Nach 41 Jahren in der Bundesliga verabschiedet sich der VfB Stuttgart in Wolfsburg ohne größere Gegenwehr in Richtung Zweite Liga. Dort stehen dem stolzen Traditionsverein massive Einschnitte bevor.
Um 17 Uhr 22 stand der VfB Stuttgart endgültig als Absteiger aus der ersten Bundesliga fest. Doch den Schlusspfiff brauchte keiner der 4000 mitgereisten Stuttgarter Fans, um zu wissen, was die Stunde geschlagen hatte. 41 Jahre erste Bundesliga sind nach dem 1:3 in Wolfsburg Vergangenheit. Nun geht es in der kommenden Saison gegen den FC St. Pauli statt gegen den HSV und zu 1860 statt zum FC Bayern. Die Vorfreude des schwäbischen Anhangs hielt sich in Grenzen: «Wir sind Stuttgarter und ihr nicht», hallte es aus der Gästekurve. Und – während die Wolfsburger eine Ehrenrunde drehten – «Ihr macht uns lächerlich.»
Über das Spiel gab es all das zu erzählen, was man dem VfB fast schon die gesamte Saison über ankreiden muss: Ein Abwehrverhalten, das ganz weit weg von jeder Bundesligatauglichkeit ist. Und eine Körpersprache, die nicht darauf hindeutete, dass die Spieler verstanden hätten, wie wichtig dieser Tag in der Stuttgarter Vereinsgeschichte ist. «Wir waren in der ersten Halbzeit schwach, dabei wollten wir die letzte Chance nutzen», klagte auch Coach Jürgen Kramny, der sich unmittelbar nach dem Spiel ebenso wenig zu seiner persönlichen Zukunft äussern wollte wie Robin Dutt. «Jeder im Verein sollte sich in den kommenden Tagen in Frage stellen, wie gross sein Anteil an dieser Negativentwicklung ist», sagte der Stuttgarter Sportdirektor. Er selbst werde das auch tun.
«Ihr macht uns lächerlich», riefen die enttäuschten Stuttgarter Fans den Spielern der gegnerischen Mannschaft zu. (Bild: MICHAEL SOHN)
Dass Dutt freiwillig zurücktritt, scheint allerdings an diesem Wochenende eher unwahrscheinlich, amtsmüder wirkte da schon Präsident Bernd Wahler. Nach Pfingsten dürfte es die ersten Verlautbarungen geben. Am Sonntag wurde bekannt gegeben, dass der Vertrag mit Coach Kramny beendet worden sei.
Sponsor bleibt treu, die teuren Spieler ziehen weiter
Immerhin: Die Rahmenbedingungen, unter denen der VfB den Wiederaufstieg angehen will, scheinen halbwegs zuverlässig berechnet. Der Lizenzspieler-Etat wird von derzeit 43 Millionen Euro auf etwa die Hälfte eingedampft, einige Grossverdiener wie Alexandru Maxim, Martin Harnik oder Filip Kostic dürften kaum zu halten sein. Gehaltskürzungen für die VfB-Mitarbeiter sind im Gespräch, Entlassungen soll es allerdings nur geben, wenn nicht schnell der Wiederaufstieg gelingt. Der Zuschauerschnitt wird deutlich sinken, mit 30.000 Fans im Schnitt wird dennoch gerechnet. Zudem hat der Hauptsponsor, ein ortsansässiges Automobilunternehmen, in der vergangenen Woche angekündigt, dass er sein Engagement fortführt.
Schwieriger sieht es mit der geplanten Ausgliederung der Profiabteilung in eine Aktiengesellschaft aus, die vor allem von den Stuttgarter Ultras bekämpft wird. Eigentlich sollte sie im Juli mit der nötigen Drei-Viertel-Mehrheit der Mitglieder beschlossen werden. Doch nun wird die Änderung der Satzung wohl erst mal vertagt, nach dem Abstieg gibt es schlicht dringendere Fragen. Zum Beispiel die «schonungslose Analyse», die Dutt am Samstag in Wolfsburg ankündigte.
Hängende Köpfe auf dem Rasen. Hier Timo Baumgartl nach der 3:1 Niederlage gegen den VfL Wolfsburg die gleichzeitig den Abstieg bedeutet. (Bild: PETER STEFFEN)
Dutt, der von 2007 bis 2011 erfolgreich in Freiburg gearbeitet hat, danach aber keine Erfolge mehr hatte, ist für viele der Hauptschuldige am Abstieg. Ihm wird angelastet, dass er sehenden Auges die seit Jahren augenfälligen Defizite in der Abwehr bestehen ließ. Was man Dutt zugute halten sollte, ist allerdings, dass er insgesamt eine positive Transferbilanz mit geglückten Verpflichtungen wie Serey Dié oder Keeper Mitch Langerak vorzuweisen hat und ihm in den vergangenen Tagen wichtige Vertragsverlängerungen, beispielsweise mit Kapitän Christian Gentner gelangen.
Im Übrigen taugt Dutt, der erst seit 15 Monaten im Amt ist, auch deshalb nicht als alleiniger Sündenbock, weil der Verein nun die Zeche für die Fehler der letzten Dekade zahlt. Seit der Meisterschaft 2007 hat sich der Verein zurückentwickelt. Die fast schon sprichwörtlich gute Stuttgarter Nachwuchsarbeit wurde vernachlässigt, die Nachwuchsmannschaft U23 ist gerade sang- und klanglos als Letzter aus der Dritten Liga abgestiegen.
Es gibt also viel zu tun in Stuttgart. Und das auf allen Ebenen.