Urnen, Särge, Leichenwagen und Trauerbilder – was für ein Mensch muss das sein, der solch skurrile Dinge sammelt? Ein verschrobener Kauz mit Todessehnsucht? Ein schwarz gekleideter Satanist mit Kajalschminke und Pentagramm-Kette? Keineswegs! Peter Galler, der Gründer des Museums für Bestattungskultur auf dem Friedhof Hörnli, ist voller Lebensfreude und bringt seine Besucher gerne zum Lachen.
«Dort oben ist meine Frau», sagt der ehemalige Grabmacher-Meister zu Beginn der Führung. Er zeigt auf eine Urne, die ganz alleine auf einem Holzregal steht. «An der Museumsnacht schaut sie nach dem Rechten. Verhält sich ein Angestellter nicht, wie er soll, dann kriegt er von ihr eins hinter die Löffel!» Man lacht. Seltsam: Ab sofort fühlt man sich irgendwie beobachtet.
Frau Gallers Urne ist die einzige, die «bewohnt» ist. Alle anderen stehen unbenutzt hinter Glasvitrinen. Angefangen hat alles vor 55 Jahren im Keller des Friedhofs Hörnli. Der war mit einigen dieser leeren Urnen gefüllt. Platz musste her. Deshalb wurde der damals 20-jährige Galler beauftragt, alle Urnen zu zerschlagen.
Doch Galler stiess dabei auf eine Serie aus dem 19. Jahrhundert, deren Handwerk ihn derart beeindruckte, dass er sie unmöglich gefühllos in Schutt und Asche zu legen vermochte. Was er mit den Urnen machen wollte, wusste er nicht. Sein damaliger Chef hingegen schon: Ein Museum sollte her. Und somit begann Galler zu sammeln.
Letzte Ruhe in der Fussballurne
Warum er damals Ja zum Museum sagte, weiss der heute 75-Jährige nicht mehr. Aber heute weiss er, seine Sammlung ist Kulturgut beziehungsweise überhaupt Kultur: «Als wir Menschen anfingen, unsere Toten zu bestatten und sie nicht einfach vor die Höhle oder in den Wald zu werfen, in dem Moment hat Kultur begonnen. Bei Kultur sprechen immer alle von Musik und Museen. Aber der Tod, das Sicherste auf Erden, ist doch auch Kultur.»
In der Zwischenzeit haben sich im Museum einige Kuriositäten angesammelt: da eine runde Fussball-Urne, dort eine Tupperware-Urne aus Plastik oder eine Öko-Urne aus Orangenschalen und Kartoffelstärke – es findet sich hier alles Erdenkliche.
Für Reisefreudige gibt es die Transporturne. Galler sieht das ganz pragmatisch: «Viele sterben im Ausland und kommen im Handgepäck nach Hause. Es ist viel vernünftiger, sich im Ausland kremieren zu lassen, statt einen Sarg zu transportieren.»
Von Haarbildern bis Leichenschlitten
Skurril beginnt die Führung und skurril geht es weiter im Museum für Bestattungskultur: An der Wand hängen Bilder, die mit der sogenannten Haarstaubtechnik angefertigt wurden. Es handelt sich dabei um Ahnenbilder, wie sie im 19. Jahrhundert beliebt gewesen sind. Der Künstler nahm das Haar einer verstorbenen Frau, mahlte es zu feinem Staub und klebte es auf. Es gab auch Haararbeiten, die gewoben oder geflochten sind, oder Goldschmuck auf Haarbasis. Eine solche Kreation ist immer Trauerarbeit im wahrsten Sinne des Wortes.
Es kommt aber noch schräger! Bei den Gelenkersatzteilen, da «tätschts d Lüüt ewäg», sagt Galler. Tatsächlich: Man kann sich kaum vorstellen, dass die riesigen Metallstücke in der Vitrine mal als Hüft- und Kniegelenke in einem Menschenkörper untergebracht gewesen sein sollen. Da diese Teile bei einer Kremation nicht verbrennen, bleiben sie übrig.
Für Galler sind dies Zeitdokumente. Niemand habe ihm geglaubt, dass diese Metallstücke später mal interessant sein könnten. Das genaue Alter der Implantate kennt er nicht. Um es festzustellen, hofft er auf die Hilfe einer universitären Fachperson.
Selbst die Leichenwagenabteilung birgt Überraschungen: den Leichenwagenschlitten aus Davos etwa. Oder den Leichenwagen, in dem die Frau von Henri Guisan zu ihrem Grab gebracht wurde. Die Gefährte stammen aus der ganzen Schweiz. Galler hat sie persönlich nach Basel transportiert.
Keine Angst vor dem Gottesacker
Und wer schaut sich das alles an? Schulklassen, Vereine, Zünfte, Geburtstags-Gesellschaften – alles sei dabei, sagt Galler. Aus der Stadt Basel würden allerdings nie Schulklassen kommen. Auch finanziell bekomme er von der Stadt keine Unterstützung. «Irgendwie ist dieses Museum schwierig für die Stadt Basel», glaubt Galler.
Ums Geldverdienen gehts ihm aber ohnehin nicht. Viel wichtiger ist ihm die Botschaft, die er mit dem Museum vermittelt: «Wenn ich einem Kind die Angst vor dem Gottesacker nehmen kann, habe ich doch schon etwas Supergutes gemacht.» Einmal sei ein Altersheim da gewesen, «da verrecksch, die alten Leute sind so richtig aufgeblüht!»
Galler spricht Dinge aus, vor denen viele Angst haben. Deshalb fordert er Kinder dazu auf, sich auf die Leichenwagen zu setzen. Oder er empfiehlt Schülerinnen, statt nur ein Selfie mit dem Pest-Sarg zu machen gleich eine ganze Pest-Beerdigung in der Schule zu inszenieren. Angst vor dem Tod hat er selbst nicht: «Ich bin ein Gast auf Erden – da fällt Abschied nehmen nicht schwer.»
Und was passiert mit dem Museum, wenn sein Besuch zu einem Ende kommt? «Zum Glück gibt es einen Verein, der sich darum kümmern kann. Schön wäre auch, wenn ein Studierter daran weiterarbeiten kann», sagt er. Sicher ist schon heute: Wenn es so weit ist, wird Galler in derselben Urne wie seine Frau hausen und von dort aus mit ihr zusammen über das Museum wachen.
Sammlung Friedhof am Hörnli, Hörnliallee 70 in Riehen, geöffnet jeden 1. und 3. Sonntag im Monat von 10.00 bis 16.00 Uhr.