Im Ständerat hat sich der Wind für den Naturschutz gedreht

Der Ständerat subventioniert die Wasserkraft ebenfalls und schwächt den Landschaftsschutz. Damit nähert er sich bei der Energiestrategie dem Nationalrat an.

(Bild: Nils Fisch)

Der Ständerat subventioniert die Wasserkraft ebenfalls und schwächt den Landschaftsschutz. Damit nähert er sich bei der Energiestrategie dem Nationalrat an.

Ein rechtes Referendum gegen die neue Schweizer Energiestrategie ist kaum mehr zu erwarten, nachdem das Parlament die Vorlage verwässert und mit neuen Subventionen ergänzt hat. Doch die schon früher absehbare Schwächung des Landschaftsschutzes, die der Ständerat gestern besiegelte, provoziert jetzt eine neue Volksinitiative.
 
Konkret: Schon Bundes- und Nationalrat hatten beschlossen, im Konfliktfall müsse das nationale Interesse am Bau von Anlagen, die erneuerbare Energie nutzen, gleich gewichtet werden wie der im Gesetz verankerte Natur- und Landschaftsschutz. Damit dürfen Wasser- und Windkraftwerke sogar in vom Bund inventarisierten Landschaften von nationaler Bedeutung erstellt werden. Diese Aufweichung des Landschaftsschutzes begrenzte der Ständerat ursprünglich mit der Einschränkung, betroffene Gebiete dürften «nicht im Kern ihres Schutzwertes verletzt» werden. Gestern aber strich er diesen Passus wieder und folgte damit dem Nationalrat.

Subventionen für Wasserkraft

Mit diesem Entscheid «wird ein Dammbruch erzeugt, der letztlich den Landschaftsschutz in unserem Lande aus­höhlt», schreibt dazu die Stiftung für Landschaftsschutz (SL) und droht: «Dies wird die SL nicht hinnehmen. Eine bereits konzipierte Volksinitiative wird nun aktuell.» Ob diese Initiative tatsächlich lanciert wird, werde der SL-Stiftungsrat am 16. Juni entscheiden, präzisierte SL-Geschäftsführer Raimund Rodewald. Der Entscheid hänge unter anderem davon ab, ob andere Umweltverbände, etwa Pro Natura, sie mittragen.
 
Folgende weitere Differenzen gegenüber dem Nationalrat hat der Ständerat gestern bereinigt:

  • Er schwenkt auf das Modell des Nationalrats zur Subventionierung der Wasserkraft ein. Damit erhalten alle Besitzer von grossen Wasserkraftwerken, die mit den Markterlösen ihre Produktionskosten nicht decken können, eine Subvention von maximal einem Rappen pro Kilowattstunde Strom. Bezahlt wird diese Subvention aus einem Teil des Netzzuschlags, mit dem bereits die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Strom aus Solar- und  Windenergie, Biomasse und kleinen Wasserkraftwerken quersubventioniert wird. Diese neue Subvention darf die Wasserkraft pro Jahr mit maximal 120 Millionen Franken stützen.
  • Als kleine Kompensation für die Subventionierung der Grossen streicht der Ständerat die KEV für die kleinsten Wasserkraftwerke (mit weniger als einem Megawatt Leistung). Begründung: Diese Miniwerke kosten viel, graben vielen kleinen Bächen das Wasser ab und erzeugen nur wenig Strom.
  • Bundes- und Ständerat wollten die Vorlage zur Energiestrategie der Initiative zum (schnelleren) Ausstieg aus der Atomenergie als «indirekten Gegenvorschlag» gegenüberstellen. Damit könnte die Energiestrategie erst (oder nur) in Kraft treten, wenn das Volk die Atomausstiegs-Initiative ablehnt. Der Nationalrat bekämpfte diese Kopplung. Der Ständerat folgte ihm gestern, nachdem Energieministerin Doris Leuthard eingeräumt hatte, die Kopplung verzögere die Inkraftsetzung der Energiestrategie.

Baldige Umsetzung erwünscht 

Der Hintergrund für das ständerätliche Einlenken bei dieser und anderen Differenzen: Seit Subventionen für die Wasserkraft winken, möchte die bürgerliche Mehrheit die – einst von ihr nicht sehr geliebte – Energiestrategie schnell in Kraft setzen. Wie schnell es geht, hängt jetzt von der Energiekommission des Nationalrats ab. Diese wollte die weitere Differenzbereinigung (u.a. Steuererlasse für Hausbesitzer) auf die Herbstsession vertagen, könnte jetzt aber auf ihren Entscheid zurückkommen.

Auf eine entsprechende Frage antwortete Kommissionspräsident und Nationalrat Stefan Müller-Altermatt sybillinisch: «Die Idee, zwecks möglichst rascher Rechts- und Investitionssicherheit doch noch eine Bereinigung in der laufenden Session vorzunehmen, steht im Raum.»

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