europäische Hooliganszenen fast ausschliesslich mit Zuwanderung und Islamismus, sagt er. «Das ist das beherrschende Thema.» Längst sind dabei Allianzen über Landesgrenzen hinweg entstanden.
Mit den Brüsseler Ausschreitungen solidarisierten sich Stunden später dutzende europäische Gruppen. Selbst in den USA posteten Ultras des Erstligisten New York City Football Club Bekenntnisse gegen den Islamischen Staat. In Deutschland tummeln sich derweil viele Ultra- und Hoolgruppen auf einer Seite mit dem Titel «Ultras not reds».
Keine Unterschiede zwischen IS-Schlächtern und Flüchtlingen
Nun sind Bekenntnisse gegen den IS natürlich keinesfalls ein rechtes Statement. Die Gräueltaten der Extremisten werden quer durch alle politischen Lager hindurch aufs Schärfste verurteilt. Und doch braucht man bei den «nicht-roten» Ultras nicht lange zu rätseln, aus welchem Spektrum die Unterstützer aus dem In- und Ausland kommen. Keltenkreuze, Reichsfahnen, Yr-Runen und «Refugees-not-welcome»-Buttons finden sich dutzendweise in den Postings aus dem In- und Ausland. Vor allem in vielen osteuropäischen Ultra- und Hooligangruppen erfährt rechtsextremes Gedankengut breite Akzeptanz.
Gleiche Parolen, gleiche Ideologie: Rechtsextreme verbünden sich grenzübergreifend gegen den Islamismus. (Bild: YVES HERMAN)
Fussballschläger aus Polen, Russland, der Ukraine, Tschechien oder Ungarn – zum Teil völlig analog zur Mehrheitsstimmung in der Bevölkerung – machen dann auch keinerlei Unterschiede zwischen den IS-Schlächtern und Flüchtlingen und lancieren martialische Kampf- und Mordaufrufe gegen beide.
Parallel läuft in Deutschland eine Entwicklung ab, in der ältere Hooligans wieder aktiver werden und im Islam-Thema ein Mobilisierungsfeld gefunden haben, während gleichzeitig einige Ultragruppen an den Rändern ausfransen. In mehreren Szenen hört man derzeit die Klage, dass vor allem Jüngere den Gewalt-Kick suchen und immer mehr Zeit in den Mixed-martial-Arts-Studios ihrer Städte verbringen. Viele von ihnen sind fasziniert von der Militanz, wie sie in Brüssel oder Osteuropa zutage tritt: «Viele extrem rechte Hooligangruppen gucken mit einem fast schon neidischen Blick auf die Szenen in Osteuropa, vor allem in Russland», sagt Robert Claus. «Die dortige Szene gilt als sehr hart und hat keine Probleme, mit Hakenkreuzen aufzutauchen.»
Fliessende Übergänge zwischen Hooligans und Bürgerwehr
Doch auch die gewaltbereite Fussballszene in Deutschland begreift sich zunehmend als politischen Akteur. In Leipzig-Connewitz, einer Hochburg der linken Szene, hinterliessen Mitte Januar 250 rechte Hools eine Spur der Verwüstung. Auch bei den Pegida-Demos und ihren Ablegern sind Hooligans eine tragende Säule – bei den Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte in Freital oder Heidenau wurden zahlreiche Hooligans an vorderster Front erkannt. Und Anfang des Jahres musste die Polizei gleich an mehreren Orten «Bürgerwehren» auflösen, die rechte Hooligans gebildet hatten. In Köln und Mönchengladbach löste die Polizei die alkoholisierten und bewaffneten Gruppen auf, in Bielefeld fand sie Sturmhauben, Messer, Fackeln und Quarzsandhandschuhe.
Gerade in der Rocker- und Türsteherszene, aus der sich in vielen Städten die Hools rekrutieren, geht es neben ideologischen Punkten oft auch um pure Revierstreitigkeiten. Und darum, wer das Sagen auf der Strasse hat. Als im September 2014 in Wuppertal eine «Scharia-Polizei» patroullierte, war der Aufschrei laut. Dass sich kurz darauf exakt aus diesen Kreisen die ersten selbst ernannten Bürgerwehren gründeten, war dann auch kein Zufall.
«Isis und Islam werden in den kommenden Jahren die grosse Klammer für Rechtsextreme und gewaltbereite Hooligans sein.»
Fanforscher Robert Claus
Die staatliche Strafverfolgung stösst in diesen Mischszenen oft an ihre Grenzen. Wie auch im Bereich der politischen Kriminalität suchen Staatsanwälte und BKA oft noch nach klassischen Organisationsformen. Doch weder Hooligans noch Rechtsextreme – es sei denn, sie gehen so befremdlich naiv vor wie die jüngst verbotene «Old School Society» – organisieren sich in diesem Jahrhundert mit Mitgliedsauweisen und Kassenprüfern. Sozialwissenschaftler sind im Gegensatz zu staatlichen Behörden daher auch längst dazu übergegangen, von «kollektiven Identitäten» statt von Vereinigungen zu sprechen.
Um die Gruppierung «Hooligans gegen Salafisten» (Hogesa), die 2014 fast 5000 Anhänger mobilisierte, ist es derweil ruhig geworden. Stattdessen werden im Forum «Hooltras Deutschland» Gewaltorgien wie die von Connewitz offen abgefeiert. Die Organisationsformen der rechten Hooligans haben sich also gewandelt. Doch nach Ansicht von Claus hat die Szene längst das Thema gefunden, mit dem sie auch in den kommenden Jahren mobilisieren werden: «Isis und Islam werden in den kommenden Jahren die grosse Klammer sein.»