Im Norden Europas gibt es ein Städtchen, das nicht nur wegen den sieben Bergen drumherum wie aus einem Märchen wirkt. Doch Bergen ist auch das pulsierende kulturelle Zentrum der norwegischen Küste.
Nach dem Regen scheint die Sonne besonders hell, heisst es. Man möchte es den Menschen in dieser kleinläufigen, idyllischen Stadt aufmunternd zurufen, wenn sie sich wieder einmal in modischen Gummistiefeln und stilsicheren Regenjacken durchs berüchtigte Bergenser Wetter kämpfen. Es regnet oft in Bergen, der regenreichsten Stadt Europas. Doch wer sich für ein paar Tage in diese alte Hansestadt traut, die umgeben von sieben Bergen, dem Golfstrom-gewärmten Atlantik und in einem Labyrinth von Fjorden liegt, der wird belohnt.
Zum Beispiel mit einem überschäumenden Kulturangebot: Bergen hat 272’000 Einwohner, 100’000 mehr als Basel. Das Stadtzentrum erstreckt sich über wenige Kilometer auf einer Landzunge mitten im Fjord. Doch so manche Band hat sich aus dem westnorwegischen Städtchen auf die Bühnen von London, New York und Tokio gespielt.
Was die norwegische Presse gar zur Ausrufung der Bergen Wave verleitete. Zu sehen sind die Kings of Convenience und Röyksopp von morgen zum Beispiel auf der Bühne des Studi-Clubs Det Akademiske Kvartet oder im avantgardistischeren Landmark. Grössere Konzerte wie zum Beispiel bald Rufus Wainwright findet man in der alten Sardinenfabrik USF Verftet, die auch ein Arthouse-Kino und ein Café direkt am Meer beherbergt. Der beste Club der Stadt ist das alternative Østre, das immer wieder auch internationale DJs in den hohen Norden holt.
Grieg hatte gern Gäste im Haus, doch er vertrug die Menschen nicht. Darum zog er sich oft in sein Komponistenhüttchen zurück, wo ihm seine romantischsten Stücke einfielen. (Bild: Timo Posselt)
Neben der Musik bietet Bergen auch für Kunstaffine ein Museum mit einer bemerkenswerten Sammlung mit Werken des Norwegers Edvard Munch und meist gesellschaftspolitischen zeitgenössischen Ausstellungen. Nicht zuletzt ist Bergen auch die Heimatstadt von Edvard Grieg, der uns zum Beispiel die Henrik-Ibsen-Vertonung «Peer Gynt» hinterliess. Etwas ausserhalb der Stadt dient Griegs einstige Sommerresidenz heute als Museum. Auch im Winter lässt sich zwischen malerischen Hügeln und dem spiegelglatten Nordåsvatnet-See, gut ein halber Tag verbringen. Klassische Musik lässt sich in der architektonisch beeindruckenden Grieghalle regelmässig lauschen.
Neben dem zum Unesco-Weltkulturerbe zählenden Hanse-Viertel Bryggen gehört die Natur rund um Bergen zu den grössten Attraktionen der Stadt. Es heisst gar, wer nur einen kleinen Teil Norwegens bereisen kann, solle sich Bergen aussuchen, schliesslich sei die Stadt «Norwegen in einer Nussschale», wie es werbewirksam in der Bergener Touristeninformation heisst.
Bryggen war einst das Handelsviertel der Stadt, im Sommer wird es inzwischen von Touristen, die hier zu Kreuzfahrten aufbrechen, überschwemmt. (Bild: Timo Posselt)
Zum touristischen Grundprogramm gehört eine Fahrt mit dem Funiculaire oder einem dreiviertelstündigen Spaziergang auf den Bergenser Hausberg Fløyen, der sich direkt über dem Stadtzentrum erhebt. Oben angekommen, kann man sich in der erhebenden Aussicht über Stadt, Fjord und Meer verlieren oder zu einer Wanderung starten. Zahlreiche Routen führen von hier durch die scheinbar stadtferne Natur unter anderem über die anderen sieben Berge und auf den weniger bekannten Berg Ulriken.
Doch eins gilt für die malerischen Wanderungen um Bergen wie für den Samstagsbummel: Regntøy, wie regenfeste Kleider auf Norwegisch heissen, sind unabdingbar. Wer sich vom einen oder anderen Tropfen pro Tag nicht einschüchtern lässt, wird Bergen geniessen. Und wer den Regen sogar liebt, wird auch Bergen lieben – und länger als nur ein Wochenende bleiben.
In einem Tagesausflug lässt sich die Fjordlandschaft zwischen Gudvangen und Flåm bequem erkunden. (Bild: Timo Posselt)
- Ausschlafen: Ist man bereit etwas auszugeben, ist das historische Hotel Park auf dem Universitäts-Hügel die beste Wahl. Es liegt direkt am ruhigen Nygårds-Park, in dessen Untergrund, aber ausser Hörweite der legendäre Club Hulen liegt. Ansonsten bieten sich die zahlreichen Pensionen vor allem von hübschen Holzhäuschen nur so strotzenden Nordnes zur Übernacht an.
- Anbeissen: Die interessanteste Kombination aus traditioneller westnorwegischer Küche und experimentierfreudiger Weltläufigkeit bietet das «Bare Vestland» am Fischmarkt. Es serviert die norwegische Antwort auf Tapas, ist moderat im Preis und bestechend im Geschmack. Wer es ein wenig traditioneller haben möchte, geht in das gediegene «Naboen» mit schwedischer Küche. Günstige Speisen bieten auch das «Pingvinen» und das «Kafe Spesial» an, wohin es viele Studis zum Bier nach der Vorlesung verschlägt.
- Austrinken: Mehr Kaffee als in Norwegen wird nur in Finnland getrunken. Meist trinken sie ihn hier schwarz und als Filterkaffee. Doch was fast noch wichtiger ist, ist die Gemütlichkeit drumherum. Dafür gibt es ein eigenes Wort «koselig», was «kuuscheli» ausgesprochen wird und etwas zwischen heimelig und kuschelig bedeutet. Die koseligsten Cafés sind das studentisch-hippe «Nobel Bopel», das unangestrengte «Klosteret» mitten im pittoresken Nordnes oder das «BKB» in der Nähe von Bryggen, das Bohnen aus eigener Rösterei verwendet.
- Anstossen: Alkohol ist in Norwegen teuer. Es gibt eine Reihe von Bars, wo sich herrlich bei einem der süsslich-milden lokalen Biere auf die vorbeiziehenden Regenschirme blicken lässt. So zum Beispiel in dem skandinavisch stilvollen «Ujevnt», dem alternativ-hippen «Legal» oder dem niederschwelligen «Victoria», zu dessen Stammkundschaft auch Fussballfans gehören. Speziell: Hier arbeiten nur Frauen, weil sich angeblich die Fans deshalb anständiger benehmen.
- Auslesen: Bergen ist zwar nicht die politische, doch inzwischen die literarische Hauptstadt Norwegens. Neben dem bekannten Bühnenautor Jon Fosse, der hier studierte, unterrichtete und auch zeitweise wohnt, sind es vor allem die beiden breitdiskutierten Autobiografen Karl Ove Knausgård und Tomas Espedal, die viel in und über Bergen schreiben. Letzterer wohnt sogar noch hier und unterrichtet an der Akademie für Schreibkunst, wo Knausgård einst studierte. Knausgårds Studienjahre in Bergen lassen sich im neuen Schlüssel-Buch «Träumen» seines autobiografischen Hauptwerks «Min kamp» nachlesen. Viele der Kneipen, in denen er damals abstürzte, gibt es heute noch.